21.11.2024
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Saarländisches Oberlandesgericht Urteil14.02.2020

Abgasskandal: Käufer eines Fahrzeugs mit unzulässiger Abschalt­ein­richtung steht Schadens­ersatz­anspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zuInver­kehr­bringen eines Fahrzeugs mit mangel­be­haftetem Motor ist als arglistige Täuschung potentieller Erwerber anzusehen

Das Saarländische Oberlan­des­gericht hat entschieden, dass in dem Inver­kehr­bringen eines mit einer unzulässigen Abschalt­ein­richtung ausgerüsteten und damit mangel­be­hafteten Motors eine arglistige Täuschung potentieller Erwerber entsprechender Fahrzeuge zu sehen ist. Dem Fahrzeugkäufer steht daher ein Schadens­ersatz­anspruch aufgrund vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zu.

Im zugrunde liegenden Fall machte die Käuferin eines VW Polo BlueMotion 1,2 l TDI gegenüber der Volkswagen AG als Herstellerin des Fahrzeugs Schadensersatz geltend. Die Klägerin hatte das Fahrzeug im Jahr 2010 zu einem Kaufpreis von 18.445 € einschließlich Überführungs- und Zulas­sungs­kosten bei einem Autohaus erworben. In das Fahrzeug ist herstellerseits ein Dieselmotor der Baureihe EA 189 eingebaut, der nach Auffassung des Kraftfahrt-Bundesamts bis zu der zwischen­zeitlich erfolgten Installation eines Software-Updates über eine unzulässige Abschalt­ein­richtung verfügte. Unter Hinweis darauf, dass sie das Fahrzeug nicht gekauft hätte, wenn sie von dem Einbau einer unzulässigen Abschalt­ein­richtung Kenntnis gehabt hätte, hat die Klägerin die Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs sowie Erstattung von ihr für das Fahr-zeug entstandenen Kosten (insbesondere Wartungs- und Inspek­ti­o­ns­kosten) verlangt.

LG gibt Klage teilweise statt

Das Landgericht gab der Klage teilweise - hinsichtlich der Hauptforderung in Höhe eines Betrages von 12.109,74 Euro Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs - statt und stützte einen entsprechenden Schaden­s­er­satz­an­spruch gegen die Beklagte auf das Vorliegen einer sittenwidrigen Schädigung. Allerdings müsse sich die Klägerin die gezogenen Nutzungen anspruchs­kürzend anrechnen lassen.

OLG bejaht Anspruch auf Schadensersatz wegen sittenwidriger Schädigung

Gegen das Urteil des Landgerichts wandten sich beide Parteien mit wechselseitig eingelegten Berufungen, die im Wesentlichen keinen Erfolg hatten. Das Saarländische Oberlan­des­gericht bejahte - ebenso wie das Landgericht - einen Schaden­s­er­satz­an­spruch der Klägerin gegen die Beklagte aus § 826 BGB (sittenwidrige vorsätzliche Schädigung). In dem Inver­kehr­bringen eines mit einer unzulässigen Abschalt­ein­richtung ausgerüsteten und damit mangel­be­hafteten Motors sei eine arglistige Täuschung potentieller Erwerber entsprechender Fahrzeuge zu sehen. Hierin liege nämlich die konkludente - allerdings tatsächlich nicht zutreffende - Erklärung, dass die Fahrzeuge entsprechend ihrem objektiven Verwen­dungszweck im Straßenverkehr eingesetzt werden können und über eine Betrie­bs­er­laubnis verfügen, deren Fortbestand nicht auf Grund (versteckter) konstruktiver Eigenschaften der Fahrzeugmotoren gefährdet sei. Aus dem Umstand der Verheimlichung des Einsatzes der Software sowohl gegenüber den zuständigen Behörden als auch gegenüber potentiellen Kunden lasse sich schließen, dass die verant­wort­lichen Mitarbeiter in der Vorstellung gehandelt hätten, dass der Einsatz der Software im Falle des Bekanntwerdens zu Schwierigkeiten hinsichtlich der Typgenehmigung und der weiteren Betrie­bs­zu­lassung der entsprechend ausgestatteten Fahrzeuge führen werde. Ein solches Vorgehen sei als sittenwidrig zu bewerten, zumal die Täuschung offensichtlich nur dazu gedient haben könne, unter Ausnutzung der Fehlvorstellung potentieller Kunden hohe Absatzzahlen zu erreichen, durch Kostensenkung eine Gewinn­ma­xi­mierung zu erzielen und sich Wettbe­wer­bs­vorteile zu sichern.

Fahrzeugkäufer muss sich Nutzungs­vorteile anrechnen lassen

Der der Klägerin entstandene Schaden bestehe darin, dass der abgeschlossene Kaufvertrag über das Fahrzeug nicht ihren berechtigten Erwartungen entsprochen habe. Dieser Schaden sei dadurch zu ersetzen, dass die Beklagte der Klägerin gegen Rücknahme des Fahrzeugs den Kaufpreis erstatte. In diesem Zusammenhang müsse sich die Klägerin allerdings die Vorteile, die sie durch die mehrjährige Nutzung des Fahrzeugs erlangt habe, anrechnen lassen. Das Oberlan­des­gericht hat im Hinblick darauf den Schaden­s­er­satz­an­spruch der Klägerin entsprechend (und zwar ausgehend von einer zu erwartenden Gesamt­lauf­leistung des Fahrzeugs von 250.000 km) gekürzt und ist deren Argumentation, dass im Zusammenhang mit Ansprüchen auf Grund sittenwidriger Schädigung eine Vorteil­s­an­rechnung generell zu unterbleiben habe, nicht gefolgt.

Kein Anspruch auf Erstattung von Kosten für Inspektions- und Wartungs­a­r­beiten

Auch hat das Oberlan­des­gericht einen Anspruch auf Erstattung von Kosten für Inspektions- und Wartungs­a­r­beiten verneint, da diese keine unmittelbare Folge des "ungewollten" Vertrags­schlusses über das streit­ge­gen­ständliche Fahrzeug sind, sondern - vergleichsweise mit den Kraft­stoff­kosten für das Fahrzeug - der im Wege des Vorteils­aus­gleichs anzurechnenden unein­ge­schränkten Nutzung des Fahrzeugs durch die Klägerin gedient haben.

Quelle: Saarländisches Oberlandesgericht/ra-online (pm/kg)

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