18.10.2024
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Dokument-Nr. 28926

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Entscheidung30.06.2020Verfassungsgerichtshof Nordrhein-WestfalenVerfGH 76/20 und VerfGH 63/20.VB-2
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Verfassungsgerichtshof Nordrhein-Westfalen Entscheidung30.06.2020

Trotz Corona-Pandemie: Keine Verschiebung der Kommunalwahlen in Nordrhein-WestfalenVerfGH hält getroffene Maßnahmen für ausreichend

Der Verfassungs­gerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen hat mit Beschlüssen vom 30. Juni 2020 eine Verfassungs­beschwerde zurückgewiesen und einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt, die die Durchführung der Kommunalwahlen 2020 betrafen.

Die aktuelle Kommu­nal­wahl­periode endet am 31. Oktober 2020. Die allgemeinen Kommunalwahlen finden nach § 14 Abs. 2 Satz 3 des Kommu­nal­wahl­ge­setzes im vorletzten oder letzten Monat der laufenden Wahlperiode statt; den genauen Wahltag bestimmt das Ministerium des Innern (§ 14 Abs. 1 Satz 2 Kommu­nal­wahl­gesetz). Der Termin für die Kommunalwahlen 2020 wurde unter Beachtung dieser Vorgaben im September 2019 auf den 13. September 2020 festgesetzt.

Wahlvorschläge müssen spätestens am 59. Tag vor der Wahl eingereicht werden

Nach § 15 Abs. 2 Satz 3 des Kommu­nal­wahl­ge­setzes müssen Wahlvorschläge von Parteien und Wählergruppen, die nicht ununterbrochen in der zu wählenden Vertretung, der Vertretung des zuständigen Kreises, im Landtag oder aufgrund eines Wahlvorschlags aus dem Land im Bundestag vertreten sind, je nach Größenordnung des Wahlbezirks von bis zu 20 Wahlbe­rech­tigten aus dem jeweiligen Wahlbezirk persönlich und handschriftlich unterzeichnet sein. Die Wahlvorschläge müssen spätestens am 59. Tag vor der Wahl (hier ursprünglich am 16. Juli 2020), 18 Uhr, beim Wahlleiter eingereicht werden (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Kommu­nal­wahl­gesetz).

Frist zur Einreichung der Wahlvorschläge per Gesetz verlängert

Mit Erlass vom 20. Mai 2020 teilte das Ministerium des Innern mit, dass die Kommunalwahlen wie geplant am 13. September 2020 stattfinden sollen. Am 3. Juni 2020 trat das Gesetz zur Durchführung der Kommunalwahlen 2020 in Kraft, mit dem der Landes­ge­setzgeber auf mögliche Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die anstehenden Kommunalwahlen reagierte. Nach § 6 des Gesetzes zur Durchführung der Kommunalwahlen 2020 können Wahlvorschläge nicht nur bis zum 59. Tag, sondern bis zum 48. Tag vor der Wahl (hier: 27. Juli 2020), 18 Uhr, beim Wahlleiter eingereicht werden. Ferner wurde die Anzahl der notwendigen Unter­stüt­zungs­un­ter­schriften für Wahlbe­zirks­vor­schläge und Reservelisten auf 60 % des sonst erforderlichen Quorums gesenkt (vgl. §§ 7 und 8 des Gesetzes zur Durchführung der Kommunalwahlen 2020).

Einschränkung durch Corona verletzt Grundsatz der Chancen­gleichheit

Der Beschwer­de­führer im Verfas­sungs­be­schwer­de­ver­fahren VerfGH 63/20.VB-2 beabsichtigte die Gründung einer örtlichen Wähler­ver­ei­nigung, die zwischen­zeitlich erfolgt ist. Bei dem Antragsteller im Verfahren VerfGH 76/20 handelt es sich um den Landesverband der Familien-Partei Deutschlands, der in der Hauptsache über die noch nicht entschieden ist ein Organ­streit­ver­fahren anhängig gemacht hat und darüber hinaus den Erlass einer einstweiligen Anordnung begehrte. Der Beschwer­de­führer und der Antragsteller trugen im Wesentlichen vor, Kontaktsperren sowie Versammlungs- und Reiseverbote machten es unmöglich, die Fristen für die Aufstellung der Kandidierenden, die Einreichung der Wahlunterlagen und das Sammeln von Unter­stüt­zungs­un­ter­schriften einzuhalten. Auch der Wahlkampf sei insbesondere für die kleinen Parteien und Wähler­ver­ei­ni­gungen stark eingeschränkt. Dies verletze den Grundsatz der Chancengleichheit.

