Dokument-Nr. 13929
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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil26.07.2012
Keine abstrakte Polizeigefahr: Glasverbot am Konstanzer Bodenseeufer ist nicht durch Polizeigesetz gedeckt und unwirksamReine Vorsorgemaßnahmen durch Polizeigesetz nicht gedeckt
Wegen nicht bestehender abstrakter Polizeigefahr, wurde nunmehr das Glasverbot am Bodenseeufer für unwirksam erklärt. Dies hat das Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH) in einem Normenkontrollantrag entschieden.
Gegenstand des Normenkontrollverfahrens war ein Verbot in einer Polizeiverordnung der Stadt Konstanz vom Juli 2011. Danach war das Mitführen zerbrechlicher Behältnisse verboten, wenn aufgrund der konkreten Umstände die Absicht erkennbar war, dass deren Inhalt beim dauerhaften Verweilen konsumiert werden sollte. Die Verordnung galt für die Abend- und Nachtstunden an drei Abschnitten des Bodenseeufers und des Rheinufers. Mit ihr wollte die Stadt den Verletzungen vorbeugen, die Besucher sich durch umherliegende Scherben zuziehen können.
Antragsteller sieht sich in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit verletzt
Ein Konstanzer Student hatte das "Glasverbot" mit einem Normenkontrollantrag angegriffen. Er sah sich in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit verletzt. Die Stadt dürfe eine Polizeiverordnung erst erlassen, wenn bereits eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung bestehe. Das Verbot des bloßen Mitführens von zerbrechlichen Behältnissen sei aber eine Maßnahme, die schon im Gefahrenvorfeld ansetze. Dem ist der VGH gefolgt.
Keine nachvollziehbare Statistik bzw. Hochrechnung über Rückgang von Verletzungen
Der Erlass einer Polizeiverordnung erfordere nach dem Polizeigesetz das Vorliegen einer abstrakten Polizeigefahr. Die Schwelle zu einer solchen Gefahr sei erst überschritten, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass das verbotene Verhalten regelmäßig und typischerweise erhebliche Rechtsgutverletzungen zur Folge habe. Das sei hier nicht der Fall. Zwar stehe außer Zweifel, dass von Glas- und Porzellanscherben ein gewisses Risiko ausgehe. Im Normenkontrollverfahren habe sich aber nicht feststellen lassen, inwieweit es in dem betroffenen Gebiet in der Vergangenheit zu entsprechenden Schnittverletzungen gekommen sei. Es fehle an einer nachvollziehbaren Statistik oder auch nur Hochrechnung. Die Stadt Konstanz habe nicht belegen können, dass es nach Erlass mehrerer einmonatiger Polizeiverordnungen in der Vergangenheit zu einem Rückgang der Verletzungen gekommen sei. Ebenso wenig sei der von ihr behauptete Anstieg des Scherbenaufkommens nach Auslaufen der einmonatigen Polizeiverordnungen nachgewiesen. Die wenigen aktenkundigen Verletzungen stellten sich daher als Einzelfälle dar.
Polizeiverordnung nur zur Abwehr polizeilicher Gefahren
Der VGH betont, dass reine Vorsorgemaßnahmen durch die Ermächtigungsgrundlage im Polizeigesetz nicht gedeckt seien. Die Exekutive dürfe das besondere Mittel der Polizeiverordnung nur zur Abwehr polizeilicher Gefahren einsetzen. Im Bereich der Gefahrenvorsorge sei es allein Sache des Gesetzgebers, Risiken zu bewerten und zu bewältigen. Damit bestätigt der VGH seine langjährige Rechtsprechung.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 09.08.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg/ra-online
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