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Dokument-Nr. 32862

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Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Urteil30.07.2020

Zum wettbewerbs­rechtlichen Unterlassungs­anspruch bei einer Preis­aus­zeichnungKeine Verletzung der Pflicht zur Gesamt­prei­s­angabe bei gesonderter Ausweisung von Flaschenpfand

Entspricht die Preis­aus­zeichnung für Waren in Pfand­be­hält­nissen einer gültigen nationalen Vorschrift, so kann die Werbung mit einer solchen Preis­aus­zeichnung auch dann nicht verboten werden, wenn die nationale Vorschrift europa­rechts­widrig ist und deshalb nicht mehr angewendet werden darf. Das hat das Schleswig-Holsteinischen Oberlan­des­gericht entschieden.

Der Kläger ist ein Verein, der die Einhaltung der Wettbe­wer­bs­regeln überwacht. Die Beklagte vertreibt Lebensmittel. In einer Werbebroschüre bewarb sie im Herbst 2018 u. a. Getränke in Pfandflaschen und Joghurt in Pfandgläsern. Das Pfand war in die angegebenen Preise nicht eingerechnet, sondern mit dem Zusatz "zzgl. … € Pfand" angegeben. Der Kläger hält dies für unzulässig. Er meint, nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Preis­an­ga­ben­ver­ordnung (PAngV) müsse der Gesamtpreis angegeben werden. Er nimmt die Beklagte deshalb auf Unterlassung der beanstandeten Werbung in Anspruch. Die Beklagte ist der Klage entge­gen­ge­treten und verweist auf die Ausnah­me­vor­schrift des § 1 Abs. 4 PAngV, wonach das Pfand gesondert ausgewiesen werden muss. Das Landgericht Kiel hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten vor dem Oberlan­des­gericht hatte Erfolg.

Kein wettbe­wer­bs­recht­licher Unter­las­sungs­an­spruch

Das Schleswig-Holsteinischen Oberlan­des­gericht hat die Klage abgewiesen. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein wettbe­wer­bs­recht­licher Unterlassungsanspruch nicht zu. Die Werbung mit der beanstandeten Preisauszeichnung ist nicht wettbe­wer­bs­widrig. Sie entspricht der Vorschrift des § 1 Abs. 4 PAngV. Hierauf kann sich die Beklagte auch berufen, obwohl § 1 Abs. 4 PAngV europa­rechts­widrig ist und deshalb nicht mehr angewendet werden darf. Es kann offenbleiben, ob das Pfand überhaupt ein Bestandteil des nach § 1 Abs. 1 PAngV anzugebenden Gesamtpreises ist. Selbst wenn das so wäre, kann sich die Beklagte für ihre Preis­aus­zeichnung auf § 1 Abs. 4 PAngV berufen. Die Vorschrift verstößt zwar gegen Europarecht, denn nationale Vorschriften zu Preisangaben müssen mit den Vorgaben aus EU-Richtlinien in Einklang stehen. § 1 Abs. 4 PAngV kann jedoch weder auf die europäische Richtlinie über unlautere Geschäft­s­praktiken noch auf die europäische Preisangaben-Richtlinie zurückgeführt werden. § 1 Abs. 4 PAngV ist deshalb richt­li­ni­en­widrig, was zur Folge hat, dass ein Gericht die Vorschrift nicht mehr anwenden darf. Gleichwohl ist sie geltendes Recht und deshalb für den Einzelnen bindend und von ihm zu beachten.

Preis­aus­zeichnung entspricht nationales Recht und kann nicht verboten werden

Die Preis­aus­zeichnung der Beklagten entspricht somit dem, was das Recht von ihr verlangt. Ein rechtlich gebotenes Verhalten kann aber niemals die Grundlage für eine Verurteilung sein, in der unter Androhung von Ordnungsmitteln aufgegeben wird, dieses Verhalten zu unterlassen. Eine solche Verurteilung wäre mit rechts­s­taat­lichen Grundsätzen nicht zu vereinbaren, denn wer sich rechtstreu verhält, muss die Gewissheit haben, dafür nicht belangt zu werden. Die Folge des Widerspruchs zwischen der Nicht­an­wend­barkeit und der Gültigkeit des § 1 Abs. 4 PAngV kann deshalb nur die Abweisung der Unter­las­sungsklage sein.

Quelle: Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht, ra-online (pm/ab)

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