23.11.2024
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Verwaltungsgericht Neustadt Urteil22.07.2013

Live-Musik der Landjugend auf der Hambacher Jakobuskerwe 2012 zulässigLärm muss von Anwohnern während der Kerwetage als sozialadäquat hinzunehmendes "Kerweg­rund­ge­räusch" betrachtet werden

Das Verwal­tungs­gericht Neustadt hat entschieden, dass die Landjugend Hambach auf der Jakobuskerwe in Hambach im Jahre 2012 Live-Musik und CD-Musik in einem Weingut veranstalten durfte. Durch Musik und Besucher verursachter Lärm ist von Anwohnern der Kerwemeile in dieser Zeit als unvermeidlich mit einer Kerwe verbundenes als sozialadäquat hinzunehmendes "Kerweg­rund­ge­räusch" zu betrachten, das überall mehr oder weniger stark auftreten kann, entschied das Gericht.

Dem Fall liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Von Freitag, 27. Juli 2012 bis Dienstag, 31. Juli 2012 fand im Neustadter Ortsbezirk Hambach die Jakobuskerwe statt. Die Landjugend Hambach wollte wie in den Jahren zuvor in einem Weingut, das an der Kerwemeile liegt, Live-Musik sowie CD-Musik anbieten. Ihrem Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach dem Landes­im­mis­si­ons­schutz­gesetz gab die Stadt Neustadt Ende Juni 2012 insoweit statt, als Live-Musik am Freitag von 19 bis 24 Uhr, am Sonntag von 15 bis 17.30 Uhr und von 18 bis 23 Uhr sowie CD-Musik am Samstag von 19 bis 24 Uhr genehmigt wurde. Die Lautstärke der Musikd­a­r­bie­tungen wurde in den genehmigten Zeiten bis 23 Uhr auf 70 Dezibel und nach 23 Uhr auf 65 Dezibel begrenzt.

Anwohner halten Musikdarbietung für nicht zumutbar

Gegen die Ausnah­me­ge­neh­migung hatten zwei Anwohner mit der Begründung um Eilrechtsschutz nachgesucht, die genehmigten Musikd­a­r­bie­tungen seien ihnen nicht zumutbar. Das Verwal­tungs­gericht Neustadt hatte ihr Begehren mit Beschluss vom 24. Juli 2012 abgelehnt.

Anwohner klagen im Hinblick auf bestehende Wieder­ho­lungs­gefahr auf Feststellung der Rechts­wid­rigkeit der Ausnah­me­ge­neh­migung

Die Kläger erhoben später Klage auf Feststellung der Rechts­wid­rigkeit der durch Zeitablauf erledigten Ausnah­me­ge­neh­migung und machten geltend, sie hätten ein besonderes Interesse an dieser Feststellung im Hinblick auf die bestehende Wieder­ho­lungs­gefahr. Der Lärm sei für sie unzumutbar. Die Stadt habe sich nicht um einen Alter­na­tivstandort für die Veranstaltungen bemüht und die Veranstaltungen der Landjugend auch unzureichend überwacht.

Genehmigte abendlichen Musik­ver­an­stal­tungen prägen Kerwe mit und haben an immis­si­ons­schutz­recht­licher Privilegierung der Kerwe teil