Antragsteller forderten Verschiebung des Wahltermins

Die Absenkung des Unter­schrifts­quorums und die Verlängerung der Frist zur Einreichung der Wahlvorschläge seien nicht ausreichend, um die pande­mie­be­dingten Nachteile auszugleichen. Der Beschwer­de­führer machte mit seiner Verfas­sungs­be­schwerde geltend, der Termin der Kommunalwahlen sei deshalb auf den 1. November 2020 oder das Frühjahr 2021 zu verschieben. Ferner müsse auf das Erfordernis zur Beibringung der Unter­stüt­zungs­un­ter­schriften unter den aktuellen Bedingungen verzichtet werden. Der Antragsteller im Organ­streit­ver­fahren begehrte mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, dem Ministerium des Innern die Verschiebung des Wahltermins aufzugeben.

Durchführung der Kommunalwahlen am Ende der laufenden Wahlperiode durch Gebot der Periodizität von Wahlen gerechtfertigt

Die Zurückweisung der Verfas­sungs­be­schwerde hat der Verfas­sungs­ge­richtshof im Wesentlichen damit begründet, dass der Gesetzgeber auf die pande­mie­be­dingten Erschwernisse bei der Sammlung der sogenannten Unter­stüt­zungs­un­ter­schriften durch die Absenkung der Quoren und die Verlängerung der Frist zur Einreichung der Wahlvorschläge in einer verfas­sungs­rechtlich nicht zu beanstandenden Weise reagiert habe. Auch die Verlängerung der Wahlperiode durch den Gesetzgeber die bei einer Verschiebung der Wahlen über den 31. Oktober 2020 hinaus notwendig sei, sei verfas­sungs­rechtlich nicht zwingend erforderlich. Die Durchführung der Kommunalwahlen am Ende der laufenden Wahlperiode sei durch das im Demokra­tie­prinzip wurzelnde Gebot der Periodizität von Wahlen gerechtfertigt. Mit der Zurückweisung der Verfas­sungs­be­schwerde hat sich der vom Beschwer­de­führer ebenfalls gestellte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erledigt.

Beibehaltung des Wahltermins verstößt weder gegen das Willkürverbot noch gegen den Grundsatz der Chancen­gleichheit

Zur Begründung der Ablehnung des Antrags der Familien-Partei Deutschlands auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat der Verfas­sungs­ge­richtshof vor allem ausgeführt, dass sich der in der Hauptsache anhängige Organstreit bei summarischer Prüfung als voraussichtlich unbegründet erweise. Die Entscheidung für den konkreten Wahltermin am 13. September 2020 habe das Ministerium des Innern im Wesentlichen darauf gestützt, dass bei einem Wahltermin ab dem 27. September 2020 entweder der Haupt- oder der Stichwahltermin in die Herbstferien falle. Ferienbedingte Abwesenheiten wirkten sich nachteilig sowohl auf die Wahlor­ga­ni­sation als auch auf die Wahlteilnahme aus. Eine Verschiebung über den 31. Oktober 2020 hinaus sei dem Ministerium des Innern aufgrund der gesetzlichen Vorgaben nicht möglich. Die mit diesen Erwägungen begründete Entscheidung für die Beibehaltung des Wahltermins verstoße weder gegen das Willkürverbot noch gegen den Grundsatz der Chancen­gleichheit. Darüber hinaus gehe auch die von den Erfolgs­aus­sichten der Hauptsache unabhängige Folgenabwägung zu Lasten des Antragstellers aus.

Quelle: Verfassungsgerichtshof Nordrhein-Westfalen, ra-online (pm/ab)

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