24.11.2024
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Verwaltungsgericht Wiesbaden Beschluss05.04.2012

VG Wiesbaden erlaubt Demonstration an Karfreitag nur ohne tänzerische DarbietungenTotalverbot der Demonstration ist rechtswidrig

Das Verwal­tungs­gericht Wiesbaden hat entschieden, dass eine Demonstration der Grünen Jugend Hessen am Karfreitag durch die Stadt Wiesbaden nicht vollständig verboten werden darf, sondern mit der Maßgabe durchgeführt werden darf, dass keine tänzerischen Darbietungen erfolgen.

Der Landes­vor­sitzende der Antragstellerin meldete am 2. April eine Demonstration für den morgigen Karfreitag zu dem Thema „Tanzverbot“ auf dem Dernschen Gelände in der Wiesbadener Innenstadt für die Zeit von 12:00 bis 14.00 Uhr an. Die Anzahl der zu erwartenden Teilnehmer wurde mit 100 bis 150 beziffert. In der Nähe des Dernschen Geländes befindet sich die Marktkirche, in der am Karfreitag um 10:00 ein Gottesdienst mit Abendmahl stattfindet.

Stadt Wiesbaden lehnte die Demonstration ab

Die Stadt Wiesbaden lehnte die Demonstration am 3. April mit der Begründung ab, dass öffentliche Veranstaltungen unter freiem Himmel sowie Aufzüge und Umzüge aller Art, „wenn sie nicht diesen Feiertagen entsprechende Würdigung tragen“, verboten seien und versah diese Verfügung mit Sofortvollzug.

VG Wiesbaden erlaubt Demonstration an Karfreitag unter Auflagen

Das Verwal­tungs­gericht gab dem Begehren der Antragstellerin auf Wieder­her­stellung der aufschiebenden Wirkung mit der Maßgabe statt, dass keine tänzerischen Darbietungen erfolgen.

Kein Totalverbot der Demonstration

Das Gericht ist der Auffassung, dass ein Totalverbot der Versammlung bei summarischer Prüfung rechtswidrig erscheine. Zwar seien am Karfreitag öffentliche Veranstaltungen, zu denen auch Demonstrationen zählen, nach dem Hessischen Feiertagsgesetz verboten. Hierunter fielen aber nur Veranstaltungen, die nicht den diesem Feiertag entsprechenden ernsten Charakter trügen. Der angemeldeten Demonstration, die sich speziell gegen das Verbot von Tanzver­an­stal­tungen an Feiertagen wende, könne nicht ohne weiteres ein ernster Charakter abgesprochen werden. Auch sei eine Störung der Gefühle von Kirchen­be­suchern nicht zu befürchten, das diese Veranstaltung in einem Zeitfenster stattfinden solle, in dem keine Gottesdienste stattfinden.

Gestaltungsart der Demonstration ist geeignet, dem Charakter des Karfreitags zu widersprechen

Das Gericht befand aber, dass die Gestaltungsart der Demonstration geeignet ist, dem Charakter des Karfreitags zu widersprechen. Zwar gewährleiste das Grundrecht der Versammlungsfreiheit vielfältige Formen gemeinsamen Verhaltens bis hin zu nichtverbalen Ausdrucksformen. Die von der Antragstellerin gewählte Art der Darbietung, vergleichbar mit einem nonverbalen Straßentheater, einer Art Massenpantomime, sei mit dem Gedenken an den Tod Jesu Christi nicht vereinbar und trage dem Ernst des Feiertages nicht in der gebotenen Weise Rechnung. Denn Tanzen, wenn auch ohne für Dritte hörbare Musik, stelle eine Lebensäußerung dar, die den Unter­hal­tungswert von Bewegungen betone. Daraus folge für das Gericht, dass zwar nicht die Demonstration als solche, aber die Gestaltungsform bei einer Abwägung der Rechtsgüter den Charakter des Karfreitags nicht zu wahren geeignet sei. Hinzu komme, dass die Antragsgegnerin gerade eine Veran­stal­tungsart - stilles Tanzen - für die Demonstration gewählt habe, die das in dem Hessischen Feiertagsgesetz geregelte totale Verbot von öffentlichen Tanzver­an­stal­tungen berühren könne. Das ausgewählte Stilmittel könne für einen objektiven Betrachter auf den ersten Blick als Tanzver­an­staltung eingeordnet werden, da eine Vielzahl von Personen sich zu Musik - wie geplant über einen MP3-Player - bewege. Dass diese Musik für Dritte nicht hörbar sein werde, spiele dabei eine untergeordnete Rolle. Aus der Art der Bewegungen, die jeder Teilnehmer für sich selbst bestimme und die von seinem „Tanztalent“ abhänge, folge für das Gericht die objektive Nähe zu einer im Hessischen Feiertagsgesetz am Karfreitag verbotenen Veranstaltung.

§ 8 Hessisches Feiertagsgesetz

(1) Am Karfreitag von Uhr an, am Volkstrauertag und Totensonntag von 4 Uhr an sind unbeschadet der Bestimmungen des § 7 verboten:

1. öffentliche Tanzver­an­stal­tungen;

2. öffentliche sportliche Veranstaltungen gewerblicher Art;

3. öffentliche Veranstaltungen unter freiem Himmel sowie Aufzüge und Umzüge aller Art, wenn sie nicht den diesen Feiertagen entsprechenden ernsten Charakter tragen;

4. alle sonstigen öffentlichen Veranstaltungen, wenn sie nicht der Würdigung der Feiertage, der seelischen Erhebung oder einem überwiegenden Interesse der Kunst, Wissenschaft, Volksbildung oder Politik dienen.

(2) Am Karfreitag von Uhr an, am Volkstrauertag und Totensonntag von 4 Uhr bis 13 Uhr sind auch öffentliche sportliche Veranstaltungen nicht­ge­werb­licher Art verboten.

(3) Bei der öffentlichen Darbietung von Rundfunksen­dungen sowie von Musik- und anderen Tonaufnahmen ist auf den ernsten Charakter der Feiertage Rücksicht zu nehmen.

Beschwerde

Gegen diese Entscheidung hat die Stadt Wiesbaden Beschwerde beim Verwal­tungs­ge­richtshof in Kassel eingelegt.

Quelle: ra-online, Verwaltungsgericht Wiesbaden (pm/pt)

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