21.11.2024
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Sie sehen eine Szene aus einem Krankenhaus, speziell mit einem OP-Saal und einer Krankenschwester im Vordergrund.
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Thüringer Landessozialgericht Urteil20.11.2017

Heimliche Filmaufnahmen in Umkleidekabine der Angestellten rechtfertigen Entziehung der kassen­ärzt­lichen ZulassungErstellung von Bildaufnahmen stellt schweren Eingriff in Intims- und Privatsphäre der Mitar­bei­te­rinnen dar

Das Thüringer Landes­so­zi­al­gericht hat entschieden, dass einem Zahnarzt, der heimlich in der Umkleidekabine von seinen Angestellten Filmaufnahmen erstellt hat, zu Recht die Kassenärztlich Zulassung entzogen wurde.

Der Kläger des zugrunde liegenden Verfahrens ist als Vertragsarzt in Thüringen zu- und niedergelassen. Im Jahre 2012 entdeckten die beim Kläger beschäftigten Zahna­rzt­hel­fe­rinnen eine versteckte Kamera im Umkleideraum. Mit dieser erstellte der Kläger ohne Wissen der Zahna­rzt­he­fe­rinnen Aufnahmen von diesen. Ein deswegen geführtes Strafverfahren wurde vom Landgericht Gera mit Beschluss vom 2. Mai 2014 nach Rücknahme des Strafantrags durch die Praxi­san­ge­stellten wegen eines Verfah­rens­hin­der­nisses eingestellt. Verfahren vor dem Arbeitsgericht Gera wurden nach Zahlung eines Schmer­zens­geldes an die Praxi­san­ge­stellten einvernehmlich beendet.

Berufungs­aus­schuss bei der kassen­ärzt­lichen Vereinigung entzieht Zahnarzt die Zulassung

Auf Antrag der kassen­ärzt­lichen Vereinigung wurde ein Verfahren mit dem Ziel der Entziehung der Zulassung des Klägers eingeleitet. Mit Beschluss vom 28. Januar 2015 entzog der Berufungs­aus­schuss bei der kassen­ärzt­lichen Vereinigung Thüringen die Zulassung des Klägers. Mit Urteil vom 23. März 2016 wies das Sozialgericht Gotha die dagegen gerichtete Klage ab.

Grobe Pflicht­ver­letzung kann sich auch aus Verhalten gegenüber Praxi­san­ge­stellten ergeben

Das Thüringer Landes­so­zi­al­gericht bestätigte die Auffassung des Berufungs­aus­schusses und des Sozialgerichts Gotha, dass der Kläger aufgrund einer gröblichen Verletzung seiner vertrag­s­ärzt­lichen Pflichten ungeeignet für die Ausübung der vertrag­s­ärzt­lichen Tätigkeit sei. Nach Auffassung des Gerichts liege eine gröbliche Verletzung der vertrag­s­ärzt­lichen Pflichten darin, dass der Kläger über einen Zeitraum von sechs Jahren wiederholt Bildaufnahmen von seinen Praxi­san­ge­stellten im Umkleideraum ohne deren Kenntnis angefertigt habe. Das Gericht könne nicht der Auffassung des Klägers folgen, dass eine Ungeeignetheit eines Arztes nur mit schweren Pflicht­ver­stößen im Hinblick auf die ihm anvertrauten Patienten oder das System der vertrag­s­ärzt­lichen Versorgung begründet werden könne. Eine gröbliche Pflicht­ver­letzung könne sich auch aus dem Verhalten gegenüber Praxi­san­ge­stellten ergeben. Die Anfertigung unerlaubter Bildaufnahmen in der Umkleidekabine stelle unabhängig von der damit verfolgten Motivation einen erheblichen Eingriff in die Intims- und Privatsphäre der Mitar­bei­te­rinnen und in das Grundrecht auf informationelle Selbst­be­stimmung dar. Dieser sei von der Schwere genauso zu werten, wie eine sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz. Der Kläger habe unter Ausnutzung der Gegebenheiten der Praxis seine Arbeit­ge­ber­stellung als Arzt für einen schweren Eingriff in die Grundrechte seiner Mitarbeiter missbraucht. Dies beinhalte zugleich seine Ungeeignetheit für die Ausübung der vertrag­s­ärzt­lichen Tätigkeit. Der Arztberuf stelle besondere Anforderungen an die charakterliche Eignung desjenigen, der ihn ausübe, so das Gericht.

Hinweis:

Zum Zeitpunkt der Erstellung der Filmaufnahmen konnte die Tat nach § 205 Abs. 1 Satz 1 des Straf­ge­setz­buches (StGB) in der bis zum 26. Januar 2015 geltenden Fassung nur auf Antrag verfolgt werden. In der ab dem 27. Januar 2015 geltenden Fassung besteht auch die Möglichkeit einer Strafverfolgung von Amts wegen bei Bejahung eines besonderen öffentlichen Interesses durch die Straf­ver­fol­gungs­behörde.

§ 95 Abs. 6 Satz 1 SGB V lautet:

Die Zulassung ist zu entziehen, wenn ihre Voraussetzungen nicht oder nicht mehr vorliegen, der Vertragsarzt die vertrag­s­ärztliche Tätigkeit nicht aufnimmt oder nicht mehr ausübt oder seine vertrag­s­ärzt­lichen Pflichten gröblich verletzt.

§ 21 der Zulas­sungs­ver­ordnung für Vertragsärzte lautet:

Ungeeignet für die Ausübung der Vertrag­s­ärzt­lichen Tätigkeit in ein Zahnarzt, der aus gesund­heit­lichen oder sonstigen in der Person liegenden schwerwiegenden Gründen nicht nur vorübergehend unfähig ist, die vertrag­s­ärztliche Tätigkeit ordnungsgemäß auszuüben.

Quelle: Thüringer Landessozialgericht/ra-online

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