23.11.2024
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Dokument-Nr. 14682

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Thüringer Verfassungsgerichtshof Urteil21.11.2012

Thüringer Neuregelung zur heimlichen Datenerhebung im Polizei­auf­ga­ben­gesetz teilweise verfas­sungs­widrigGrundsatz der Normenklarheit vom Gesetzgeber nicht hinreichend beachtet

Der Thüringer Verfas­sungs­ge­richtshof hat die Neuregelung des Polizei­auf­ga­ben­ge­setzes, die insbesondere die Befugnisse der Polizei zur heimlichen Erhebung von Daten neu regelt, teilweise für verfas­sungs­widrig erklärt. Nach Auffassung des Gerichts wurde bei der Neuregelung der Grundsatz der Normenklarheit seitens des Gesetzgebers nicht hinreichend beachtet.

Durch das Änderungsgesetz vom 16. Juli 2008 wurden insbesondere die Befugnisse der Polizei zur heimlichen Erhebung von Daten neu geregelt. Zu diesen Maßnahmen zählen beispielsweise der Einsatz verdeckter Ermittler, das Abhören von Telefonaten sowie die optische und akustische Überwachung von Wohnungen. Das Gesetz sieht vor, dass die Polizei diese Mittel ergreifen darf, um erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit abzuwehren oder bestimmte schwerwiegende Straftaten zu verhüten.

Beschwer­de­führer rügen unklare Reichweite der Befugnis

Mit ihren Verfas­sungs­be­schwerden haben die Beschwer­de­führer die unklare Reichweite dieser Befugnisse und die Unzuläng­lichkeit der Vorkehrungen zum Schutz ihrer Grundrechte und des anwaltlichen Berufs­ge­heim­nisses gerügt.

Befugnisse zu heimlichen Datenerhebungen unzureichend geregelt

Der Verfas­sungs­ge­richtshof hat die Verfas­sungs­be­schwerden im Wesentlichen für zulässig und begründet erachtet. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass der Gesetzgeber den Grundsatz der Normenklarheit nicht hinreichend beachtet habe. Den angegriffenen Vorschriften ließen sich die Voraussetzungen und die Reichweite der jeweiligen Grund­recht­s­ein­griffe nicht eindeutig entnehmen. Insbesondere bleibe unklar, inwieweit nach der Vorstellung des Gesetzgebers Berufs­ge­heim­nis­träger von polizeilichen Maßnahmen ausgenommen bleiben sollten. Ebenso unzureichend seien die Befugnisse zu heimlichen Datenerhebungen geregelt, die der Verhütung von Straftaten dienten. Hier reiche es nicht aus, auf einen Katalog von Straf­rechts­normen zu verweisen. Der Charakter der Gefahrenabwehr als Rechts­gü­ter­schutz verlange insoweit, dass diese polizeilichen Befugnisse das geschützte Rechtsgut und den Grad seiner Gefährdung eindeutig erkennen lassen.

Polizei müsste verpflichtet werden, Erfassung und Löschung aller kernbe­reichs­re­le­vanten Daten zu protokollieren

Der durch die Menschenwürde gebotene Schutz des Kernbereichs privater Lebens­ge­staltung sei lückenhaft ausgestaltet worden. Bei der Überwachung der Telekom­mu­ni­kation und der Erhebung von Daten mit besonderen Mitteln (z. B. beim Abhören des nicht öffentlich gesprochenen Wortes außerhalb einer Wohnung) fehle eine umfassende und eindeutige Vorschrift, dass im Fall der Verletzung des Kernbereichs die Maßnahme abzubrechen sei. Ebenso habe der Gesetzgeber es unterlassen, die Polizei zu verpflichten, die Tatsache der Erfassung und die Löschung aller kernbe­reichs­re­le­vanten Daten zu protokollieren. Die Dokumentation sei für den Betroffenen unabdingbar, um eine Verletzung seiner Rechte vor den Gerichten geltend zu machen, so die Richter.

Betroffene müssten nach Beendigung einer heimlichen Überwachung über diese informiert werden

Zudem sei der Gesetzgeber den verfas­sungs­recht­lichen Anforderungen nicht gerecht geworden, soweit er die nachträgliche Benach­rich­tigung über heimliche Überwachungen geregelt habe. Die gesetzlichen Bestimmungen würden der Polizei erlaubten, von der Unterrichtung abzusehen, wenn sie den weiteren Einsatz einer verdeckt ermittelnden Person (z. B. eines verdeckten Ermittlers oder einer Vertrau­ens­person) beabsichtigten. Diese Regelung lasse außer Acht, dass jeder, der von einer heimlichen Überwachung betroffen ist, einen grundrechtlich gesicherten Anspruch habe, nach Beendigung der Maßnahme von dem Eingriff in seine Privatsphäre informiert zu werden. Ausnahmen müssten den Grundsatz der Verhält­nis­mä­ßigkeit beachten und im Hinblick auf die Schwere des Grund­recht­s­ein­griffs eine Abwägung der wider­strei­tenden Interessen ermöglichen, führte das Gericht weiter aus.

Quelle: Thüringer Verfassungsgerichtshof/ra-online

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