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Sozialgericht Heilbronn Urteil18.02.2015

Polnische Arbeitnehmerin hat auch bei geringfügiger Beschäftigung Anspruch auf aufstockende Hartz IV-LeistungenTätigkeit als Reinigungskraft ist nicht als völlig untergeordnet oder unwesentlich anzusehen

Das Sozialgericht Heilbronn hat entschieden, dass eine in Heilbronn lebende polnische Arbeitnehmerin Anspruch auf aufstockende Hartz IV-Leistungen hat, auch wenn sie nur geringfügig beschäftigt ist.

Die im Februar 1987 geborene Klägerin des zugrunde liegenden Verfahrens ist polnische Staatsbürgerin. Da sie nach ihrem Sozio­lo­gie­studium in ihrer Heimat keinen Arbeitsplatz fand, reiste sie 2011 erstmals nach Deutschland ein, besuchte auf eigene Kosten einen Deutschkurs bei der Volkshochschule und arbeitete zunächst als Alten­pfle­gekraft, dann als Küchenhelferin, bis sie ihre Stelle Ende Juli 2012 betriebsbedingt verlor. Anschließend bezog sie Arbeits­lo­sengeld bis Anfang April 2013, arbeitete nebenher als Reinigungskraft 12 Stunden im Monat (für einen höheren Arbeitseinsatz hatte ihr Arbeitgeber keinen Bedarf) und bewarb sich parallel auf zahlreiche offene Stellen. Von Juni 2013 arbeitete die Klägerin in Vollzeit bei einer Zeita­r­beitsfirma als Produk­ti­o­ns­mi­t­a­r­beiterin und konnte ab da ihren Lebensunterhalt wieder durchgehend selbst bestreiten. Im April und Mai 2013 stand ihr nur das geringe Einkommen als Reinigungskraft von jeweils rund 106 Euro zur Verfügung. Sich insoweit über ein gegenteiliges Votum des zuständigen Sachbearbeiters hinweg setzend, lehnte es das Jobcenter Stadt Heilbronn ab, der Klägerin für diese beiden Monate aufstockende Hartz IV-Leistungen zu gewähren. Diese sei im April und Mai 2013 gar keine Arbeitnehmerin gewesen, weil sie nur eine völlig untergeordnete und unwesentliche Tätigkeit ausgeübt habe. Da sich ihr Aufent­haltsrecht damit allein aus der Arbeitssuche ableite, sei sie von Grund­si­che­rungs­leis­tungen ausgeschlossen.

Sozialgericht bejaht Anspruch auf aufstockende SGB II-Leistungen

Die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg. Das Sozialgericht Heilbronn entschied, dass die Klägerin als Arbeitnehmerin im streitigen Zeitraum April/Mai 2013 Anspruch auf aufstockende SGB II-Leistungen habe. Auch unter Berück­sich­tigung des geringen Arbeitsumfangs von rund drei Stunden wöchentlich sei die seinerzeitige Tätigkeit als Reinigungskraft nicht als völlig untergeordnet oder unwesentlich anzusehen. Immerhin habe die Klägerin ihren Gesamtbedarf in Höhe von rund 552 Euro (bestehend aus Hartz IV-Regelsatz von seinerzeit 382 Euro zzgl. Unter­kunfts­kosten von 170 Euro für eine 17qm kleine Wohnung) rund zu einem Fünftel decken können. Zudem sei die Klägerin als vollständig integriert in den deutschen Arbeitsmarkt anzusehen. Sie habe auch alle Arbeits­mög­lich­keiten, die sich ihr angeboten hätten, für sich genutzt. Insbesondere habe sie die neunmonatige Tätigkeit als Reinigungskraft aufgegeben, sobald sich ihr (im Juni 2013) bessere Verdienst­mög­lich­keiten ergeben hätten.

§ 7 Abs. 1 Zweites Buch Sozial­ge­setzbuch [SGB II] - Grundsicherung für Arbeitsuchende -:

Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1. das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7 a noch nicht erreicht haben,

2. erwerbsfähig sind,

3. hilfebedürftig sind und

4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungs­be­rechtigte).

Ausgenommen sind [...] Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufent­haltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familien­an­ge­hörigen [...]. Aufent­halts­rechtliche Bestimmungen bleiben unberührt. [...]

§ 2 Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizü­gig­keits­gesetz/EU):

(1) Freizü­gig­keits­be­rechtigte Unionsbürger und ihre Familien­an­ge­hörigen haben das Recht auf Einreise und Aufenthalt nach Maßgabe dieses Gesetzes. [...] (2) Unionsrechtlich freizü­gig­keits­be­rechtigt sind [...] Unionsbürger, die sich als Arbeitnehmer [...] aufhalten wollen [...]

Quelle: Sozialgericht Heilbronn/ra-online

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