21.11.2024
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Dokument-Nr. 32056

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Verwaltungsgericht Neustadt Urteil22.06.2022

Keine grob fahrlässige Dienstpflicht­verletzung - Ex-Bürgermeister haftet nicht für Verluste bei erneuerbaren Energie­pro­jektenGemeinde in Rheinland-Pfalz kann von Ex-Bürgermeister keine 926.675 Euro verlangen

Das Verwal­tungs­gericht Neustadt hat entschieden, dass die Verbands­ge­meinde Waldfischbach-Burgalben von ihrem früheren Bürgermeister keine 926.675 Euro zuzüglich Zinsen mittels Leistungsklage fordern kann.

Der Beklagte war in der Zeit vom 1. Januar 2007 bis zum 31. Dezember 2014 Bürgermeister der Verbands­ge­meinde Waldfischbach-Burgalben. Diese hat in den Jahren 2008 bis 2014 in drei ihrer insgesamt acht Ortsgemeinden erneuerbare Energieprojekte (EEP) zur Nahwär­me­ver­sorgung realisiert. Dabei handelte es sich um ein Stroh­heiz­kraftwerk in Hermersberg, eine Hackschnit­zel­heizung in Steinalben und eine Biogasanlage in Höheinöd. Der Verbands­ge­meinderat beschloss im Jahr 2008, diese Aufga­ben­be­reiche als Selbst­ver­wal­tungs­aufgabe von den Ortsgemeinden zu übernehmen und in die Verbands­ge­mein­dewerke zu überführen. Bauleitung und Planung der Biogasanlage wurden der Juwi GmbH übertragen. Daneben war die WVE GmbH Kaiserslautern bei der Projek­t­re­a­li­sierung beteiligt. Zur Umsetzung der Projekte wurden Inves­ti­ti­o­ns­kredite in erheblichem Umfang erforderlich. Die Vergabe der Einzelgewerke begann im Februar 2008, für die Biogasanlage im Mai 2009. Im Jahr 2017 veräußerte die Verbands­ge­meinde die Anlagen zum Bruttopreis von 410.000 Euro an die WVE GmbH.

Verbands­ge­meinde forderte Teilscha­den­s­ersatz wegen grob fahrlässiger Dienst­pflicht­ver­let­zungen

Im Dezember 2020 erhob die Verbands­ge­meinde bei dem Verwal­tungs­gericht Neustadt Klage mit dem Antrag, ihren ehemaligen Bürgermeister gemäß § 48 Beamten­sta­tus­gesetz - BeamtStG - zur Zahlung von 926.675,74 Euro nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechts­hän­gigkeit zu verurteilen. Zur Begründung der Klage trug sie vor, dass ihr durch die Beauftragung konkreter Gewerke in der Zeit vom 30. März bis zum 20. September 2011 für die Errichtung und den Betrieb von erneuerbaren Energie­pro­jekten (EEP) in drei ihrer Ortsgemeinden ein Schaden in dieser Höhe entstanden sei. Durch diese Investitionen seien zusätzliche vermeidbare Kosten für die Projekte entstanden, die sie 2017 mit einem Verlust in Höhe von ca. 7 Millionen Euro verkauft habe. Der Kläger solle nicht für diesen Gesamtverlust, sondern ausschließlich für konkrete Aufwand­s­po­si­tionen im Jahr 2011 haften, die später in eine Gesamt­bi­lan­zierung der EEP negativ eingeflossen seien. Der so von der Klägerin konkretisierte (Teil-)Schaden wurde nach ihrer Auffassung durch grob fahrlässige Dienst­pflicht­ver­let­zungen des Beklagten als ehemaligem Verbands­ge­mein­de­bür­ger­meister verursacht. Diese sieht sie zusammengefasst darin, dass er Warnhinweise der Kommu­na­l­aufsicht in deren Schreiben ab dem Jahr 2010 missachtet, ein Kurzgutachten eines Wirtschafts­prüfers nicht berücksichtigt, den Verbands­ge­meinderat nicht ausreichend informiert und es unterlassen habe, mit der weiteren Umsetzung der Projekte nicht spätestens ab März 2011 innegehalten bzw. eine Richtungs­ent­scheidung des Verbands­ge­mein­derats herbeigeführt zu haben, sondern bis September 2011 weitere, verlust­stei­gernde Investitionen getätigt zu haben.

