21.11.2024
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Sozialgericht Osnabrück Urteil07.02.2019

Arbeitsunfall auch bei Cannabis-Konsum nicht ausgeschlossenVerbotswidriges Handeln schließt Schutz der gesetzlichen Unfall­ver­si­cherung nicht grundsätzlich aus

Das Sozialgericht Osnabrück hat entschieden, dass ein versicherter Wegeunfall nicht dadurch generell ausgeschlossen ist, dass der Versicherte Cannabis konsumiert hat.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der 1981 geborene Kläger erlitt am 4. Mai 2017 gegen 13.30 Uhr auf dem direkten Weg von seinem Wohnort zum Beschäf­ti­gungsort einen Verkehrsunfall. Der Kläger war mit einem E-Fahrrad unterwegs. Bei einer Straßen­über­querung übersah er einen von rechts kommenden Pkw. Dieser konnte nicht mehr rechtzeitig bremsen. Der Kläger schlug mit dem Körper auf die Windschutz­scheibe des Pkw auf. Im Zuge des Ermitt­lungs­ver­fahrens gab er an, dass er am Abend vor dem Unfall zwischen 20 und 22 Uhr eine Cannabis-Zigarette geraucht habe. Er habe regelmäßig Cannabis geraucht. Die Wirkung halte bei ihm aber nur wenige Stunden an, sodass er am nächsten Morgen nicht mehr unter Einfluss der Droge gestanden habe. Er habe das von rechts kommende Auto schlicht übersehen.

Berufs­ge­nos­sen­schaft verweist auf drogenbedingtes Fehlverhalten

Die beklagte Berufs­ge­nos­sen­schaft lehnte eine Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall ab. Allein aufgrund des nachgewiesenen THC-Werts von 10 ng/ml im Serum sei von einem drogenbedingten Fehlverhalten auszugehen.

Wert für absolute Fahrun­tüch­tigkeit mangels gesicherter Dosis-Wirkung-Beziehung bei Cannabis nicht gegeben

Das Sozialgericht Osnabrück schloss sich dieser Einschätzung nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht an. Ein verbotswidriges Handeln schließe den Schutz der gesetzlichen Unfall­ver­si­cherung nicht grundsätzlich aus, so das Gericht. Auch das sogenannte Rechtsinstitut der selbst­ge­schaffenen Gefahr greife vorliegend nicht ein. Denn für Cannabis gebe es im Unterschied zu Alkohol keine gesicherte Dosis-Wirkung-Beziehung und damit auch keinen Wert für eine absolute Fahrun­tüch­tigkeit. Allein aufgrund der Blutun­ter­suchung nach dem Unfall lasse sich deshalb keine konkrete Beein­träch­tigung der Wegefähigkeit nachweisen; auch reiche allein ein objektiv riskantes Verhalten nicht aus. Vielmehr müssten daher auch bei einem nachgewiesenen THC-Wert von 10 ng/ml im Serum immer Beweiszeichen vorliegen, die es nahelegen, dass der Versicherte zum Unfallzeitpunkt rausch­mit­tel­bedingt zu einer zweck­ge­richteten Absolvierung des Weges nicht mehr imstande gewesen ist. Hierfür trage die Beklagte die Beweislast.

Unachtsames Überqueren der Straße auch ohne Drogeneinfluss möglich

Eine konkrete Beein­träch­tigung des Klägers durch den Drogenkonsum im Unfallzeitpunkt habe sich laut Gericht aber nicht feststellen lassen. Zwar habe sich dieser nicht an die Straßen­ver­kehrs­ordnung gehalten, da er die Straße überquerte, ohne ausreichend auf den von rechts kommenden Verkehr zu achten. Dabei handele es sich aber zur Überzeugung des Gerichts nicht um ein klares Anzeichen für eine drogenbedingte Fahrun­tüch­tigkeit. Vielmehr könne eine solche Unachtsamkeit auch ohne Drogeneinfluss geschehen. Hierzu wies das Gericht darauf hin, dass es nach der Rechtsprechung des Bundes­so­zi­al­ge­richts auch nicht den Versi­che­rungs­schutz beende, wenn ein Versicherter aus bloßer Unachtsamkeit die Fahrspur wechsele oder fahrlässig auf die Gegenfahrbahn gerate. Über den Verkehrsverstoß hinaus hätten weder die Zeugen noch die Notärzte irgendwie geartete drogenbedingte Anzeichen angegeben bzw. festgestellt.

Quelle: Sozialgericht Osnabrück/ra-online (pm)

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