Das Verwal­tungs­gericht Neustadt wies die Klage ab. Zur Begründung führte das Gerictht aus, dass die der Landjugend Hambach erteilte Genehmigung der Stadt Neustadt rechtmäßig gewesen sei. Die Stadt habe sich zu Recht an den Vorgaben der so genannten Freizeit­lärm­richtlinie und der dazu ergangenen Rechtsprechung in Bezug auf sog. sehr seltene Ereignisse orientiert. Die Gesamtzahl der „sehr seltenen“ Ereignisse dürfe - bezogen auf einen Veran­stal­tungsort - nicht mehr als fünf pro Jahr betragen. Aufgrund der auch bei Vorliegen eines sehr seltenen Ereignisses erforderlichen Abwägung der wider­strei­tenden Interessen der Beteiligten seien Musikd­a­r­bie­tungen unter Begrenzung der Immis­si­ons­richtwerte auf 70 dB (A) in der Regel bis 24.00 Uhr zulässig. Diesen Vorgaben habe die der Landjugend erteilte Ausnah­me­ge­neh­migung entsprochen, soweit damit Musikd­a­r­bie­tungen unter Begrenzung der maximalen Schallpegel auf 70 dB(A) erlaubt worden seien. Dass die Hambacher Jakobuskerwe ein traditionelles örtliches Fest mit Brauch­tum­s­cha­rakter sei, stehe außer Frage. Die in Rede stehenden drei genehmigten abendlichen Musik­ver­an­stal­tungen seien in Bezug auf das vom Lärm zwangsläufig betroffene Anwesen der Kläger drei „sehr seltene“ Lärm-Ereignisse, die aber zur Kerwe gehörten, sie seit Jahren mitprägten und so an der immis­si­ons­schutz­recht­lichen Privilegierung der Kerwe teilhätten.

Besondere Ausnah­me­si­tuation eines traditionellen dörflichen Festes muss im Hinblick auf Immis­si­ons­schutz berücksichtigt werden

Der Einwand der Kläger, es sei festgestellt worden, dass der Maximalpegel von 70 dB(A) an ihrem Anwesen mehrfach überschritten worden sei, treffe zwar zu. Denn es sei bei Kontroll­mes­sungen im Jahre 2012 zeitweise ein Lärmwert von um die 80 dB(A) gemessen worden. Dieser Wert sei jedoch nicht allein auf die Tongeräte zurückgegangen. Eingeflossen seien vielmehr auch die Geräusche der Kerwebesucher (Reden, Rufen, Gelächter), die auch anderswo auf der Kerwe gemessen worden seien, und zwar ohne dass dort gleichzeitig Musikd­a­r­bie­tungen stattgefunden hätten. Es müsse hier die besondere Ausnah­me­si­tuation eines traditionellen dörflichen Festes berücksichtigt werden, wie es die Jakobuskerwe darstelle, die offenbar für Besucher – jedenfalls in den Abendstunden am Wochenende – sehr attraktiv sei. Kämen aber viele Kerwebesucher, dann steige mit deren Anzahl und Verweildauer auch der durch sie verursachte Lärmpegel. Da sich die Jakobuskerwe auf den alten Ortskern entlang der Weinstraße beschränke, konzentriere sich dort auf relativ kurzer Strecke der Besucherstrom, und er verdichte sich zweifellos an besonders attraktiven Ständen wie dem der Landjugend noch zusätzlich. Nach Auffassung der Kammer sei es unter diesen Umständen geboten, den Lärm, den die Kerwebesucher verursachten, im Rahmen einer nach § 6 LImSchG zu erteilenden Ausnah­me­ge­neh­migung nicht dem von der Genehmigung Begünstigten zuzurechnen. Dieser Lärm müsse vielmehr als unvermeidlich mit einer Kerwe verbundenes allgemeines und von allen Anwohnern der Kerwemeile während der fünf Kerwetage als sozialadäquat hinzunehmendes „Kerweg­rund­ge­räusch“ betrachtet werden, das überall mehr oder weniger stark auftreten könne und sich auch mit dem Lärm von Fahrgeschäften, Karussells und ähnlichen kerwes­pe­zi­fischen Angeboten vermische. Unter diesen Umständen hätten die Kläger für die begrenzte Zeit der Jakobuskerwe nicht mehr Rücksichtnahme erwarten können, als durch die Auflagen in der Genehmigung schon verlangt worden sei. Geeignete Alter­na­tivstandorte entlang der Kerwemeile habe es nicht gegeben.

Quelle: Verwaltungsgericht Neustadt/ra-online

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