Dokument-Nr. 13710
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Sozialgericht Speyer Beschluss27.03.2012
Auch Schüler einer Ganztagsschule können Anspruch auf Lernförderung nach § 28 SGB II habenBei geeignetem und zum Erreichen wesentlicher Lernziele erforderlichem Zusatzunterricht besteht Anspruch auf Lernförderung
Ein Antrag auf angemessene Lernförderung nach § 28 Abs. 5 SGB II kann nicht mit der Begründung abgelehnt werden, dass der Besuch einer Ganztagsschule eine Lernförderung immer ausschließt. Die gesetzlichen Vorgaben stützen diese Ansicht nicht. Zwar ist bei Ganztagsschulen davon auszugehen, dass gegenüber konventionellen Schulen ein größeres schulisches Förderangebot (z.B. Hausaufgabenbetreuung) besteht, jedoch ist für die Gewährung einer ergänzenden angemessenen Lernförderung im Sinne von § 28 Abs. 5 SGB II in jedem Einzelfall eine individuelle Prüfung erforderlich und eine auf das Schuljahresende bezogene prognostische Einschätzung unter Einbeziehung der schulischen Förderangebote zu treffen. Dies entschied das Sozialgericht Speyer.
Die 12-jährige Antragstellerin des zugrunde liegenden Falls besucht eine Ganztagsschule. Ausweislich des Zeugnisses für das erste Halbjahr 2012 waren die Noten in Deutsch und Mathematik "ausreichend" und in Englisch "mangelhaft". Auch in den Fächern Erdkunde, Musik und Wirtschaft und Verwaltung war die Note "mangelhaft". Die Schule bescheinigte für das zweite Halbjahr 2012 einen außerschulischen Lernförderbedarf (Nachhilfebedarf) in den Unterrichtsfächern Englisch, Mathematik und Deutsch. Nach den weiteren Angaben der Schule ist die Versetzung gefährdet.
Jobcenter lehnt Antrag auf Lernförderung ab
Am 22. Februar 2012 wurde bei dem zuständigen Jobcenter eine ergänzende angemessene Lernförderung gemäß § 28 SGB II beantragt. Das Jobcenter lehnte den Antrag mit der Begründung ab, dass eine Lernförderung nach dem Bildungs- und Teilhabepaket unter Berücksichtigung der anzuwendenden Verwaltungsvorschriften bei Schülern einer Ganztagsschule nicht in Betracht komme.
Auch außerschulische Lernförderung kann als Sonderbedarf für Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums erfasst sein
Das Sozialgericht Speyer hat im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens dargelegt, dass die Begründung des Jobcenters nicht in Einklang mit den rechtlichen Vorgaben steht. Gemäß § 28 Abs. 5 SGB II wird bei Schülerinnen und Schülern eine schulische Angebote ergänzende angemessene Lernförderung berücksichtigt, soweit diese geeignet und zusätzlich erforderlich ist, um die nach den schulrechtlichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele zu erreichen. Diese Regelung berücksichtigt nach der Gesetzesbegründung, dass auch außerschulische Lernförderung als Sonderbedarf vom Anspruch auf Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums erfasst sein kann.
Bei nicht ausreichendem schulischen Angebot kann außerschulische Lernförderung gewährt werden
Die Geeignetheit und Erforderlichkeit der Lernförderung bezieht sich auf das wesentliche Lernziel, das sich aus den schulrechtlichen Bestimmungen des jeweiligen Landes ergibt. Wesentliches Lernziel in der jeweiligen Klassenstufe ist regelmäßig die Versetzung in die nächste Klassenstufe beziehungsweise ein ausreichendes Leistungsniveau. Der Gesetzesbegründung lässt sich entnehmen, dass nur dann, wenn unmittelbare schulische Angebote nicht oder nicht ausreichend zur Verfügung stehen, eine außerschulische Lernförderung gewährt werden kann.
Individuelle Prüfung des Einzelfalls erforderlich
Bei Ganztagsschulen ist davon auszugehen, dass gegenüber konventionellen Schulen ein größeres schulisches Förderangebot (z.B. Hausaufgabenbetreuung) besteht. Jedoch ist auch in diesen Fällen eine individuelle Prüfung des Einzelfalls erforderlich und eine auf das Schuljahresende bezogene prognostische Einschätzung unter Einbeziehung der schulischen Förderangebote zu treffen.
Antrag auf Bewilligung der Lernförderung im zugrunde liegenden Fall abgelehnt
Im Ergebnis hat das Sozialgericht Speyer den Antrag auf Bewilligung der Lernförderung im Wege der einstweiligen Anordnung abgelehnt. Die individuelle Prüfung des Einzelfalls und die prognostische Einschätzung der Erfolgsaussichten der Lernförderung im vorliegenden Fall ergab nach Einschätzung des Gerichts unter Würdigung der im Rahmen des Verfahrens eingeholten Informationen zum Leistungsstand der Antragstellerin, dass die nach den schulrechtlichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele auch bei Bewilligung der begehrten Lernförderung nicht erreicht werden können.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 29.06.2012
Quelle: Sozialgericht Speyer/ra-online
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