23.11.2024
23.11.2024  
Sie sehen vier Hände, die ineinander greifen.
ergänzende Informationen

Sozialgericht Speyer Beschluss27.03.2012

Auch Schüler einer Ganztagsschule können Anspruch auf Lernförderung nach § 28 SGB II habenBei geeignetem und zum Erreichen wesentlicher Lernziele erforderlichem Zusat­zun­terricht besteht Anspruch auf Lernförderung

Ein Antrag auf angemessene Lernförderung nach § 28 Abs. 5 SGB II kann nicht mit der Begründung abgelehnt werden, dass der Besuch einer Ganztagsschule eine Lernförderung immer ausschließt. Die gesetzlichen Vorgaben stützen diese Ansicht nicht. Zwar ist bei Ganztagsschulen davon auszugehen, dass gegenüber konventionellen Schulen ein größeres schulisches Förderangebot (z.B. Hausauf­ga­ben­be­treuung) besteht, jedoch ist für die Gewährung einer ergänzenden angemessenen Lernförderung im Sinne von § 28 Abs. 5 SGB II in jedem Einzelfall eine individuelle Prüfung erforderlich und eine auf das Schuljahresende bezogene prognostische Einschätzung unter Einbeziehung der schulischen Förderangebote zu treffen. Dies entschied das Sozialgericht Speyer.

Die 12-jährige Antragstellerin des zugrunde liegenden Falls besucht eine Ganztagsschule. Ausweislich des Zeugnisses für das erste Halbjahr 2012 waren die Noten in Deutsch und Mathematik "ausreichend" und in Englisch "mangelhaft". Auch in den Fächern Erdkunde, Musik und Wirtschaft und Verwaltung war die Note "mangelhaft". Die Schule bescheinigte für das zweite Halbjahr 2012 einen außer­schu­lischen Lernför­der­bedarf (Nachhilfebedarf) in den Unter­richts­fächern Englisch, Mathematik und Deutsch. Nach den weiteren Angaben der Schule ist die Versetzung gefährdet.

Jobcenter lehnt Antrag auf Lernförderung ab

Am 22. Februar 2012 wurde bei dem zuständigen Jobcenter eine ergänzende angemessene Lernförderung gemäß § 28 SGB II beantragt. Das Jobcenter lehnte den Antrag mit der Begründung ab, dass eine Lernförderung nach dem Bildungs- und Teilhabepaket unter Berück­sich­tigung der anzuwendenden Verwal­tungs­vor­schriften bei Schülern einer Ganztagsschule nicht in Betracht komme.

Auch außerschulische Lernförderung kann als Sonderbedarf für Sicherung eines menschen­würdigen Existenz­mi­nimums erfasst sein

Das Sozialgericht Speyer hat im Rahmen eines einstweiligen Rechts­schutz­ver­fahrens dargelegt, dass die Begründung des Jobcenters nicht in Einklang mit den rechtlichen Vorgaben steht. Gemäß § 28 Abs. 5 SGB II wird bei Schülerinnen und Schülern eine schulische Angebote ergänzende angemessene Lernförderung berücksichtigt, soweit diese geeignet und zusätzlich erforderlich ist, um die nach den schul­recht­lichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele zu erreichen. Diese Regelung berücksichtigt nach der Geset­zes­be­gründung, dass auch außerschulische Lernförderung als Sonderbedarf vom Anspruch auf Sicherung eines menschen­würdigen Existenz­mi­nimums erfasst sein kann.

Bei nicht ausreichendem schulischen Angebot kann außerschulische Lernförderung gewährt werden

Die Geeignetheit und Erfor­der­lichkeit der Lernförderung bezieht sich auf das wesentliche Lernziel, das sich aus den schul­recht­lichen Bestimmungen des jeweiligen Landes ergibt. Wesentliches Lernziel in der jeweiligen Klassenstufe ist regelmäßig die Versetzung in die nächste Klassenstufe beziehungsweise ein ausreichendes Leistungsniveau. Der Geset­zes­be­gründung lässt sich entnehmen, dass nur dann, wenn unmittelbare schulische Angebote nicht oder nicht ausreichend zur Verfügung stehen, eine außerschulische Lernförderung gewährt werden kann.

Individuelle Prüfung des Einzelfalls erforderlich

Bei Ganztagsschulen ist davon auszugehen, dass gegenüber konventionellen Schulen ein größeres schulisches Förderangebot (z.B. Hausauf­ga­ben­be­treuung) besteht. Jedoch ist auch in diesen Fällen eine individuelle Prüfung des Einzelfalls erforderlich und eine auf das Schuljahresende bezogene prognostische Einschätzung unter Einbeziehung der schulischen Förderangebote zu treffen.

Antrag auf Bewilligung der Lernförderung im zugrunde liegenden Fall abgelehnt

Im Ergebnis hat das Sozialgericht Speyer den Antrag auf Bewilligung der Lernförderung im Wege der einstweiligen Anordnung abgelehnt. Die individuelle Prüfung des Einzelfalls und die prognostische Einschätzung der Erfolgs­aus­sichten der Lernförderung im vorliegenden Fall ergab nach Einschätzung des Gerichts unter Würdigung der im Rahmen des Verfahrens eingeholten Informationen zum Leistungsstand der Antragstellerin, dass die nach den schul­recht­lichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele auch bei Bewilligung der begehrten Lernförderung nicht erreicht werden können.

Quelle: Sozialgericht Speyer/ra-online

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Beschluss13710

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI