15.11.2024
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Dokument-Nr. 3047

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Verwaltungsgericht des Saarlandes Beschluss12.09.2006

DocMorris Filiale in Saarbrücken muss vorerst wieder schließenVG des Saarlandes gewährt drei Apothekern Eilrechtsschutz

Die erste deutsche Filiale der nieder­län­dischen Inter­ne­ta­potheke in Saarbrücken muss vorerst wieder geschlossen werden. Das hat das Verwal­tungs­gericht des Saarlandes in einem Eilverfahren entschieden.

Das Gericht hat drei privaten Apothekern, die gegen die Erlaubnis Klage erhoben haben, die der Doc Morris-Kapital­ge­sell­schaft zum Betrieb einer Filialapotheke in Saarbrücken erteilt wurde, vorläufigen Rechtsschutz gewährt und das Ministerium für Justiz, Gesundheit und Soziales des Saarlandes verpflichtet, der (zu dem Verfahren beigeladenen) Doc Morris-Kapital­ge­sell­schaft aufzugeben, die von ihr betriebene Filialapotheke in Saarbrücken bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Haupt­sa­che­ver­fahren zu schließen.

Zur Begründung hat das Gericht darauf abgestellt, dass die privaten Apotheker, die ihre berufliche Tätigkeit ebenfalls in Saarbrücken und damit im selben Einzugsbereich wie die von Doc Morris betriebene Filialapotheke ausüben, deshalb grundsätzlich geltend machen können, durch die Betriebserlaubnis für Doc Morris wegen der darin liegenden Veränderung der Wettbe­wer­bs­be­din­gungen zu ihrem Nachteil in ihrem Recht auf Chancen­gleichheit im beruflichen Wettbewerb verletzt zu sein.

Ob sich im Klageverfahren, das heißt im Verfahren zur Hauptsache, eine solche Rechts­ver­letzung letztlich ergebe, könne derzeit noch nicht endgültig beurteilt werden. Offen sei insbesondere, ob das im deutschen Apothekenrecht geltende Fremd­be­sitz­verbot (das heißt das Verbot des Betriebs einer Apotheke zum Beispiel durch eine Kapital­ge­sell­schaft) durch den Europäischen Gerichtshof als eine aus Gründen des Gesund­heits­schutzes zulässige Beschränkung der europa­recht­lichen Niederlassungsfreiheit angesehen würde. Eine ausdrückliche Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zur Vereinbarkeit der einschlägigen deutschen apothe­ken­recht­lichen Vorschriften mit dem europäischen Gemein­schaftsrecht gebe es bisher noch nicht.

Vor dem Hintergrund, dass sich im vorliegenden Eilverfahren keine endgültige Aussage über die Rechtmäßigkeit oder Rechts­wid­rigkeit der angefochtenen Betrie­bs­er­laubnis treffen lasse, hat das Gericht eine Abwägung der wider­strei­tenden Interessen unter besonderer Berück­sich­tigung auch öffentlicher Interessen vorgenommen. Dabei hat es darauf abgestellt, dass die von Doc Morris getätigten Investitionen von 513.587,00 Euro angesichts eines Jahresumsatzes von 150 Millionen Euro deutlich relativiert würden und im Übrigen auch nicht gänzlich verloren seien. Zu beachten sei, dass Doc Morris mit der erstmaligen Ansiedlung eine (bewusste) unter­neh­me­rische Risikoent­scheidung getroffen habe, während die Apotheken der privaten Antragsteller bereits seit längerem bestünden. Sodann hat das Gericht dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der Vorschriften des deutschen Apothe­ken­ge­setzes im Rahmen der Inter­es­se­n­ab­wägung ausschlag­gebende Bedeutung beigemessen. Dem deutschen Apothekenrecht liege ausgehend von der Erkenntnis, dass Arzneimittel keine gewöhnlichen Waren, sondern die wichtigsten Hilfsmittel der ärztlichen Kunst zur Heilung und Vorbeugung von Krankheiten seien und zur Linderung von Schmerzen dienten, und dass dem Apotheker, dem vorrangig die geordnete Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln zukomme, als besonderem, qualifizierten Beruf des Gesund­heits­wesens eine große Verantwortung im Rahmen der öffentlichen Aufgabe der Arznei­mit­tel­ver­sorgung obliege, das Leitbild des „Apothekers in seiner Apotheke“ zugrunde. Nach der Konzeption des Apothe­ken­ge­setzes solle eine Aufspaltung der Verantwortung des Apothekers in eine gesundheitliche und eine wirtschaftliche Leitung gerade vermieden und auf diese Weise ein sachfremder Einfluss von Kapitalanlegern auf die Arznei­mit­tel­ver­sorgung der Bevölkerung verhindert werden. An dieser Konzeption habe der Bundes­ge­setzgeber bis zuletzt ausdrücklich festgehalten. An der Einhaltung dieser gesetz­ge­be­rischen Grund­ent­scheidung durch die Behörden bestehe solange ein erhebliches öffentliches Interesse – im Interesse der Volksgesundheit – bis die Vereinbarkeit oder Nicht­ver­ein­barkeit der nationalen Rechts­vor­schriften mit der europäischen Nieder­las­sungs­freiheit im Haupt­sa­che­ver­fahren geklärt sei. Bei der Gesundheit der Bevölkerung und der fachgerechten Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln handele es sich um hohe Rechtsgüter, mit denen nicht vorschnell oder gar leichtfertig umgegangen werden dürfe.

Die Wieder­her­stellung der aufschiebenden Wirkung der Klage bewirke, dass aus der mit der Klage angefochtenen Erlaubnis keine Folgerungen tatsächlicher oder rechtlicher Art gezogen werden dürften, die Doc Morris-Kapital­ge­sell­schaft die Erlaubnis damit auch nicht ausnutzen dürfe. Zur Klarstellung dieser Rechtslage sei es angebracht, die Schließung der Filialapotheke durch das Ministerium anzuordnen.

Noch am 9. August 2006 lehnte das Landgericht Saarbrücken in einer Eilentscheidung die sofortige Schließung der Filiale ab. Es sah in der Betrie­bs­er­laubnis keine Verletzung von Vorschriften gegen den unlauteren Wettbewerb.

Den auf das gleiche Rechts­schutzziel gerichteten Antrag der Apothekerkammer des Saarlandes sowie des Deutschen Apothe­ker­ver­bandes e.V. hat das Gericht dagegen zurückgewiesen. Beide seien durch die der Doc Morris-Kapital­ge­sell­schaft erteilte Erlaubnis zum Betrieb einer Filialapotheke weder in eigenen Rechten verletzt, noch sei ihnen durch Gesetz ein Klagerecht eingeräumt. Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig. Den Beteiligten steht die Beschwerde an das Oberver­wal­tungs­gericht des Saarlandes zu.

Siehe nachfolgend:

OVG Saarlouis erlaubt Kapital­ge­sell­schaft den Betrieb einer Apotheke

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des VG des Saarlandes vom 13.09.2006

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