18.10.2024
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Verwaltungsgericht Frankfurt am Main Urteil20.08.2012

Lebenszeit- und Dienst­al­ter­s­stufen im hessischen Besoldungsrecht europa­rechts­widrigVG Frankfurt verpflichtet das Land Hessen zur Zahlung von Bezügen der jeweiligen Endstufe

Verwal­tungs­gericht Frankfurt am Main hat die Lebenszeit- und Dienst­al­ter­s­stufen im hessischen Besoldungsrecht für europa­rechts­widrig erklärt und das Land Hessen zur Zahlung von Bezügen der jeweiligen Endstufe verpflichtet.

Die Kläger des zugrunde liegenden Falls sind Richterinnen und Richter sowie Beamte im hessischen Landesdienst. Die richterlichen Kläger sind Angehörige der ordentlichen und der Arbeits­ge­richts­barkeit, der Kläger im Beamten­ver­hältnis ist Polizei­o­ber­kom­missar in den Diensten des beklagten Landes. Die richterlichen Kläger wollen gerichtlich durchsetzen, dass ihre Besoldung in der höchsten Leben­s­al­terstufe, erfolgt. Der Kläger im Beamtenstatus begehrt die Besoldung nach der höchsten Besoldungsstufe der Besol­dungs­gruppe A 10. Die Kläger haben ein Lebensalter zwischen etwa Mitte 30 und Anfang 50. Je lebensjünger ein Kläger oder eine Klägerin ist, desto größer ist die Gehalts­dif­ferenz, je lebensälter desto kleiner ist sie. Die Spanne reicht von etwa 2.500 Euro pro Jahr bis 23.000 Euro pro Jahr. Die Klagen stehen im zeitlichen Zusammenhang mit einem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom September 2011, der entschieden hatte, dass eine Regelung des Bundes­an­ge­stell­ten­ta­rif­vertrags (BAT), die aus Sicht der Kläger mit dem mit der hier im Streit stehenden Richter - und Beamten­be­soldung vergleichbar ist, gegen das gemein­schafts­rechtliche Verbot der Altersdiskriminierung verstößt. Die Klagen stehen weiterhin in zeitlichem Zusammenhang mit einem Urteil des Bundes­a­r­beits­ge­richts vom 10. November 2011, das entschieden hatte, dass ein Verstoß gegen das Verbot der Alters­dis­kri­mi­nierung nur durch eine Anpassung „nach oben“ beseitigt werden kann.

Land Hessen verneint Diskriminierung nach dem Alter

Das beklagte Land sieht in den angegriffenen Regelungen keine Diskriminierung nach dem Alter - genau betrachtet gehe es hier um Erfah­rungs­stufen. Selbst wenn es eine Unterscheidung nach dem Alter gebe, so sei sie gerechtfertigt. Unabhängig davon wendet sich das beklagte Land gegen eine Anpassung „nach oben“ und wendet weiterhin ein, dass die Kläger wegen ihrer Treue­ver­pflichtung zu ihrem Dienstherren Nachzah­lungs­ansprüche nur für das laufende Haushaltsjahr geltend machen dürften.

VG rügt unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters und verneint Möglichkeit zur ausnahmsweise Rechtfertigung der Benachteiligung

Das Verwal­tungs­gericht Frankfurt am Main hat den Klagen stattgegeben. Zur Begründung führte das Gericht im Wesentlichen aus, dass die streit­ge­gen­ständ­lichen besol­dungs­recht­lichen Regelungen des beklagten Landes Hessen mit dem Verbot der Alters­dis­kri­mi­nierung im europäischen Gemein­schaftsrecht (RL 2000/78/EG) unvereinbar seien und deshalb nicht zu Lasten von Richterinnen und Richtern und Beamtinnen und Beamten angewendet werden dürften. Das Gericht sieht in den streit­ge­gen­ständ­lichen Besol­dungs­re­ge­lungen eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters und verneint die Möglichkeit, diese Benachteiligung ausnahmsweise zu rechtfertigen. Die Höhe der Besoldung in den Richterämtern der Besoldungsstufe R 1 und R 2 sei ausschließlich am Lebensalter des jeweiligen Richters bzw. der jeweiligen Richterin orientiert und verstoße daher gegen das Verbot der Alters­dis­kri­mi­nierung. Es könne insoweit auch nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass das jeweilige konkrete Lebensalter mit einer bestimmten Erfahrungsstufe deckungsgleich sei. Das alleinige Abstellen auf das bloße Lebensalter stelle jedenfalls keinen Recht­fer­ti­gungsgrund im Sinne der Rechtsprechung des EuGH dar, der ausnahmsweise geeignet sei, eine Alters­dis­kri­mi­nierung zu rechtfertigen. Soweit die einschlägigen besol­dungs­recht­lichen Regelungen bei dem vorliegend klagenden Polizei­o­ber­kom­missar betroffen seien, stellten die Dienst­al­ter­s­stufen, die Grundlage für die Festsetzung der Besoldungshöhe seien, zwar nicht unmittelbar auf das Lebensalter ab, seien jedoch im Ergebnis ebenfalls als alters­dis­kri­mi­nierend und damit europa­rechts­widrig anzusehen. Von der Möglichkeit, Besol­dungs­stufen im Einzelfall leistungs­bezogen zu verkürzen, werde in Hessen nach den vorgelegten Auskünften nur in vernach­läs­si­gungs­wertem Umfang Gebrauch gemacht mit der Folge, dass der Sache nach alleine das jeweilige Lebensalter bzw. ein starrer Zeitablauf zur Grundlage für die Höhe der Besoldung gemacht werde und nicht eine an der beruflichen Erfahrung orientierte Einstufung. Dies sei als alters­dis­kri­mi­nierend einzustufen.

Quelle: Verwaltungsgericht Frankfurt am Main/ra-online

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