21.11.2024
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Dokument-Nr. 34263

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Verwaltungsgericht Braunschweig Urteil06.08.2024

Verbot von Fahrschul­un­terricht in der "Frühphase" der Corona-Pandemie im Landkreis Goslar war rechtmäßigPauschale Bestimmungen in Frühphase zulässig

Das Verwal­tungs­gericht Braunschweig hat die Klage einer Fahrschule abgewiesen, mit der diese die nachträgliche Feststellung erreichen wollte, dass eine Maßnahme des Landkreises Goslar zur Eindämmung des Corona-Virus rechtswidrig war.

Der beklagte Landkreis Goslar erließ in der "Frühphase" der Corona-Pandemie, am 17. März 2020, eine Allgemeinverfügung, mit der für den Zeitraum eines Monats unter anderem "die Wahrnehmung von Angeboten in Volks­hoch­schulen, Musikschulen und sonstigen öffentlichen und privaten Bildungs­ein­rich­tungen im außer­schu­lischen Bereich" verboten wurde. Der Landkreis sah auf dieser Grundlage auch Fahrschulunterricht als untersagt an und informierte hierüber die Klägerin. Am 23. März 2020 trat eine nieder­sach­senweit geltende Regelung des Landes in Kraft, die unter anderem Fahrschul­un­terricht ausdrücklich untersagte. Mit der sog. Corona-Verordnung des Landes vom 5. Mai 2020 wurden die Bestimmungen dahingehend geändert, dass bei Einhaltung des Mindestabstands von 1,5 m sowie weiterer Hygie­ne­maß­nahmen und Kontakt­ver­fol­gungs­maß­nahmen der theoretische Unterricht, die Vorbereitung auf und die Durchführung der theoretischen Prüfung sowie der praktische Unterricht mit voraus- oder hinter­her­fah­renden motorisierten Fahrzeugen zulässig war. Die Fahrschule verfolgte ihr Begehren, das Ende März 2020 geltende komplette Verbot von Fahrschul­un­terricht im Landkreis Goslar für rechtswidrig zu erklären, auch nach Ablauf der Regelungen und nach Ende der Pandemie weiter.

Verbot durch die Allge­mein­ver­fügung gerechtfertigt

Das VG wies in ihrem Urteil darauf hin, dass es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit allein auf die Sachlage und die wissen­schaft­lichen Erkenntnisse ankam, die zum Zeitpunkt des Verbots durch den Landkreis vorlagen. Danach sah die Kammer das Verbot durch die Allge­mein­ver­fügung vom März 2020 als gerechtfertigt an. Denn eine ungebremste Erkran­kungswelle hätte aus damaliger Sicht auch bei einem nur kleinen Teil von schwer verlaufenden Erkrankungen zu einer Überlastung des Gesund­heits­systems führen können. Das "Frühstadium" der Pandemie im März 2020 sei eine Ausnah­me­si­tuation gewesen, in der die Verwaltung auf ein plötzlich eingetretenes, sehr dynamisches Infek­ti­o­ns­ge­schehen mit äußerster Kurzfristigkeit habe reagieren müssen. Um die dynamische Verbreitung der Erkrankung in Deutschland und weltweit so gut wie möglich zu verlangsamen, die Erkran­kungswelle auf einen längeren Zeitraum zu strecken und damit auch die Belastung des Gesund­heits­systems zu bewältigen, habe das nach dem Infek­ti­o­ns­schutz­gesetz zuständige Robert-Koch-Institut (RKI) seinerzeit maßgeblich "bevöl­ke­rungs­ba­sierte kontak­t­re­du­zierende Maßnahmen" empfohlen. Das VG befand, dass der Erhalt der Leistungs­fä­higkeit des Gesund­heits­wesens und insbesondere der Krankenhäuser zur Behandlung schwer- und schwers­ter­krankter Menschen, den der Landkreis seinerzeit mit seiner Allge­mein­ver­fügung bezweckt habe, ein überragendes Gemein­wohl­in­teresse darstelle. Das Leben und die Gesundheit der durch eine Überforderung des Gesund­heits­systems unmittelbar Gefährdeten zu schützen, sei eine grundgesetzlich verankerte Pflicht des Staates. Dahinter hätten in der hier infrage stehenden "Frühphase der Pandemie" die Grundrechte der Fahrschule zurücktreten müssen.

Verbot von Fahrschul­un­terricht auch nicht unver­hält­nismäßig

Auch das Argument, jedenfalls ein undif­fe­ren­ziertes komplettes Verbot von Fahrschul­un­terricht sei unver­hält­nismäßig gewesen, überzeugte die Kammer im Ergebnis nicht. Die klagende Fahrschule hatte im Prozess unter anderem eingewendet, beim praktischen Motor­ra­d­un­terricht führen Schüler und Lehrer 50 Meter getrennt voneinander mit verschiedenen Fahrzeugen. Diese Betrach­tungsweise greife zu kurz, so das Gericht. Denn sie verkenne, dass vor Fahrtantritt im praktischen Motor­ra­d­un­terricht durchaus Erklärungen des Fahrlehrers sowie Hilfestellungen bei der Vorbereitung des Motorrads erforderlich seien, bei denen kein derart großer Abstand eingehalten werden könne. Zudem sei nach damaliger Erkenntnislage auch unklar gewesen, ob es durch die Benutzung des gleichen Fahrschul­mo­torrads durch aufein­an­der­folgende Schüler vermehrt zu Schmie­r­in­fek­tionen hätte kommen können.

Entwerfung differenzierter Regelungen aufgrund des großen Zeitdrucks schlicht unmöglich

Zudem sei es dem Landkreis aufgrund des großen zeitlichen Drucks, umgehend Maßnahmen zur Eindämmung des sich exponentiell ausbreitenden Virus zu ergreifen, schlicht unmöglich gewesen, für jede einzelne mögliche Gegebenheit differenzierte Regelungen zu entwerfen. Daher habe er zur Gewährleistung eines effektiven Infek­ti­o­ns­schutzes zunächst zu pauschaleren Bestimmungen greifen müssen, die schnell und einfach umgesetzt werden konnten. Denn eine auf individuelle Besonderheiten eingehende Regelung wie auch Ausnah­me­ge­neh­mi­gungen hätten zu einem nicht überschaubaren und nicht leistbaren Verwaltungs-, Vollzugs- und Kontrollaufwand geführt. Auch sei zu berücksichtigen, dass die öffentliche Hand bemüht gewesen sei, Existenz­ge­fähr­dungen durch Hilfsprogramme abzuwenden und finanzielle Einbußen der Betroffenen jedenfalls zu reduzieren, wie etwa durch erleichterten Zugang zu Kurza­r­bei­tergeld und Corona-Soforthilfen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Beteiligten können beim OVG in Lüneburg die Zulassung der Berufung beantragen.

Quelle: Verwaltungsgericht Braunschweig, ra-online (pm/ab)

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