18.10.2024
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Verfassungsgerichtshof Nordrhein-Westfalen Beschluss18.02.2022

Eilantrag des 1. FC Köln gegen Beschränkung der Zuschauerzahl auf 10.000 blieb erfolglosFolgenabwägung fällt zugunsten des Gemeinwohls aus

Mit Beschluss vom 18. Februar 2022 hat der Verfassungs­gerichtshof den Antrag des 1. FC Köln auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Beschränkung der Zuschauerzahl auf 10.000 bei Fußballspielen abgelehnt (vgl. Presse­mit­teilung vom 18. Februar 2022). Zuvor hatte das Oberverwaltungs­gericht einen Eilantrag des 1. FC Köln abgelehnt.

Der Verfas­sungs­ge­richtshof hat die Entscheidung über die einstweilige Anordnung wegen der Eilbe­dürf­tigkeit zunächst ohne Begründung bekanntgeben. In der nunmehr gesondert übermittelten Begründung hat der Verfas­sungs­ge­richtshof im Wesentlichen ausgeführt: Die Erfolgs­aus­sichten der in der Hauptsache zu erhebenden Verfas­sungs­be­schwerde sind offen. Die deshalb anzustellende Folgenabwägung geht zu Lasten der Antragsteller aus. Die nicht von vornherein unzulässige Verfas­sungs­be­schwerde wäre weder offensichtlich unbegründet noch offensichtlich begründet. Jedenfalls im Verfahren des Eilrechts­schutzes lässt sich nicht feststellen, dass die beanstandete Beschränkung der Zuschauerzahl den 1. FC Köln in seinen in der Landes­ver­fassung enthaltenen Rechten verletzt.

Aufgrund pandemischer Gefahrenlage keine Klärung im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes

Dem Verord­nungsgeber steht eine Einschät­zungs­prä­ro­gative hinsichtlich der Bewertung der pandemischen Gefahrenlage und der Wirksamkeit seines Schutzkonzepts zu, mit welchem er seine Pflicht zum Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit zu erfüllen sucht. Wie weit aber die Einschät­zungs­prä­ro­gative des Verord­nungs­gebers im Einzelnen reicht, insbesondere ob diese aus grundsätzlichen Erwägungen hinter dem vom Bundes­ver­fas­sungs­gericht heraus­ge­stellten Einschät­zungs­spielraum des demokratisch in besonderer Weise legitimierten parla­men­ta­rischen Gesetzgebers zurückbleibt, kann nicht im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes geklärt werden. Das Gleiche gilt für die Frage, welche Auswirkungen sich daraus ergeben, dass die Corona-Pandemie den Verord­nungsgeber inzwischen nicht mehr vor eine völlig neuartige und komplexe Entschei­dungs­si­tuation stellt, sondern er trotz fortbestehender Dynamik auf zunehmend mehr und gesicherte Erfahrungswerte und wissen­schaftliche Erkenntnisse zurückgreifen kann.

Eingehende Prüfung im Rahmen des Haupt­sa­che­ver­fahrens für konsistente Gesamtstrategie erforderlich

Des Weiteren kann nur in einem Haupt­sa­che­ver­fahren geklärt werden, ob die vom 1. FC Köln beanstandete absolute Obergrenze von 10.000 Zuschauern mit der vom Verord­nungsgeber dafür gegebenen Begründung verfas­sungs­rechtlich gerechtfertigt ist. Das ist nicht von vornherein ausgeschlossen, bedarf aber wegen der Pflicht des Verord­nungs­gebers zu einer konsistenten Gesamtstrategie einer eingehenden Prüfung. Die vom Oberver­wal­tungs­gericht aufgegriffene Erwägung des Verord­nungs­gebers, mit einer absoluten Obergrenze der erlaubten Zuschauerzahl einer Erhöhung des Infek­ti­o­ns­risikos bei der An- und Abreise, beim Zugang zur Anlage oder zum Gebäude und schlicht durch das Zusammenkommen von vielen Menschen entge­gen­zu­wirken, ist im Eilrechts­ver­fahren nicht zu beanstanden. Denn die Annahme des Oberver­wal­tungs­ge­richts, eine Ungleich­be­handlung im Vergleich zu gesicherten Brauchtumszonen im Freien im Sinne der Corona­schutz­ver­ordnung liege mangels eines vergleichbaren Sachverhalts nicht vor, weil in Brauchtumszonen keine Veranstaltungen stattfänden, vielmehr auch für Karne­vals­ver­an­stal­tungen im Freien die gleichen Regelungen wie für sonstige Großver­an­stal­tungen gälten, ist jedenfalls nicht offensichtlich fehlerhaft. Es wird allerdings zu prüfen sein, in welchem Verhältnis dazu die Tatsache steht, dass auch beim Karneval diejenigen Gefahrenquellen (Anund Abreise, Zusammenkommen von noch mehr Menschen als bei Sporte­r­eig­nissen) bestehen, die den Verord­nungsgeber bei anderen Veranstaltungen – hier bei Fußballspielen – zu einer stärkeren Restriktion veranlasst haben.

Schutz von Leib und Leben steht über Schutz vor finanziellen Einbußen

Die mithin vorzunehmende Folgenabwägung geht zu Lasten der Antragstellerin aus. Ergeht die einstweilige Anordnung, erweist sich die Begrenzung der Zuschauerzahl aber als verfas­sungsgemäß, drohen dem gemeinen Wohl schwere Nachteile. Es würde in das, zumindest nicht offensichtlich unvertretbare, Konzept des Verord­nungs­gebers zum Schutz von Leib und Leben einer Vielzahl von Menschen und damit hoher Schutzgüter eingegriffen und die Erreichung des mit dem gegenwärtigen Pande­mie­schutz­konzept verfolgten Ziels gefährdet. Ergeht die einstweilige Anordnung nicht, verletzt die Begrenzung der Zuschauerzahl aber den 1. FC Köln in seinen in der Landes­ver­fassung enthaltenen Rechten, muss dieser zwar zu Unrecht nicht unerhebliche finanzielle Einbußen ertragen. Dabei kann auch Berück­sich­tigung finden, dass coronabedingte Einschränkungen von Fußba­ll­ver­an­stal­tungen inzwischen über einen bereits längeren Zeitraum zu Umsatzeinbußen geführt haben dürften. Allerdings handelt es sich dabei möglicherweise auch um einen Umstand, den der 1. FC Köln deshalb bei seinen wirtschaft­lichen Entscheidungen umso mehr verlustmindernd einplanen muss.

Keine Existenz­ge­fährdung

Zudem ist nicht hinreichend vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass diese Einbußen eine existenz­ge­fährdende Auswirkung haben könnten. Dies erscheint insbesondere auf Grundlage der Feststellungen des Oberver­wal­tungs­ge­richts zur wirtschaft­lichen Situation des 1. FC Köln nicht der Fall zu sein. Von diesen Feststellungen hat der Verfas­sungs­ge­richtshof auszugehen, weil diese Tatsa­chen­fest­stel­lungen nicht offensichtlich fehlsam sind und die Würdigung unter Berück­sich­tigung der betroffenen Grund­rechts­normen nicht offensichtlich unzulänglich ist.

Quelle: Verfassungsgerichtshof Nordrhein-Westfalen, ra-online (pm/cc)

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