Voraussetzungen für die Geltendmachung eines Anspruchs aus § 48 BeamtStG nicht erfüllt

Das Verwal­tungs­gericht hat die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen für die Geltendmachung eines Anspruchs aus § 48 BeamtStG gegenüber dem Beklagten seien nicht erfüllt. Gemäß § 48 Satz 1 BeamtStG hätten Beamtinnen und Beamte, die vorsätzlich oder grob fahrlässig die ihnen obliegenden Pflichten verletzen, dem Dienstherrn, dessen Aufgaben sie wahrgenommen haben, den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Von einem vorsätzlichen Handeln sei in der Regel z.B. auszugehen, wenn der Beamte oder die Beamtin von klaren und eindeutigen Weisungen oder Richtlinien bewusst abweiche. Grobe Fahrlässigkeit liege vor, wenn der Beamte oder die Beamtin die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maß verletze und schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt und das nicht beachtet habe, was im gegebenen Fall jedem habe einleuchten müssen.

VG verneint grob fahrlässige Dienst­pflicht­ver­letzung

Das Gericht sieht bei eingehender Würdigung aller erkennbarer Tatsachen, den ergänzend gericht­li­cherseits angeforderten Unterlagen, den Angaben der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung und einer Zusammenschau der Entwicklung der EEP in der Verbands­ge­meinde Waldfischbach-Burgalben bis zum Jahr 2011 sowie auch in der Zeit danach keine grob fahrlässigen Dienst­pflicht­ver­let­zungen des Klägers durch die Beauftragung der streit­ge­gen­ständ­lichen Gewerke im Jahr 2011, nämlich den Bau einer Strohlagerhalle, die Erweiterung der Versor­gungsnetze in Hermersberg sowie in und außerhalb der Ortslage Höheinöd und die Fassa­den­ver­kleidung an der dortigen Heizzentrale. Der Kläger habe nicht gegen konkrete Anweisungen der Aufsichts­behörde der Kreisverwaltung Südpfalz verstoßen, indem er diese Gewerke dem Rat der Verbands­ge­meinde zur Entscheidung über die Beauftragung vorgelegt und nachfolgend in Auftrag gegeben habe. Entgegen der Auffassung der Klägerin habe der Beklagte die angeführten kommu­na­l­auf­sicht­lichen Schreiben auch nicht als "rote Ampel" - also etwa im Sinn einer dringenden Handlungs­emp­fehlung - dahingehend verstehen müssen, mit der weiteren Umsetzung der EEP vorläufig "innezuhalten" und eine abweichende "Richtungs­ent­scheidung" des Verbands­ge­mein­derats herbeizuführen. Der Beklagte habe ferner im Hinblick auf den Inhalt des Kurzgutachtens des Wirtschafts­prüfers nicht gegen seine Dienstpflicht verstoßen, Schäden von der Klägerin als seiner damaligen Dienstherrin abzuwenden.

Geltend gemachte Forderung ist auch bereits verjährt

Das Gericht konnte anhand der von der Klägerin vorgelegten Dokumente und des Vortrags der Beteiligten schließlich auch nicht die Überzeugung gewinnen, dass der Beklagte durch eine fehlerhafte oder unvollständige Information des Verbands­ge­mein­derats gegen seine Dienstpflichten als Bürgermeister verstoßen habe, dass dieses Unterlassen zu einer entsprechenden Unkenntnis der Risiken der streit­ge­gen­ständ­lichen Investitionen und damit zu rechtswidrigen Beschlüssen der Ratsmitglieder hierüber geführt habe und dadurch kausal ein Schaden in Höhe des Auftragswerts für die streit­ge­gen­ständ­lichen Gewerke verursacht worden sei. Hinzu komme, dass auch der geltend gemachte Schaden in Höhe von 926.675 Euro nicht schlüssig und nachvollziehbar nachgewiesen worden sei und der Kläger sich zudem mit Erfolg auf Verjährung berufen könne. Die erforderliche Kenntnis der Klägerin lag nach den Feststellungen des Gerichts im Lauf des Jahres 2015 vor, nachdem die Amtszeit des Beklagten als Verbands­ge­mein­de­bür­ger­meister mit Ablauf des 31. Dezember 2014 endete. Demnach begann die Verjäh­rungsfrist mit Ablauf des Jahres 2015 und endete drei Jahre später mit Ablauf des Jahres 2018, so dass die Verjährung der geltend gemachten Forderung bereits am 1. Januar 2019 eintrat.

Quelle: Verwaltungsgericht Neustadt, ra-online (pm/ab)

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