23.11.2024
23.11.2024  
Sie sehen einen Vertrag, der gerade unterzeichnet wird und davor die ilhouetten von zwei Personen.
ergänzende Informationen

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Urteil12.02.2016

Lieferung eines durch ein Chiffrierkürzel benannten 3-Türers statt des gewünschten 5-Türers kann Käufer zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigenTrotz Auslieferung eines 3-Türers kann gleichwohl Vertrag über Erwerb eines 5-Türers zustande gekommen sein

Enthält ein Bestellformular über ein Neufahrzeug ein Chiffrierkürzel, das der Käufer nicht kennt, und wird infolgedessen ein 3-Türer ausgeliefert, obwohl der Käufer einen 5-Türer kaufen wollte, so kommt unter bestimmten Umständen ein Kaufvertrag über ein fünftüriges Fahrzeug zustande. Dies geht aus einer Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen Oberlan­des­ge­richts hervor.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin wollte einen Neuwagen erwerben. Sie gab gegenüber einem Mitarbeiter des beklagten Autohauses an, für welches Modell sie sich interessierte. Für die Probefahrt stellte die Beklagte ein Fahrzeug des gewünschten Modells zur Verfügung. Dieser Pkw hatte fünf Türen. In dem anschließenden Gespräch wurde über verschiedene Ausstat­tungs­merkmale (Motorstärke, Naviga­ti­o­nsgerät etc.) gesprochen, nicht aber über die Anzahl der gewünschten Türen. Das von der Klägerin danach unterzeichnete Bestellformular enthielt ein Chiffrierkürzel, das der Klägerin unbekannt war. Bei der Abholung des Fahrzeugs wurde der Klägerin ein dreitüriges Fahrzeug übergeben, denn das verwendete Chiffrierkürzel war ein solches für ein dreitüriges Fahrzeug. Die Klägerin war der Auffassung, dass ihr ein falsches Fahrzeug geliefert worden sei, denn sie habe ein fünftüriges Auto bestellt. Sie erklärte den Rücktritt vom Kaufvertrag. Die Beklagte erklärte, dass die Klägerin ein dreitüriges Fahrzeug bestellt habe und lehnte die Rücknahme des Pkw ab.

Fahrzeug­käuferin ist wegen korrekt zustande gekommenem Vertrag zum Rücktritt vom Kauf berechtigt

Das Landgericht verurteilte die Beklagte zur Rücknahme des Fahrzeugs und Rückzahlung des Kaufpreises, weil sich die Parteien tatsächlich nicht geeinigt und deshalb keinen wirksamen Kaufvertrag geschlossen haben. Das Schleswig-Holsteinische Oberlan­des­gericht entschied demgegenüber, dass ein wirksamer Kaufvertrag über ein fünftüriges Fahrzeug zustande gekommen ist. Wegen des Rücktritts der Klägerin vom Kaufvertrag ist die Beklagte jedoch zur Rücknahme des 3-Türers und zur Rückzahlung des Kaufpreises verpflichtet.

Bestellung eines fünftürigen Fahrzeugs entspricht heutzutage typischem Kaufverhalten

Zur Begründung seiner Entscheidung führte das Oberlan­des­gericht aus, dass zwischen den Parteien ein Kaufvertrag über ein fünftüriges Fahrzeug zustande gekommen sei, obwohl auf dem Bestellformular das Chiffrierkürzel eines 3-Türers angegeben war. Aus den Gesamtumständen ergebe sich, dass die Klägerin ein Fahrzeug mit fünf Türen bestellen wollte. Sie fuhr bisher einen 5-Türer. Die Probefahrt fand in einem fünftürigen Fahrzeug statt und im anschließenden Verkaufs­ge­spräch wurde über die Anzahl der gewünschten Türen nicht mehr gesprochen. Weiterhin beanstandete die Klägerin sofort bei Auslieferung des Fahrzeugs, dass dieses nur drei Türen habe. Daraus lasse sich der Wille der Klägerin zur Bestellung eines fünftürigen Fahrzeugs ableiten. Das habe die Verkäuferin aufgrund der ihr bekannten Umstände erkennen müssen. Sie habe von der Probefahrt im fünftürigen Fahrzeug gewusst und davon, dass über die Anzahl der Türen bei der Bestellung nicht mehr gesprochen worden sei. Darüber hinaus entspreche es heutzutage dem typischen Käuferverhalten, einen fünftürigen Pkw zu bestellen. Das habe auch die Beklagte als Verkäuferin gewusst, denn nach ihren eigenen Angaben bestellten im Jahre 2014 nur 15 von 100 Käufern dieses Modells einen 3-Türer. Da die Klägerin die Bedeutung der Chiffrierung nicht gekannt habe, könne sich die Beklagte auch nicht auf die Vollständigkeit und Richtigkeit des Bestell­for­mulars berufen.

Beklagte muss Kaufpreis erstatten

Ist somit ein wirksamer Kaufvertrag über ein fünftüriges Fahrzeug zustande gekommen, ist die Beklagte wegen des Rücktritts der Klägerin vom Kaufvertrag verpflichtet, den Kaufpreis zurückzuzahlen und das Fahrzeug zurückzunehmen. Ob sich die Beklagte ihrerseits beim Abschluss des Kaufvertrages in einem Irrtum befunden hat, der sie zur Anfechtung des Kaufvertrages berechtigt hätte, war nicht zu entscheiden, weil die Anfech­tungsfrist bereits abgelaufen ist.

Quelle: Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht/ra-online

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil22373

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI