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Verwaltungsgericht Darmstadt Urteil13.06.2013
Allgemeine Prüfungsbestimmungen der Technischen Universität Darmstadt teilweise unwirksamVon der Prüfungskommission herangezogene Bestimmung fehlt es an gesetzlicher Ermächtigungsgrundlage
Das Verwaltungsgericht Darmstadt hat einen Teil der Allgemeinen Prüfungsbestimmungen (APB) der Technischen Universität Darmstadt für unwirksam erklärt. Nach Auffassung des Gerichts ist eine "Studienvereinbarung", laut der Studierende alle bis dahin noch fehlenden Leistungen aus dem ersten Studienjahr unverzüglich nachzuholen haben, unzulässig. Erst recht, wenn den Studenten bei der Unterzeichnung keine Wahl bleibt und ihnen bei Verweigerung der Unterschrift die Zwangsexmatrikulation droht.
Im zugrunde liegenden Streitfall klagten zwei Architekturstudentinnen gegen die Feststellung des Prüfungsausschusses, sie hätten ihre Gesamtprüfung nicht bestanden und seien von der Zulassung zu weiteren Studienabschnitten ausgeschlossen. Die Kommission begründete ihren entsprechenden Feststellungsbescheid vom 24. Mai 2012 damit, dass die Studentinnen eine am 29. November 2010 mit dem Fachbereich abgeschlossene Studienvereinbarung nicht eingehalten hätten. Diese Vereinbarung, die gleichlautend auch zahlreichen anderen Studierenden am gleichen Tag zur Unterschrift vorgelegt worden war, enthielt die Regelung, dass die Studierenden bis zum 1. April 2012 alle bis dahin noch fehlenden Leistungen aus dem ersten Studienjahr zu erbringen hätten.
Prüfungskommission erklärt persönliche Gründe als nicht ausreichende Entschuldigung für Fristversäumnis
Die Klägerinnen erreichten in der Folgezeit die danach erforderliche Anzahl der Kreditpunkte bis zu dem vorgenannten Datum nicht, hatten dafür aber persönliche Gründe angegeben. Die Prüfungskommission sah diese nicht als ausreichende Entschuldigung für die Fristversäumung an.
OLG gibt Klage der Studentinnen statt
Das Verwaltungsgericht Darmstadt gab den Studentinnen letztlich Recht. Nach Auffassung des Gerichts fehlt der Bestimmung des § 3 a Abs. 6 d) APB, auf die sich die Prüfungskommission bei ihrer Entscheidung gestützt hatte, eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage. Eine solche sei aber notwendig, weil die Prüfungsordnung mit dieser Bestimmung in die durch Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes garantierte Freiheit der Wahl des Berufs und der Ausbildungsstätte eingreife. Das dürfe aber nur geschehen, wenn der Gesetzgeber dies ausdrücklich in einem Gesetz vorgesehen habe. Den von der Universität diesbezüglich herangezogenen Vorschriften des Gesetzes zur organisatorischen Fortentwicklung der Technischen Universität Darmstadt (TUD-Gesetz) und des Hessischen Hochschulgesetzes sei eine Ermächtigung für die Hochschule, solche Satzungsbestimmungen zu erlassen, nicht zu entnehmen.
Studenten wären bei Nichtunterzeichnung der "Studienvereinbarung" zwangsexmatrikuliert worden
Unabhängig davon habe sich die beklagte Universität nicht an ihre eigenen Bestimmungen gehalten. So sei der Unterzeichnung der Vereinbarung nicht ein mit einer Mentorin oder einem Mentor geführtes Beratungsgespräch vorangegangen, was aber in § 3 a Abs. 6 c) APB zwingend vorgeschrieben sei. Schließlich hätten die Klägerinnen auch gar nicht die Möglichkeit gehabt, auf den bereits fertig vorformulierten Inhalt der "Studienvereinbarung" Einfluss zu nehmen. Sie hätten auch nicht wirklich die Wahl gehabt, die Vereinbarung zu unterschreiben oder nicht, weil ihnen bei einer Verweigerung der Unterschrift die Zwangsexmatrikulation angedroht worden war. Somit könne von dem Abschluss einer "Vereinbarung" im Sinne der Prüfungsordnung nicht die Rede sein.
Hinweis:
§ 3 a Abs. 6 APB (Sicherung des Studienerfolgs) lautet wie folgt:
Erläuterungen
(6) Mindestleistungen
a. Die Ausführungsbestimmungen können festlegen, dass bis zum Ende des zweiten Fachsemesters eine Mindestleistung (Mindestsumme von Kreditpunkten, eine oder mehrere Prüfungsleistungen) zu erbringen ist.
b. [...]
c. Werden die erforderlichen Leistungen nach a) nicht erbracht, wird mit der Mentorin oder dem Mentor der bisherige Studienverlauf und die Planung des weiteren Studiums besprochen. Der Ablauf des zukünftigen Studiums wird in einer Studienvereinbarung festgelegt, die von der oder dem Studierenden mit der Studiendekanin oder dem Studiendekan abgeschlossen wird. In der Studienvereinbarung werden zeitliche Vorgaben für das Erbringen von Prüfungsleistungen und den Nachweis der Kreditpunkte festgelegt.
d. Wird die Studienvereinbarung nicht erfüllt oder ein Beratungstermin nicht wahrgenommen, stellt die zuständige Prüfungskommission fest, dass die Gesamtprüfung nicht bestanden ist und der Prüfling von der Zulassung zu weiteren Prüfungen ausgeschlossen ist. Die zuständige Prüfungskommission kann von der Feststellung absehen, wenn der Prüfling glaubhaft macht, dass die Nichterfüllung oder -teilnahme aufgrund schwerwiegender Umstände nicht vom Prüfling zu vertreten und ein erfolgreicher Abschluss des Studiengangs zu erwarten ist.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 20.06.2013
Quelle: Verwaltungsgericht Darmstadt/ra-online
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