Dokument-Nr. 9205
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Verwaltungsgericht Frankfurt am Main Urteil11.02.2010
VG Frankfurt: Deutsche Bundesbank nicht zur Eröffnung eines Girokontos für Versicherungskonzern verpflichtetBundesbank steht nicht für Privatpersonen oder Versicherungsunternehmen kontoführend zur Verfügung
Die Deutsche Bundesbank ist nicht verpflichtet einem großen deutschen Versicherungsunternehmen ein Girokonto einzurichten. Dies entschied das Verwaltungsgericht Frankfurt.
Im zugrunde liegenden Fall begehrte die Klägerin, der drittgrößte deutsche Versicherungskonzern, von der Deutschen Bundesbank die Eröffnung eines Girokontos, um für bestimmte Zahlungsvorgänge eine Zahlungsplattform nutzen zu können, für die kein Insolvenzrisiko wie bei normalen Geschäftsbanken bestehe. Die Deutsche Bundesbank lehnte die Eröffnung des Girokontos ab, da eine Verpflichtung zur Annahme von Giroeinlagen der Klägerin und anderer Wirtschaftsunternehmen nicht bestehe. Es bestehe kein Kontrahierungszwang. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren trug die Bundesbank darüber hinaus vor, die Annahme von Giroeinlagen widerspräche ihrer Aufgabe und Stellung als Zentralbank der Bundesrepublik Deutschland. Als solche sei sie integraler Bestandteil des Eurosystems, dessen Aufgabe und vorrangiges Ziel die Preisstabilität sei. Als nationale Zentralbank sei sie u. a. für die bankmäßige Abwicklung des Zahlungsverkehrs im Innland und mit dem Ausland zuständig und trage so zur Stabilität der Zahlungs- und Verrechnungssysteme bei.
Bundesbank sieht sich nicht verpflichtet Zahlungsverkehrsdienstleistungen für jedermann zu erbringen
Dieser „Sorgeauftrag“ für die Abwicklung des bankmäßigen Zahlungsverkehrs dürfe nicht so verstanden werden, dass sie sämtliche Zahlungsverkehrsdienstleistungen für jedermann zu erbringen habe. Dieser werde grundsätzlich über die Kreditinstitute abgewickelt. Bereits aus ordnungspolitischen Gründen sei die Erweiterung des Kreises der potenziellen Kontoinhaber bei der Notenbank abzulehnen. Die Annahme von Giroeinlagen der Klägerin und anderer Wirtschaftsunternehmen führe gerade in Krisensituationen dazu, dass Liquidität bei den Kreditinstituten abgezogen würde und so zur Verschärfung der Liquiditätskrise beitrage, was gerade den Aufgaben und Zielen der Deutschen Bundesbank zuwiderliefe.
Versicherung verweist auf Pflicht des Staates zur Gewährleistung einer Grundversorgung
Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Bundesbank das ihr eingeräumte Ermessen nicht ausgeübt und wesentliche Aspekte unberücksichtig gelassen habe. Zu berücksichtigen sei die Pflicht des Staates zur Gewährleistung einer Grundversorgung auch im Bereich der Bankendienstleistungen als eine für die Funktionsfähigkeit des Gemeinwohls unerlässliche Infrastrukturdienstleistung. Dazu gehöre die Aufrechterhaltung der Zahlungssysteme, die nicht allein dem Interesse der Volkswirtschaft, sondern auch dem Interesse der einzelnen Wirtschaftsteilnehmer diene. Vor dem Hintergrund der noch andauernden Finanzmarktkrise, in der das Insolvenzrisiko der Geschäftsbanken drastisch gestiegen sei, konkretisiere sich die Grundversorgungsverpflichtung auch gegenüber der Klägerin, die als großer Versicherungskonzern systemrelevant sei und am Zahlungsverkehr mit Einzelbeiträgen in Millionenhöhe teilnehme. Angesichts des Gesamtvolumens der Zahlungen der Klägerin habe dies eine immense Hebelwirkung für die Gesamtwirtschaft zur Folge. Da die Bundesbank auch weiterhin Giroeinlagen von Unternehmen und Privatpersonen in nicht unerheblicher Höhe verwalte, habe sie nach Art. 3 Abs. 1 GG einen Anspruch auf Gleichbehandlung. Diese und weitere Aspekte habe die Bundesbank bei ihrer ablehnenden Entscheidung nicht berücksichtigt. Ihr stehe deshalb ein Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über ihren Antrag zu.
Verwaltungsgericht weist Klage wegen Unzulässigkeit ab
Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main hat die Klage abgewiesen. Sie hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass die mit Hauptantrag erhobene Verpflichtungsklage bereits unzulässig ist, da die Bundesbank nicht verpflichtet ist, über den Antrag der Klägerin auf Eröffnung eines Girokontos in der Form eines Verwaltungsaktes zu entscheiden und dies auch nicht getan hat. Die mit Hilfsantrag erhobene Leistungsklage ist zulässig aber unbegründet. Es besteht kein Anspruch der Klägerin auf Neubescheidung ihres Antrags auf Eröffnung eines Girokontos. Ein entsprechender Anspruch resultiert nicht aus dem Grundsatz der Gleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 GG, da der Kreis derer, die bislang eine Giroeinlage bei der Bundesbank halten, nicht mit der Klägerin vergleichbar ist. Auch der von der Klägerin vorgetragene Aspekt, sie sei systemrelevant, vermittle keinen Anspruch auf Neubescheidung.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 12.02.2010
Quelle: ra-online, VG Frankfurt
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