18.01.2025
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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss08.02.2018

Entlassung von Bundes­wehr­soldaten wegen Aufnah­me­ri­tualen zulässig"Folterrituale" stellen auch bei allseitigem Einverständnis zwischen Beteiligten schwerwiegendes Fehlverhalten dar

Der Ver­waltungs­gerichts­hof Baden-Württemberg hat die Entlassung von Bundes­wehr­soldaten des Ausbil­dungs­zentrums Spezielle Operationen in Pfullendorf wegen ihrer Teilnahme an folterartigen Aufnah­me­ri­tualen für rechtens erklärt.

Vier jungen Männer, zwei Soldaten auf Zeit sowie zwei Freiwillig Wehrdienst­leistende, wurden von der Bundeswehr wegen ihrer Beteiligung an sogenannten Taufen und Gefan­ge­nen­spielen entlassen. Einen Einblick in das ihnen vorgeworfene Fehlverhalten gaben u.a. Videosequenzen, die von einem der Soldaten aufgenommen worden waren. Sie geben einen Vorfall wieder, der sich im Oktober/November 2016 ereignet haben soll. Nach Angaben der Soldaten zeige eine Sequenz das Üben einer Gefangennahme. Die andere Sequenz zeigt, wie ein Soldat in Uniform mit ABC-Maske im Gesicht zwei zivil gekleidete und auf Stühle gefesselte Männer in der Dusche abspritzt. Ihre gegen die Entlassungen gerichteten Klagen wies das Verwal­tungs­gericht Sigmaringen mit Urteilen vom 19. Juli 2017 ab. Die Soldaten stellten hiergegen Anträge auf Zulassung der Berufung. Einer der Soldaten nahm seinen Zulas­sungs­antrag zurück. Das erstin­sta­nzliche Urteil wurde dadurch rechtskräftig. Die drei verbliebenen Zulas­sungs­anträge lehnte der Verwal­tungs­ge­richtshof Baden-Württemberg ab.

"Spaß" ende bei Verletzung von Würde, Ehre und körperlicher Unversehrtheit eines Kameraden

Zur Begründung führte der Verwal­tungs­ge­richtshof aus, dass Folterrituale objektiv geeignet seien, den militärischen Zusammenhalt im Sinne eines gegenseitigen Vertrauens und der Bereitschaft, füreinander einzustehen, zu gefährden. Selbst­ge­schaffene bundes­weh­rinterne Aufnahmerituale trügen die generelle Gefahr des Ausartens in sich. Auch wenn sie mit harmlosen Inhalten begännen, bestünden Missbrauchs­mög­lich­keiten zu Lasten Einzelner, indem Soldaten einem Gruppenzwang unterworfen und letztlich durch Misshandlung, Demütigung bzw. entwürdigender Behandlung in ihren Grundrechten verletzt würden. Zutreffend habe das Verwal­tungs­gericht dargelegt, dass die Behandlung des "Täuflings" und des "Gefangenen" äußerlich an Folterszenen erinnere, die darauf gerichtet seien, die Opfer nicht nur in ihrer Bewegungs­freiheit und körperlichen Unversehrtheit zu beeinträchtigen, sondern sie gerade auch in ihrer Ehre und Würde zu verletzen. Ob diese Rituale im Einverständnis aller Beteiligten durchgeführt worden seien und auch alle Beteiligten diese Behandlung als Spaß angesehen hätten, sei rechtlich unerheblich. Denn jeder "Spaß" ende dort, wo er die Würde, die Ehre und/oder die körperliche Unversehrtheit eines Kameraden verletze. Die Beteiligung an "Folterritualen" erweise sich daher, selbst wenn sie im allseitigen Einverständnis zwischen den Beteiligten als eine scherzhafte Form des Umgangs miteinander angesehen würden, schon wegen der Beein­träch­tigung der Grund­rechtssphäre des Betroffenen als schwerwiegendes Fehlverhalten. Solche kamerad­schafts­widrigen Handlungsweisen beträfen den militärischen Kernbereich, da sie den militärischen Zusammenhalt gefährden könnten.

Quelle: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg/ra-online

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