23.11.2024
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Verwaltungsgericht Göttingen Beschluss08.12.2015

Rechts­schutz­anträge zweier Roma-Familien gegen geplante Abschiebung abgelehntSituation der Roma im Kosovo steht Abschiebung nicht entgegen

Das Verwal­tungs­gericht Göttingen hat vorläufige Rechts­schutz­anträge zweier Roma-Familien abgelehnt, mit denen diese sich gegen ihre geplante Abschiebung in den Kosovo gewehrt hatten. Das Gericht sah - im Gegensatz zu den Familien selbst - eine bereits erfolgte Integration der Familien als nicht gegeben an, da die Antragsteller ihren Lebensunterhalt zu keinem Zeitpunkt ihres Aufenthalts seit Ende der 90er Jahre selbst sicherstellen konnten, Grundkenntnisse der Sprache sowie der Rechts- und Gesellschafts­ordnung in Deutschland fehlten und auch ein regelmäßiger Schulbesuch der Kinder nicht sichergestellt ist.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Eltern der Familien reisten Ende der 90er Jahre nach Deutschland ein. Ihre Kinder sind überwiegend hier geboren. Ein Asylverfahren haben sie nicht betrieben, Aufent­halt­s­er­laubnisse hatten sie in der Vergangenheit zwar beantragt, die Anträge wurden aber mehrfach unanfechtbar abgelehnt. Zwei in den Jahren 2012 und 2013 an die Härte­fa­ll­kom­mission beim Nieder­säch­sischen Innen­mi­nis­terium gerichtete Eingaben blieben erfolglos. Die im Hinblick auf diese Eingaben zuletzt bis zum 30. November 2015 geltenden Duldungen will die Stadt Göttingen (Antragsgegnerin) nicht verlängern. Sie beabsichtigt, die Familien in den Kosovo abzuschieben.

Antragsteller halten Abschiebung für unzulässig

Hiergegen richten sich die Anträge der Antragsteller, die sie im Wesentlichen damit begründen, dass sie deshalb nicht abgeschoben werden dürften, weil sie in die Lebens­ver­hältnisse der Bundesrepublik Deutschland integriert seien.

Familien konnten Lebensunterhalt zu keinem Zeitpunkt ihres Aufenthalts selbst sicherstellen

Diese Auffassung teilte das Gericht nicht und wies die Anträge mit der Begründung ab, dass für einen erfolgreichen Antrag zunächst erforderlich sei, dass die Antragsteller ihren Lebensunterhalt selbst sicherstellen könnten. Das sei zu keiner Zeit in den vergangenen 17 Jahren der Fall gewesen, obwohl die Eltern seit 2006 bzw. 2007 hätten arbeiten dürfen. Es sei auch nicht zu erwarten, dass dies in der Zukunft anders werden könnte. In der Vergangenheit, meist im Zusammenhang mit vorangegangenen Abschie­bungs­ver­suchen, vorgelegte Arbeitsverträge seien entweder Scheinverträge gewesen oder hätten für unerlaubte Betätigungen bestanden. Eine im Juli dieses Jahres aufgenommene Berufstätigkeit der Väter sei zum 30. November 2015 beendet worden. Die hieraus erzielten Einnahmen hätten auch zu keinem Zeitpunkt ausgereicht, die Familien ohne zusätzlichen Bezug staatlicher Sozia­l­leis­tungen zu ernähren.

Schulbesuche und Schulabschlüsse der Kinder unregelmäßig und ungewiss

Die Eltern hätten keine Schul- und Ausbil­dungs­ab­schlüsse und seien zum Teil der deutschen Sprache kaum mächtig. Es fehle an den Grund­kennt­nissen der Rechts- und Gesell­schafts­ordnung in Deutschland. Teilweise verhielten sich die Eltern entgegen dieser. Einige Kinder würden nicht regelmäßig die Schule besuchen, ohne dass die Eltern sie hierzu anhielten. Wegen unent­schul­digter Fehlzeiten habe es zahlreiche Bußgeld­ver­fahren gegeben, ohne dass eine Besserung eingetreten wäre. Ein Kind habe die Schule nach der 9. Klasse ohne Schulabschluss verlassen. Auch entsprechendes Zureden privater Unterstützer habe hier eine grundlegende und dauerhafte Verhal­ten­s­än­derung nicht herbeiführen können. Zahlreiche Kinder würden sich zwar ehrenamtlich auch in der Schule engagieren, wobei sich ein 15 jähriges Mädchen in einem Theaterprojekt besonders hervortue. Eine solche projektbezogene Aktivität könne den regelmäßigen Schulbesuch jedoch nicht ersetzen. Soweit diesem Kind ein regelmäßiger Schulbesuch vom 3. September bis zum 3. November 2015 attestiert worden sei, könnten aus diesem, unter dem Eindruck des Gerichts­ver­fahren stehenden Verhalten aufgrund der zahlreichen unent­schul­digten Fehltage bis zum letzten Schuljahr keine Rückschlüsse für die Zukunft gezogen werden. Ein Schulabschluss sei derzeit völlig ungewiss. Soweit die Kinder unter 14 Jahren alt seien und die Schule regelmäßig besuchen würden, könnten sie nach der geltenden Gesetzeslage daraus kein eigenständiges Aufent­haltsrecht ableiten. Denn diese Kinder teilten das rechtliche Schicksal ihrer Eltern.

Straf­fäl­lig­keiten der Familienväter ist zu berücksichtigen

Schließlich berücksichtigte das Gericht, dass die Familienväter 2012 wegen gemein­schaft­licher, gefährlicher Körper­ver­letzung zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden sind und dass sämtliche Antragsteller nicht ihrer Passpflicht genügen.

Anhaltspunkte für Abschiebeverbot nicht gegeben

Einer Abschiebung stünde zuletzt auch die Situation der Roma im Kosovo nicht entgegen. Es sei bekannt, dass deren Situation schwierig und von Diskri­mi­nie­rungen geprägt sei. Ein Abschie­bungs­verbot könne sich aber nach dem Gesetz nur ergeben, wenn die Betroffenen sehenden Auges in den Tod abgeschoben oder schweren Gesund­heits­ge­fahren ausgesetzt würden. Hierfür habe das Gericht keinerlei Anhaltspunkte.

Quelle: Verwaltungsgericht Göttingen/ra-online

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