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Verfassungsgerichtshof Nordrhein-Westfalen Urteil16.12.2008
"Sperrklausel" im Kommunalwahlgesetz NRW verfassungswidrigRecht der ÖDP auf chancengleiche Teilnahme an den Kommunalwahlen und auf Gleichheit der Wahl verletzt
Die "Sperrklausel" im Kommunalwahlgesetz NRW ist verfassungswidrig. Dies hat der Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen entschieden und damit einem entsprechenden Antrag der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP) im Organstreitverfahren gegen den Landtag NRW stattgegeben.
In dem Organstreitverfahren hatte sich die ÖDP gegen eine ihr nachteilige Neuregelung im nordrhein-westfälischen Kommunalwahlgesetz (KWahlG) gewandt. Mit dem Gesetz zur Änderung des Kommunalwahlgesetzes vom 9. Oktober 2007 war das Verfahren zur Berechnung der Sitzzuteilung beim Verhältnisausgleich von dem Proportionalverfahren nach Hare/Niemeyer auf das Divisorverfahren mit Standardrundung nach Sainte-Laguë/Schepers umgestellt worden. Nach diesem Verfahren werden die nach Zahlenbruchteilen zu vergebenden Sitze bei Resten unter ,5 auf die darunter liegende ganze Zahl abgerundet und bei Resten ab ,5 auf die darüber liegende ganze Zahl aufgerundet. Abweichend davon bestimmt § 33 Abs. 3 Satz 1 KWahlG, dass Parteien oder Wählergruppen, die nicht mindestens eine Zahl von 1, für einen einzigen Sitz erreichen, bei der Sitzzuteilung unberücksichtigt bleiben.
In der mündlichen Urteilsbegründung führte Präsident des Verfassungsgerichtshofs Dr. Bertrams u.a. aus:
Recht der ÖDP auf chancengleiche Teilnahme an den Kommunalwahlen und auf Gleichheit der Wahl verletzt
Der Landtag NRW habe das Recht der ÖDP auf chancengleiche Teilnahme an den Kommunalwahlen und auf Gleichheit der Wahl dadurch verletzt, dass er in § 33 Abs. 3 Satz 1 KWahlG Parteien oder Wählergruppen bei der Sitzzuteilung unberücksichtigt lasse, die nicht mindestens eine Zahl von 1, für einen einzigen Sitz erreichten. Diese Regelung bewirke eine Ungleichgewichtung der Wählerstimmen, die über die mit dem Sitzzuteilungsverfahren nach Sainte-Laguë/Schepers verbundene system-immanente Differenzierung im Erfolgswert der Stimmen hinausgehe. Dem genannten Zuteilungsverfahren entspreche es, auch im Falle eines einzigen Sitzes Zahlenreste ab ,5 und kleiner als 1, für die Sitzzuteilung zu berücksichtigen. Von dieser Rundungssystematik weiche § 33 Abs. 3 Satz 1 KWahlG ab. Diese Modifizierung sei verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt.
Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers sind enge Grenzen gesetzt
Das Recht der Parteien auf Chancengleichheit im politischen Wettbewerb sei ebenso wie der Grundsatz der gleichen Wahl im Sinne einer strengen und formalen Gleichheit zu verstehen. Dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers seien hier besonders enge Grenzen gezogen. Differenzierungen in diesem Bereich bedürften zu ihrer Rechtfertigung stets eines besonderen, sachlich legitimierten, "zwingenden" Grundes. Daran fehle es hier. Der Landtag habe weder im Gesetzgebungsverfahren noch im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof dargelegt, dass die Regelung in § 33 Abs. 3 Satz 1 KWahlG aus "zwingenden" Gründen erforderlich sei. Dies gelte auch für den vom Landtag angeführten Gesichtspunkt einer drohenden Funktionsunfähigkeit der Kommunalvertretungsorgane. Der Landtag habe nicht hinreichend deutlich gemacht, dass die "Sperrklausel" in § 33 Abs. 3 Satz 1 KWahlG zur Sicherung der Funktionsfähigkeit der Kommunalvertretungen notwendig sei.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 16.12.2008
Quelle: ra-online, Pressemitteilung des Verfassungsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen vom 16.12.2008
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