23.11.2024
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Verwaltungsgericht Münster Entscheidung18.11.2016

Unzulässige Geträn­ke­lie­ferung: Keine "Flaschenpost" mehr am SonntagLieferservice darf an Sonn- und Feiertagen keine Arbeitnehmer mehr mit Auslieferung von Getränken zu beschäftigen

Das Verwal­tungs­gericht Münster hat das von der Bezirks­re­gierung Münster an die Firma "flaschenpost GmbH" gerichtete Verbot, an Sonn- und Feiertagen Arbeit­neh­me­rinnen und Arbeitnehmer mit der Auslieferung von Getränken zu beschäftigen, vorläufig bestätigt.

Die Antragstellerin des zugrunde liegenden Rechtsstreits betreibt einen Lieferservice für Getränke jeder Art in Münster. Bestellt werden können einzelne Flaschen ebenso wie eine große Anzahl an Getränkekisten. Die Bestellung erfolgt ausschließlich über die Internetseite der Antragstellerin. Sie unterhält kein Ladenlokal oder eine andere Verkaufsstelle, sondern lediglich ein Lager. Die Kunden werden sowohl an Werktagen als auch an Sonn- und Feiertagen beliefert.

Bezirks­re­gierung untersagt Beschäftigung an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen

Mit Ordnungs­ver­fügung vom 7. November 2016 untersagte die Bezirks­re­gierung Münster der Antragstellerin mit sofortiger Wirkung die Beschäftigung von Arbeit­neh­me­rinnen und Arbeitnehmern mit der Auslieferung von Getränken an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen.

Sonn- und Feier­tags­re­gelung dient der persönlichen Ruhe, Besinnung, Erholung und Zerstreuung

Hiergegen erhob die Klägerin Klage vor dem Verwal­tungs­gericht Münster und beantragte die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes lehnte das Gericht jedoch ab. Zur Begründung führet das Gericht unter anderem aus, dass die Untersagung der Sonn- und Feiertagsarbeit sei offensichtlich rechtmäßig. Nach dem Arbeits­zeit­gesetz könne die Bezirks­re­gierung als zuständige Aufsichts­behörde die erforderlichen Maßnahmen anordnen, die die Antragstellerin als Arbeitgeberin zur Erfüllung der sich aus diesem Gesetz ergebenden Pflichten zu treffen habe. Eine dieser Pflichten sei es, zu beachten, dass Arbeitnehmer an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen von .00 Uhr bis 24.00 Uhr nicht beschäftigt werden dürften. Dieses Verbot verwirkliche den gesetzlichen Zweck, den Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung der Arbeitnehmer zu schützen. Hinter dem Beschäf­ti­gungs­verbot stehe der verfas­sungs­rechtliche Schutzauftrag an den Gesetzgeber, dass grundsätzlich die typische "werktätige Geschäftigkeit" an Sonn- und Feiertagen zu ruhen habe. Wie das Bundes­ver­fas­sungs­gericht ausdrücklich festgestellt habe, sei dieser Schutz nicht auf einen religiösen oder weltan­schau­lichen Sinngehalt der Sonn- und Feiertage beschränkt. Die Regelung ziele in der säkularisierten Gesellschafts- und Staatsordnung auch auf die Verfolgung profaner Ziele wie die der persönlichen Ruhe, Besinnung, Erholung und Zerstreuung. An den Sonn- und Feiertagen solle grundsätzlich die Geschäft­s­tä­tigkeit in Form der Erwerbsarbeit, insbesondere der Verrichtung abhängiger Arbeit, ruhen, damit der Einzelne diese Tage allein oder in Gemeinschaft mit anderen ungehindert von werktäglichen Verpflichtungen und Beanspruchungen nutzen könne. Diese Möglichkeit seelischer Erhebung solle allen Menschen unbeschadet einer religiösen Bindung zuteilwerden.

Tätigung der Einkäufe an Werktagen für Kunden zumutbar

Demgegenüber könne sich die Antragstellerin nicht auf die gesetzliche Ausnah­me­re­gelung berufen, wonach in Gaststätten und anderen Einrichtungen zur Bewirtung und Beherbergung Arbeitnehmer an Sonn- und Feiertagen beschäftigt werden dürften. Denn bei der Antragstellerin handele es sich nicht um eine Gaststätte oder eine andere Einrichtung zur Bewirtung. Ihre Produkte unterschieden sich vielmehr nicht von sonstigen Produkten des Einzelhandels wie z. B. des Lebens­mit­tel­handels, nach denen auch am Wochenende aus welchen Gründen auch immer ein spontanes Bedürfnis entstehen könne. Die gesetzliche Ausnah­me­re­gelung diene aber nicht dazu, dem Einzelhandel, zu dem auch der Geträn­ke­ein­zel­handel gehöre, die Sonntagsarbeit zu erlauben, auch wenn seitens der Konsumenten eine entsprechende Nachfrage bestehe. Unabhängig hiervon könne sich die Antragstellerin auch deswegen nicht auf die Ausnah­me­re­gelung berufen, weil die Arbeiten auch an Werktagen vorgenommen werden könnten. Es sei für die Kunden der Antragstellerin ohne weiteres zumutbar, ihre Geträn­ke­einkäufe, so wie andere Einkäufe auch, werktags zu tätigen. Das bloße wirtschaftliche Umsatzinteresse der Antragstellerin und das alltägliche Erwer­b­s­in­teresse ("Shopping-Interesse") ihrer Kunden genügten grundsätzlich nicht, um Ausnahmen von dem verfas­sungs­un­mit­telbar verankerten Schutz der Arbeitsruhe und der Möglichkeit zu seelischer Erhebung an Sonn- und Feiertagen zu rechtfertigen.

Quelle: Verwaltungsgericht Münster/ra-online

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