15.11.2024
15.11.2024  
Sie sehen eine Reihe mit gelben Aktenordnern, die mit Barcodes markiert sind.
ergänzende Informationen

Verwaltungsgericht Gießen Beschluss08.02.2013

Rückwirkende Einführung gesplitteter Abwassergebühr rechtswidrigGebüh­re­n­um­stellung darf nicht zu Mehreinnahmen führen

Das Verwal­tungs­gericht Gießen hat die Rückwirkende Einführung von gesplitteten Abwas­ser­ge­bühren der Gemeinde Reiskirchen für rechtswidrig erklärt. Das Gericht wies darauf hin, dass das Kommu­na­l­ab­ga­ben­gesetz die rückwirkende Ersetzung einer unwirksamen Gebührensatzung zwar erlaube, diese Möglichkeit aus verfas­sungs­recht­lichen Gründen jedoch dann eingeschränkt sei, wenn die rückwirkende Festsetzung für die betroffenen Gebührenzahler nicht zu erwarten war und diese Umstellung eine unzumutbare Belastung darstellt.

Im zugrunde liegenden Fall setzte die Gemeinde Reiskirchen im Rahmen der Einführung der gesplitteten Abwassergebühr eine Nieder­schlags­was­ser­gebühr fest. Die Veranlagung beruhte auf einer Satzung­s­än­derung, die die Gemeinde im Februar 2012 vorgenommen hatte, nachdem sowohl das Verwal­tungs­gericht Gießen als auch der Hessische Verwal­tungs­ge­richtshof 2009 den alten Gebührenmaßstab für unwirksam erklärt hatten, weil dieser nicht die sog. gesplittete Abwassergebühr vorsah, d.h. eine Gebüh­re­n­er­hebung, die den Verbrauch von Frischwasser für die Schmutz­was­se­ra­bleitung und eine an den versiegelten Flächen orientierte Nieder­schlags­was­se­ra­bleitung berücksichtigt.

VG beanstandet rückwirkende Inkraftsetzung des Gebüh­ren­maß­stabes

Das Verwal­tungs­gericht Gießen beanstandete auch nicht die Überarbeitung des Gebüh­ren­maß­stabes an sich, sondern dessen rückwirkende Inkraftsetzung. Zwar erlaube das Kommu­na­l­ab­ga­ben­gesetz - KAG - die rückwirkende Ersetzung einer unwirksamen Gebührensatzung. Diese Möglichkeit sei aber aus verfas­sungs­recht­lichen Gründen dann eingeschränkt, wenn die betroffenen Gebührenzahler mit der rückwirkenden Festsetzung nicht mehr rechnen durften und diese eine unzumutbare Belastung darstelle.

Rückwirkende Festsetzung würde zu erheblich höheren, nicht zumutbaren Gebühren führen

Da die Gemeinde die Abwassergebühr für die Jahre 2010 und 2011 noch nach den alten Satzungs­re­ge­lungen festgesetzt und auch nicht angekündigt hatte, den Gebührenmaßstab anzupassen, durften die Gebührenzahler nach Auffassung des Gerichts davon ausgehen, dass es nicht zu einer rückwirkenden Anpassung kommen werde. Darüber hinaus führe die neue Gebüh­ren­be­rechnung für einen Teil der Betroffenen zu erheblich höheren Gebühren, so dass die rückwirkende Festsetzung nicht zumutbar sei.

Satzungs­re­gelung kommt Funktion einer Absichts­er­klärung zu, der es jedoch an konkreten Vorgaben zur Durchsetzung des Schlech­ter­stel­lungs­verbotes fehlt

Bedenken äußerte das Gericht zudem daran, dass nach dem KAG eine unwirksame Satzung zwar ersetzt, aber die Abgabe­pflichtigen (in ihrer Gesamtheit) dadurch für die Vergangenheit nicht schlechter gestellt werden dürfen als durch die vorherige Satzung. Die Gebüh­re­n­um­stellung darf also nicht zu Mehreinnahmen führen. Dem hatte die Gemeinde Reiskirchen zwar versucht, durch eine Formulierung in der neuen Satzung Rechnung zu tragen, mit der eine Deckelung bei Erreichen des Gebührenbedarfs geregelt wurde, der der alten Satzung zu Grunde lag. Das Verwal­tungs­gericht hielt diese Formulierung jedoch für zu unbestimmt, da mit der gewählten Formulierung nicht erkennbar sei, welcher Gebührenbedarf damit gemeint sei, der Sollge­büh­re­n­ansatz nach dem Haushaltplan ("Sollgebühren") oder die tatsächlich vereinnahmten Gebühren ("Istgebühren"). Außerdem fehle eine Regelung darüber, wie die Einhaltung des Schlech­ter­stel­lungs­verbotes sichergestellt werden solle. Der Satzungs­re­gelung komme daher eher die Funktion einer Absichts­er­klärung zu. Ihr fehlten aber die die konkreten für eine Abgabensatzung erforderlichen Vorgaben zur Durchsetzung des Schlech­ter­stel­lungs­verbotes.

Quelle: Verwaltungsgericht Gießen/ra-online

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Beschluss15249

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI