Sozialgericht Heilbronn Urteil18.02.2016
Gesetzlicher Stichtag verpasst: Kein Anspruch auf höhere "Mütterrente" nach Erziehung eines PflegekindesGesetzgeber ist aus haushaltspolitischen Erwägungen zur Einführung sachlich vertretbarer Stichtagsregelungen berechtigt
Das Sozialgericht Heilbronn hat entschieden, dass eine Mutter dann keinen Anspruch auf eine höhere "Mütterrente" hat, wenn der gesetzliche Stichtag hierfür verpasst wurde. Das Gericht verwies darauf, dass zwar jeder Stichtag unvermeidbar gewisse Härten mit sich bringe, es dem Gesetzgeber aber dennoch nicht verwehrt sei, aus haushaltspolitischen Erwägungen sachlich vertretbare Stichtagsregelungen einzuführen.
Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die heute 68jährige Klägerin erzog von 1979 an - neben ihren beiden zuvor geborenen Töchtern - in ihrem Haushalt ein 1974 geborenes Pflegekind. Die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg erkannte für die Erziehung der beiden Töchter neben der bereits gewährten Kindererziehungszeit von einem Jahr einen Zuschlag auf die derzeitige Altersrente der Klägerin an, lehnte es aber ab, die Erziehung des Pflegekindes rentenerhöhend zu berücksichtigen, weil die Klägerin ihr Pflegekind nicht bereits im 12. Monat nach Ablauf des Monats der Geburt, sondern erst vom 5. Lebensjahr an erzogen habe.
Klägerin hält Stichtagsregelung zur Mütterrente für willkürlich
Mit Ihrer Klage vor dem Sozialgericht Heilbronn machte die Frau geltend, dass die Stichtagsregelung willkürlich sei. Zudem sei sie als (Pflege-)Mutter ihrer vor 1992 geborenen Kinder in verfassungswidriger Weise benachteiligt, so dass ihr Erziehungszeiten von jeweils drei Jahren - entsprechend der Gesetzeslage für nach 1992 geborene Kinder - für sämtliche drei Kinder zu gewähren seien.
SG verneint verfassungswidrige Benachteiligung der Klägerin
Die Klage blieb erfolglos. Die Erziehung des Pflegekinds könne schon deshalb nicht rentenerhöhend im Rahmen der sogenannten "Mütterrente" gewährt werden, weil die Klägerin dieses erst vom 5. Lebensjahr an erzogen habe. Dementsprechend habe die Rentenversicherung auch zurecht im Zuge der gesetzlichen Neuregelung einen Zuschlag nur für die Erziehung der beiden Töchter gewährt. Die Klägerin werde auch nicht in verfassungswidriger Weise benachteiligt. Denn auch wenn jeder Stichtag unvermeidbar gewisse Härten mit sich bringe, sei es dem Gesetzgeber angesichts seines weiten Gestaltungsspielraums nicht verwehrt, aus haushaltspolitischen Erwägungen sachlich vertretbare Stichtagsregelungen einzuführen. Im Übrigen sei die Anrechnung von Kindererziehungszeiten für vor 1992 geborene Kinder nunmehr von 12 auf 24 Monate ausgeweitet worden, sodass die Erziehungsleistung von Müttern und Vätern dieser Kinder seitdem besser honoriert werde. Schließlich sei die Anknüpfung an den 12. Lebensmonat des Kindes verwaltungspraktikabel und dürfte den im Nachhinein nicht immer verlässlich feststellbaren tatsächlichen Erziehungsverhältnissen im 2. Lebensjahr des Kindes in den weit überwiegenden Fällen entsprechen.
Hinweis zur Rechtslage:
§ 56 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VII] - Auszug -:
Kindererziehungszeiten sind Zeiten der Erziehung eines Kindes in dessen ersten drei Lebensjahren. [...] Eine Erziehungszeit ist dem Elternteil zuzuordnen, der sein Kind erzogen hat. [...]
§ 249 Abs. 1 SGB VI:
Die Kindererziehungszeit für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind endet 24 Kalendermonate nach Ablauf des Monats der Geburt.
§ 307 d SGB VI - Auszug -:
Bestand am 30. Juni 2014 Anspruch auf eine Rente, wird ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind berücksichtigt, wenn [...] in der Rente eine Kindererziehungszeit für den zwölften Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt angerechnet wurde [...]. Der Zuschlag beträgt für jedes Kind einen persönlichen Entgeltpunkt. [...]
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 27.04.2016
Quelle: Sozialgericht Heilbronn/ra-online