21.11.2024
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Sozialgericht Karlsruhe Urteil13.01.2012

Unfall bei Mithilfe unter Freunden steht nicht immer unter dem Schutz der gesetzlichen Unfall­ver­si­cherungHilfe als Freund­schafts­dienst als Gegenleistung für selbsterhalte Gefälligkeit nicht vom Unfallschutz umfasst

Kommt es zu einem Unfall bei einer Mithilfe unter Freunden, ist dieser Unfall nicht immer vom Schutz der gesetzlichen Unfall­ver­si­cherung umfasst. Bei Gefäl­lig­keits­leis­tungen unter Verwandten und Freunden ist darauf abzustellen, ob das Famili­en­mitglied/der Freund eine Gefälligkeit erweist, die durch die Stärke des Verwandtschafts- bzw. Freund­schafts­ver­hält­nisses geprägt ist, oder ob es sich um eine ernstliche Tätigkeit handelt, die über das hinausgeht, was allgemein in Verwandtschafts- bzw. Freund­schafts­be­zie­hungen gefordert und normalerweise von abhängig Beschäftigten erbracht wird. Dies geht aus einer Entscheidung des Sozialgerichts Karlsruhe hervor.

Der zum Unfallzeitpunkt arbeitslose Kläger des zugrunde liegenden Streitfalls ist gelernter Zimmermann und mit dem Bauherrn, einem Lehrer befreundet. Er half ab Mitte August 2010 dem Bauherrn unentgeltlich bei der Errichtung eines Carports auf dessen Grundstück. Am vierten Tag seiner Hilfeleistung verletzte sich der Kläger bei Dachstuhl­a­r­beiten mit einer Kreissäge am rechten Oberschenkel. Der Kläger hatte seine Mithilfe von sich aus wegen seiner Sachkenntnis und aus Gründen der Freundschaft zu dem Bauherrn angeboten, weil dieser ihm geholfen hatte, die Folgen seiner Lese- und Schreibschwäche im Alltag zu bewältigen.

Unfallereignis nicht als Arbeitsunfall anzusehen

Die Beklagte lehnte die Anerkennung des Unfal­le­r­eig­nisses als Arbeitsunfall mit der Begründung ab, der Kläger habe zum Unfallzeitpunkt nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden. Er sei insbesondere nicht „wie ein Arbeitnehmer“ für den Bauherrn tätig geworden.

Kläger war zum Unfallzeitpunkt weder „als“ noch „wie“ ein Beschäftigter tätig

Die deswegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Karlsruhe nach schriftlicher Anhörung des Bauherrn als Zeugen abgewiesen: der Kläger sei zum Unfallzeitpunkt weder „als“ noch „wie“ ein Beschäftigter tätig gewesen. Zwar sei der Versi­che­rungs­schutz in der gesetzlichen Unfall­ver­si­cherung nicht von vornherein deshalb ausgeschlossen, weil der Verunfallte einem Verwandten oder Freund geholfen habe. Daher scheide auch eine Tätigkeit wie ein Beschäftigter im Sinne des Gesetzes nicht allein deshalb aus, weil die Tätigkeit für einen Verwandten oder Freund verrichtet werde. Bei Gefäl­lig­keits­leis­tungen unter Verwandten und Freunden sei darauf abzustellen, ob das Famili­en­mitglied/der Freund eine Gefälligkeit erweise, die durch die Stärke des Verwandtschafts- bzw. Freund­schafts­ver­hält­nisses ihr Gepräge erhalte, oder ob es sich um eine ernstliche Tätigkeit handele, die über das hinausgehe, was allgemein in Verwandtschafts- bzw. Freund­schafts­be­zie­hungen gefordert und normalerweise von abhängig Beschäftigten erbracht werde. Je enger eine Gemeinschaft sei, umso größer sei der Rahmen, in dem bestimmte Verrichtungen hierdurch ihr Gepräge erhielten.

Arbeit am Unfalltag war Gefälligkeit unter Freunden

Im Fall des Klägers habe nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens der Kläger dem Bauherrn am Unfalltag eine Gefälligkeit erwiesen, die durch die Stärke der zwischen ihnen bestehenden langjährigen Freundschaft ihr Gepräge erhalten habe. Denn er habe dem Bauherrn seine Hilfe bei der Errichtung des Carports von sich aus, freiwillig und unentgeltlich angeboten, was allein schon gegen eine arbeit­neh­mer­ähnliche Tätigkeit spreche. Denn Arbeitnehmer handelten im Allgemeinen nur nach Aufforderung und nur gegen Entgelt oder sonstige materielle Vorteile. Auch habe zwischen dem Kläger und dem Bauherrn kein arbeit­neh­mer­ähn­liches Über-/Unter­ord­nungs­ver­hältnis bestanden. Der Kläger selbst habe wiederholt das Anerbieten seiner Hilfeleistungen gegenüber dem Bauherrn als „Freund­schafts­dienst“ und „Gefälligkeit“ bezeichnet und diese als Gegenleistung dafür angesehen, dass der Bauherr seinerseits aufgrund seiner Ausbildung und Tätigkeit als Lehrer ihm umgekehrt geholfen habe, die Folgen seiner Lese- und Recht­schreib­schwäche im Alltag zu bewältigen; insbesondere habe der Bauherr ihm in der Vergangenheit wiederholt beim Schriftverkehr und bei Behördengängen geholfen. Durch diese Freundschaft habe die Tätigkeit des Klägers am Unfalltag mithin ihr Gepräge erhalten. Überdies sei die Mithilfe des Klägers an seinem Bauvorhaben auch nach den Angaben des Bauherrn keine Ausnahme gewesen, d.h. die Freundschaft sei offenbar von wechselseitigen Hilfeleistungen geprägt gewesen. Der zeitliche Umfang der vom Kläger bis zum Unfallereignis bereits erbrachten Hilfeleistungen am Bauvorhaben von rund 22 Stunden und die darüber hinaus - ohne das Unfallereignis - geplanten weiteren Hilfeleistungen von etwa 35 Zeitstunden führten zu keinem anderen Ergebnis. Denn es verstehe sich unter guten Freunden von selbst, dass man selbst helfe, wenn man schon einmal - oder wie hier: wiederholt - Hilfe bekommen habe oder in Zukunft erwarte. Dabei seien auch langandauernde Hilfeleistungen nicht ungewöhnlich.

Quelle: Sozialgericht Karlsruhe/ra-online

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