21.11.2024
21.11.2024  
Sie sehen einen Schreibtisch mit einem Tablet, einer Kaffeetasse und einem Urteil.

Dokument-Nr. 7144

Drucken
ergänzende Informationen

Verfassungsgerichtshof Nordrhein-Westfalen Urteil16.12.2008

"Sperrklausel" im Kommu­nal­wahl­gesetz NRW verfas­sungs­widrigRecht der ÖDP auf chancengleiche Teilnahme an den Kommunalwahlen und auf Gleichheit der Wahl verletzt

Die "Sperrklausel" im Kommu­nal­wahl­gesetz NRW ist verfas­sungs­widrig. Dies hat der Verfas­sungs­ge­richtshof für das Land Nordrhein-Westfalen entschieden und damit einem entsprechenden Antrag der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP) im Organ­streit­ver­fahren gegen den Landtag NRW stattgegeben.

In dem Organ­streit­ver­fahren hatte sich die ÖDP gegen eine ihr nachteilige Neuregelung im nordrhein-westfälischen Kommunalwahlgesetz (KWahlG) gewandt. Mit dem Gesetz zur Änderung des Kommu­nal­wahl­ge­setzes vom 9. Oktober 2007 war das Verfahren zur Berechnung der Sitzzuteilung beim Verhält­nis­aus­gleich von dem Propor­ti­o­na­l­ver­fahren nach Hare/Niemeyer auf das Divisor­ver­fahren mit Standardrundung nach Sainte-Laguë/Schepers umgestellt worden. Nach diesem Verfahren werden die nach Zahlen­bruch­teilen zu vergebenden Sitze bei Resten unter ,5 auf die darunter liegende ganze Zahl abgerundet und bei Resten ab ,5 auf die darüber liegende ganze Zahl aufgerundet. Abweichend davon bestimmt § 33 Abs. 3 Satz 1 KWahlG, dass Parteien oder Wählergruppen, die nicht mindestens eine Zahl von 1, für einen einzigen Sitz erreichen, bei der Sitzzuteilung unberück­sichtigt bleiben.

In der mündlichen Urteils­be­gründung führte Präsident des Verfas­sungs­ge­richtshofs Dr. Bertrams u.a. aus:

Recht der ÖDP auf chancengleiche Teilnahme an den Kommunalwahlen und auf Gleichheit der Wahl verletzt

Der Landtag NRW habe das Recht der ÖDP auf chancengleiche Teilnahme an den Kommunalwahlen und auf Gleichheit der Wahl dadurch verletzt, dass er in § 33 Abs. 3 Satz 1 KWahlG Parteien oder Wählergruppen bei der Sitzzuteilung unberück­sichtigt lasse, die nicht mindestens eine Zahl von 1, für einen einzigen Sitz erreichten. Diese Regelung bewirke eine Ungleich­ge­wichtung der Wählerstimmen, die über die mit dem Sitzzu­tei­lungs­ver­fahren nach Sainte-Laguë/Schepers verbundene system-immanente Differenzierung im Erfolgswert der Stimmen hinausgehe. Dem genannten Zutei­lungs­ver­fahren entspreche es, auch im Falle eines einzigen Sitzes Zahlenreste ab ,5 und kleiner als 1, für die Sitzzuteilung zu berücksichtigen. Von dieser Rundungs­sys­tematik weiche § 33 Abs. 3 Satz 1 KWahlG ab. Diese Modifizierung sei verfas­sungs­rechtlich nicht gerechtfertigt.

Gestal­tungs­spielraum des Gesetzgebers sind enge Grenzen gesetzt

Das Recht der Parteien auf Chancengleichheit im politischen Wettbewerb sei ebenso wie der Grundsatz der gleichen Wahl im Sinne einer strengen und formalen Gleichheit zu verstehen. Dem Gestal­tungs­spielraum des Gesetzgebers seien hier besonders enge Grenzen gezogen. Diffe­ren­zie­rungen in diesem Bereich bedürften zu ihrer Rechtfertigung stets eines besonderen, sachlich legitimierten, "zwingenden" Grundes. Daran fehle es hier. Der Landtag habe weder im Gesetz­ge­bungs­ver­fahren noch im Verfahren vor dem Verfas­sungs­ge­richtshof dargelegt, dass die Regelung in § 33 Abs. 3 Satz 1 KWahlG aus "zwingenden" Gründen erforderlich sei. Dies gelte auch für den vom Landtag angeführten Gesichtspunkt einer drohenden Funkti­o­ns­un­fä­higkeit der Kommu­na­l­ver­tre­tungs­organe. Der Landtag habe nicht hinreichend deutlich gemacht, dass die "Sperrklausel" in § 33 Abs. 3 Satz 1 KWahlG zur Sicherung der Funkti­o­ns­fä­higkeit der Kommu­na­l­ver­tre­tungen notwendig sei.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des Verfassungsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen vom 16.12.2008

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil7144

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI