21.11.2024
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Dokument-Nr. 29665

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Verwaltungsgericht Göttingen Beschluss22.12.2020

Ausweisung eines medienbekannten türkischen Staats­an­ge­hörigen vorläufig gestopptVG Göttingen gibt Eilantrag zu vorläufigem Rechtsschutz statt

Das Verwal­tungs­ge­richts hat dem Antrag eines medienbekannten türkischen Staats­an­ge­hörigen stattgegeben, mit dem dieser sich gegen seine Ausweisung und eine verfügte polizeiliche Meldepflicht gewandt hatte .

Mit Urteil vom 14.01.2020 hatte das Bundes­ver­wal­tungs­gericht die auf § 58 a AufenthG gestützte (Gefähr­der­ab­schiebung) Abschie­bungs­a­n­ordnung des Nieder­säch­sischen Ministeriums für Inneres und Sport aufgehoben. Das Ministerium war davon ausgegangen, dass der Antragsteller, der im Sommer 2018 nach Göttingen gezogen war, wegen seines Umgangs mit Angehörigen der radikal-salafistischen Szene selbst radikalisiert worden sei. Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hatte demgegenüber keine hinreichenden Tatsachen für die Annahme gesehen, dass es sich bei dem Antragsteller um einen islamistischen Gefährder handele. Am Tag der Urteils­ver­kündung wies nunmehr die Stadt Göttingen als allgemein zuständige Auslän­der­behörde den Antragsteller auf Grundlage der §§ 53 - 55 AufenthG aus Deutschland aus und verfügte ergänzend eine Meldepflicht sowie die sofortige Vollziehbarkeit der Entscheidungen. Die Stadt Göttingen begründete die Ausweisung im Wesentlichen mit der Straffälligkeit des Antragstellers und seiner besonderen Gefährlichkeit. Sein Interesse am Verbleib in Deutschland müsse dagegen zurücktreten. Der Antragsteller hat gegen den Bescheid vom 14.01.2020 Klage erhoben. Zudem suchte er beim Verwal­tungs­gericht Göttingen um vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz nach.

VG: Ausweisung rechtswidrig

Nach Auffassung des Verwal­tungs­ge­richts ist die Ausweisung des Antragstellers nach der im Eilverfahren durch­zu­füh­renden summarischen Prüfung nach Aktenlage rechtswidrig. Dabei berücksichtigte das Gericht den Umstand, dass sich der Antragsteller auf den erhöhten Auswei­sungs­schutz für bestimmte türkische Staats­an­ge­hörige nach § 53 Absatz 3 AufenthG berufen kann. Dieser nach dem Assozia­ti­o­ns­ab­kommen EWG/Türkei bestehende Auswei­sungs­schutz erfordere es, dass die Ausweisung für die Wahrung der Grundinteressen der Gesellschaft unerlässlich sein muss. Es gebe, so das Gericht, zwar einen Auswei­sungs­anlass, weil von dem Antragsteller die konkrete Gefahr ausgehe, dass er auch in Zukunft Straftaten begehen werde. Diese Einschätzung begründete das Gericht insbesondere mit den bisher vom Antragsteller begangenen Straftaten und seinem aktenkundigen Persön­lich­keitsbild.

Bleibeinteresse überwiegt Auswei­sungs­in­teresse

Das Gericht folgte aber nicht der Auffassung der Stadt Göttingen, dass das Auswei­sungs­in­teresse das Bleibeinteresse des Antragstellers überwiege. Die Ausweisung sei nicht unerlässlich. Der Antragsteller sei bislang nur zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung, die nicht widerrufen worden sei und schon über sieben Jahre zurückliege und zu Geldstrafen verurteilt worden. Er sei in Deutschland geboren, habe immer über ein, seit 2006 unbefristetes, Aufent­haltsrecht verfügt und sei in Deutschland verwurzelt. Seine gesamte türkisch­stämmige Familie und ein minderjähriges Kind mit deutscher Staats­an­ge­hö­rigkeit lebten in Deutschland. Sein Bleibeinteresse als sogenannter "faktischer Inländer" wiege deshalb in der Gesamtabwägung besonders schwer und überwiege im Ergebnis das Auswei­sungs­in­teresse.

Quelle: Verwaltungsgericht Göttingen, ra-online (pm/aw)

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