Verwaltungsgericht Berlin Beschluss31.07.2009
VG Berlin: Schulversuch "Pilotphase Gemeinschaftsschule" muss für alle Schulanfänger offen seinBevorzugte Aufnahme von Schülern, die in unmittelbarer Nähe zur Schule wohnen, ist nicht mit Schulgesetz vereinbar
Einem Schulanfänger kann von der Schulbehörde nicht der Schulplatz in einer neu geschaffenen Gemeinschaftsschule verweigert werden, weil die Entfernung zur Schule zu groß ist. Die Wohnortnähe ist kein Kriterium dafür, Schulanfänger bevorzugt aufzunehmen. Dies entschied das Verwaltungsgericht Berlin.
Nach dem Berliner Schulgesetz haben alle Schulanfänger grundsätzlich einen Anspruch auf Aufnahme in die Grundschule in ihrem Einschulungsbereich; diese werden unter Berücksichtigung altersangemessener Wege festgelegt. Grundschulen, die an einem Schulversuch teilnehmen, haben demgegenüber keinen Einschulungsbereich. Zum Schuljahr 2009/2010 hat der Berliner Landesgesetzgeber die sog. Gemeinschaftsschule als Schulversuch eingeführt. In Gemeinschaftsschulen findet gemeinsames Lernen und individuelle Förderung von der Schulanfangsphase bis zur gymnasialen Oberstufe statt. Einzelheiten zu dem Schulversuch sind im Schulgesetz und in einem Genehmigungsschreiben der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung geregelt. Nach dem Genehmigungsschreiben müssen zwei Drittel der Plätze an solche Bewerber vergeben werden, deren Wohnung sich in kurzer Entfernung zur Schule befindet.
Wohnort nicht in unmittelbarer Nähe zur Schule
Die Antragstellerin hatte sich um die Aufnahme ihres Sohnes in die Wilhelm-von-Humboldt-Schule, einer neuen Gemeinschaftsschule in Berlin-Pankow, bemüht. Die Bewerbung fand keine Berücksichtigung, weil die Wohnung sich nicht in kurzer Entfernung zur Schule befindet.
Teilnahme an Schulversuch muss für alle Kinder möglich sein
Das Verwaltungsgericht hat diese Praxis auf der Grundlage der ständigen Rechtsprechung zu Schulversuchen beanstandet. Zwar entspreche das behördliche Vorgehen dem Genehmigungsschreiben; dieses stehe aber nicht mit dem Schulgesetz in Einklang. Das Erfordernis kurzer Wege sei zur Erreichung der Ziele des Schulversuchs nicht erforderlich und nicht aus den Besonderheiten des Schulversuchs „Pilotphase Gemeinschaftsschule“ heraus erklärbar. Die Teilnahme an freiwilligen Schulversuchen müsse grundsätzlich allen daran interessierten Kindern möglich sein. Die Auswahl dürfe nur nach Maßgabe der gesetzlichen Kriterien (Beeinträchtigung gewachsener Bindungen, Wahl des Schulprogramms, wesentliche Betreuungserleichterung) erfolgen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 31.07.2009
Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 34/09 des VG Berlin vom 31.07.2009