21.11.2024
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Sie sehen einen Teil der Glaskuppel und einen Turm des Reichstagsgebäudes in Berlin.

Dokument-Nr. 8574

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Verfassungsgerichtshof Berlin Urteil06.10.2009

Volksbegehren zur Offenlegung der Verträge über die Teilpri­va­ti­sierung der Berliner Wasserbetriebe zulässigSieg für Bürge­r­i­n­i­tiative Berliner Wassertisch -

Der Verfas­sungs­ge­richtshof des Landes Berlin hat entschieden, dass das von mehr als 36.000 Bürgern unterstützte Volksbegehren "Schluss mit den Geheimverträgen - Wir Berliner wollen unser Wasser zurück" zulässig ist und durchgeführt werden darf. Der Verfas­sungs­ge­richtshof gab damit einem Einspruch des Vertreters des Volksbegehrens gegen die Entscheidung des Senats von Berlin statt, mit der das Volksbegehren als unzulässig abgelehnt worden ist. Das Volkbegehren geht auf eine Bürge­r­i­n­i­tiative Berliner Wassertisch zurück. Diese hatte sich gegründet. Diese sieht in der Privatisierung den Grund für Preiss­tei­ge­rungen und Personalabbau und fordert, Verträge offen zu legen.

Gegenstand dieses Volksbegehrens ist der Entwurf eines "Gesetzes zur Publi­zi­täts­pflicht im Bereich der Berliner Wasser­wirt­schaft", mit dem die Offenlegung aller bestehenden und künftigen Abmachungen im Kernbereich der Berliner Wasser­wirt­schaft erreicht werden soll.

Hintergrund

Hintergrund des Volksbegehrens ist das Verfahren der Teilpri­va­ti­sierung der Berliner Wasserbetriebe, die als Anstalt des öffentlichen Rechts die öffentlichen Aufgaben der Wasser­ver­sorgung und Abwas­se­r­ent­sorgung Berlins wahrnehmen. Mit Gesetz vom 17. Mai 1999 wurden die rechtlichen Rahmen­be­din­gungen für die Teilpri­va­ti­sierung der Berliner Wasserbetriebe geschaffen. Nach einem Bieter­wett­bewerb schloss der Senat von Berlin mit privaten Investoren u. a. einen Konsor­ti­a­l­vertrag vom 18. Juni 1999, dem das Abgeord­ne­tenhaus zustimmte.

Mit dem Urteil hat der Verfas­sungs­ge­richtshof die Entscheidung des Senats aufgehoben.

Zulas­sungs­vor­aus­set­zungen für Volksbegehren und Volksentscheide wurden abgesenkt

Der Berliner Gesetzgeber hat (in § 17 Abs. 5 Satz 1 des Gesetzes über Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid / Abstim­mungs­gesetz - AbstG -) den Maßstab der Zuläs­sig­keits­prüfung im Stadium der Einleitung des Volksbegehrens abschließend festgelegt. Danach ist - seit der Änderung des Abstim­mungs­ge­setzes im Februar 2008 - nicht mehr umfassend zu prüfen, ob das Volksbegehren dem Grundgesetz, sonstigem Bundesrecht oder der Verfassung von Berlin widerspricht. Die darin liegende Absenkung der Zulas­sungs­vor­aus­set­zungen für Volksbegehren und Volksentscheide entspricht dem Anliegen einer von allen Faktionen des Abgeord­ne­ten­hauses unterstützten Verfas­sungs­novelle des Jahres 2006. Diese hat die plebiszitären Beteiligungs- und Entschei­dungs­mög­lich­keiten erheblich erweitert, um die Volks­ge­setz­gebung als Element der direkten Demokratie zu stärken. Der verfas­sung­s­än­dernde Gesetzgeber hat damit zu erkennen gegeben, dass er dem Volk im Hinblick auf die verant­wor­tungsvolle Handhabe direkt­de­mo­kra­tischer Berechtigungen gesteigertes Vertrauen entgegenbringt.

Prüfung, ob das zur Abstimmung gestellte Volksgesetz gegen höherrangiges Recht verstößt, ist nicht notwendig

Entgegen der Auffassung des Senats und des (im verfas­sungs­ge­richt­lichen Verfahren angehörten) Abgeord­ne­ten­hauses von Berlin ist es danach nicht (mehr) geboten, vor Einleitung eines Volksbegehrens umfassend zu prüfen, ob ein damit zur Abstimmung gestelltes Volksgesetz gegen höherrangiges Recht verstoßen würde und deshalb nichtig wäre. Ein verfas­sungs­widriges Volksgesetz unterläge notfalls, wenn es denn überhaupt die erforderliche Mehrheit auch bei einem Volksentscheid finden würde, - ebenso wie ein entsprechendes Parla­ments­gesetz - der verfas­sungs­ge­richt­lichen Kontrolle. Auch könnte es vom Abgeord­ne­tenhaus jederzeit wieder aufgehoben werden. Außerdem können der Senat und das Abgeord­ne­tenhaus auf die politische Willensbildung der Bürger im weiteren Verfahren des Volksbegehrens (und eventuell eines anschließenden Volksentscheids) Einfluss nehmen und dabei namentlich auch auf verfas­sungs­rechtliche Bedenken gegen die vorgeschlagenen Regelungen aufmerksam machen. Mit Rücksicht hierauf ist eine weitergehende Vorprüfung der Zulässigkeit von Volksbegehren verfas­sungs­rechtlich nicht gefordert. Etwas anderes gilt nur dann, wenn bereits das mit einem Volksbegehren verfolgte Anliegen offenkundig und in erheblichem Maße gegen wesentliche Verfas­sungs­grundsätze verstößt oder verfas­sungs­feindliche Ziele verfolgt. Das ist hier offenkundig nicht der Fall.

Der Verfas­sungs­ge­richtshof hatte nicht zu prüfen, ob die Auffassung des Senats zutrifft, der Gesetzentwurf verletze die Grundrechte der an den Wasserbetrieben beteiligten privaten Unternehmen.

Quelle: ra-online, Verfassungsgerichtshof Berlin

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