23.11.2024
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Sozialgericht Heilbronn Urteil20.01.2015

Auch 17-Jährige mit "Down-Syndrom" hat noch Anspruch auf spezielles DreiradHilfsmittel zur Integration ins Lebensumfeld Nicht­be­hin­derter notwendig

Das Sozialgericht Heilbronn hat entschieden, dass ein bereits 17-jähriges Mädchen, das am sogenannten „Down-Syndroms“ leidet, dann gegenüber der Krankenkasse Anspruch auf Hilfs­mittel­versorgung mit einem Spezialfahrrad hat, wenn das Hilfsmittel notwendig ist, um das Mädchen in das Lebensumfeld Nicht­be­hin­derter zu integrieren.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Oktober 1995 geborene Klägerin ist aufgrund eines sogenannten „Down-Syndroms“ in ihrer Intelligenz schwer gemindert und in ihrer Entwicklung einem nicht­be­hin­derten Mädchen von knapp fünf Jahren vergleichbar. Es fällt ihr schwer, sich an Regeln zu halten. Sie neigt zu Wutausbrüchen. In der zuletzt besuchten Sonderschule wurde sie von Mitschülern gehänselt. Sie wohnt im Landkreis Heilbronn bei ihren Eltern und ihrer älteren Schwester auf dem Land (das Dorfzentrum ist rund 5km entfernt). Sie kann behin­de­rungs­bedingt nur kurze Wege zu Fuß bewältigen. So ist z.B. der Weg vom 1km vom Wohnort entfernt liegenden Woche­n­end­grundstück zu anstrengend. Tagsüber in einer Beschützenden Werkstätte beschäftigt, beschränken sich die wesentlichen sozialen Kontakte in ihrer Freizeit auf ihre radfahr­be­geisterte Familie. Diese unternehmen regelmäßig Fahrradausflüge, soweit die Betreuung für ihre Tochter gesichert ist. Ein herkömmliches Fahrrad vermag die Klägerin nicht zu fahren.

Krankenkasse lehnt Versorgung mit Spezialfahrrad ab

Den Antrag des seinerzeit 17jährigen Mädchens, ihr ein ärztlich verordnetes Spezialdreirad als Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen, lehnte ihre Krankenkasse ab. Denn anknüpfend an ein Urteil des Bundes­so­zi­al­ge­richts komme eine Hilfs­mit­tel­ver­sorgung von Spezi­a­l­fahr­rädern für Kinder, die älter als 15 Jahre alt seien, nicht in Betracht: Denn dann würden „Spezi­a­l­fahrräder primär der Fortbewegung dienen, ohne therapeutische Anforderungen zu erfüllen“.

SG verpflichtet Krankenkasse zur Koste­n­er­stattung für zwischen­zeitlich selbst­be­schafftes Spezialdreirad

Die hiergegen gerichtete Klage war erfolgreich. Das Sozialgericht Heilbronn hat die Krankenkasse verpflichtet, der Klägerin die Kosten für das zwischen­zeitlich selbst­be­schaffte Spezialdreirad zu erstatten. Dieses sei notwendig, um sie in das Lebensumfeld Nicht­be­hin­derter zu integrieren. Da sich die sozialen Aktivitäten bzw. Kontakte in der Freizeit der Klägerin im Wesentlichen im Familienverbund abspielten, komme der Teilnahme an Familie­n­aus­flügen hier eine große soziale Bedeutung zu. Fahrradausflüge der radfahr­be­geis­terten Familie u.a. ins Dorfzentrum oder zum Woche­n­end­grundstück seien dabei ein prägender Faktor. Dies zeige sich auch daran, dass sich die Klägerin seit der Anschaffung des Dreirades deutlich entwickelt habe. Vorher überaus ängstlich und zurückgezogen, sei sie nunmehr viel selbstbewusster und habe „ein ganz anderes Auftreten“. Besonders augenscheinlich, was das Dreirad für sie bedeute, sei es geworden, als die Klägerin nach der ersten Ausfahrt mit dem Dreirad (laut glaubhafter Schilderung ihrer Mutter) spontan geäußert habe „jetzt bin ich auch so wie die Anderen“. Da habe sie „richtig gestrahlt und sehr, sehr glücklich gewirkt“.

Quelle: Sozialgericht Heilbronn/ra-online

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