Das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes hat den Beschwerden des Ministeriums für Justiz, Gesundheit und Soziales und der DocMorris N.V. stattgegeben und - unter Abänderung der Beschlüsse des Verwaltungsgerichts (Beschl. v. 12.9.2006 - 3 F 38/06 - und Beschl. v. 18.9.2006 - 3 F 39/06 -) - die Anträge von insgesamt vier Apotheker/innen auf vorläufige Aussetzung der Erlaubnis zum Betrieb einer DocMorris-Filialapotheke zurückgewiesen.
In den Eilverfahren hat das Oberverwaltungsgericht die entscheidende Frage, ob die niederländische Kapitalgesellschaft, die in den Niederlanden legal Apotheken betreibt, auch eine Apotheke in Deutschland betreiben kann, bejaht.
Das deutsche Recht - so die Begründung des Oberverwaltungsgerichts im Wesentlichen -verbietet dies, weil nach dem gesetzlichen Fremdbesitzverbot (§ 7 ApothekenG) eine Apotheke keiner Kapitalgesellschaft gehören darf. Demgegenüber ist abweichend im europäischen Recht bereits im EG-Vertrag (Artikel 48 EGV) geregelt, dass Kapitalgesellschaften der EG in dem gesamten Bereich der europäischen Gemeinschaft Niederlassungsfreiheit genießen; die Niederlassungsfreiheit ist untrennbar mit der europäischen Einheit verbunden. Nach dem vom EuGH und vom Bundesverfassungsgericht anerkannten Vorrang des Europarechts vor dem nationalen Recht setzt sich hier im konkreten Fall das liberalere Europarecht durch.
Vergleichbare europäische Rechtsprechung liegt dazu bereits vor, und zwar mit dem Optiker-Urteil des EuGH (EuGH, Urteil vom 21.4.2005 - C-140/03 -). In diesem Urteil hat der EuGH für vergleichbare Optikergeschäfte entschieden, dass sich die europäische Niederlassungsfreiheit von Kapitalgesellschaften gegen ein nationales gesetzliches Verbot als Fremdbesitzverbot durchsetzt. Wegen des hohen Rangs der Niederlassungsfreiheit und der Gleichheit der Problemlage ist das Optiker-Urteil auch auf Apotheken übertragbar. Verbote der Niederlassungsfreiheit sind nach der europäischen Rechtsprechung nur aus zwingenden Gründen möglich. Solche zwingenden Gründe für ein Niederlassungsverbot liegen bei Apotheken nicht vor. Bestehenden Gesundheitsgefahren bei der Abgabe von Medikamenten ist durch qualifiziertes Personal vorzubeugen; ein Gesundheitsschutz allein vor der Rechtsform der Apotheke leuchtet nicht ein. Bestehenden Kommerzialisierungsgefahren ist nach der anderweitig vorliegenden europäischen Rechtsprechung durch Kontrollen zu begegnen, nicht durch ein Niederlassungsverbot für Kapitalgesellschaften. Der dargelegte Vorrang des Europarechts ist bereits im behördlichen Genehmigungsverfahren zu beachten. Eine Behörde kann nicht gerichtlich gezwungen werden, vor dem Europarecht die Augen zu verschließen. Ebenso ist der Vorrang des Gemeinschaftsrechts im hier vorliegenden gerichtlichen Verfahren zu beachten. Deshalb war unter Abweichung von der Entscheidung des Verwaltungsgerichts die Niederlassungserlaubnis im vorläufigen Verfahren zu bestätigen.
Damit kann die DocMorris-Filialapotheke bis zur unanfechtbaren Entscheidung über die noch beim Verwaltungsgericht anhängigen Klagen vorläufig weiter betrieben werden.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 22.01.2007
Quelle: ra-online, Pressemitteilung des OVG des Saarlandes