15.11.2024
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Sozialgericht Gießen Urteil19.06.2013

Eingetragene Leben­s­part­ner­schaft: Renten­ver­si­cherung muss zeitnah nach Inkrafttreten gesetzlicher Neuregelungen über Anspruch auf Witwenrente informierenRenten­ver­si­cherer muss Hinter­bliebenen­rente nachzahlen

Das Sozialgericht Gießen hat entschieden, dass die Renten­ver­si­cherung verpflichtet gewesen wäre, Versicherte, die in einer eingetragenen Lebens­partner­schaft gelebt haben, zeitnah nach dem Inkrafttreten des "Gesetzes zur Überarbeitung des Lebens­partnerschafts­recht" über einen bestehenden Anspruch auf eine Witwenrente zu beraten.

Im zugrunde liegenden Streitfall lebte eine 58jährige Frau aus Mittelhessen in einer eingetragenen Leben­s­part­ner­schaft. Nachdem ihre Lebenspartnerin im Juni 2003 verstorben war, stellte sie im Juli 2003 bei der Rentenversicherung einen Antrag auf Hinter­blie­be­nenrente. Den Antrag lehnte die Renten­ver­si­cherung ab, weil zu diesem Zeitpunkt noch eine entsprechende Rechtsgrundlage für eine solche Rente fehlte.

Gesetzlich Neuregelung bezieht eingetragene Leben­s­part­ner­schaften in Hinter­blie­be­nen­ver­sorgung mit ein

Durch das am 1. Januar 2005 in Kraft getretene "Gesetz zur Überarbeitung des Leben­s­part­ner­schaftsrecht" wurden dann eingetragene Leben­s­part­ner­schaften auch umfassend in die Hinter­blie­be­nen­ver­sorgung der gesetzlichen Renten­ver­sorgung einbezogen.

Klägerin begehrt Auszahlung der Witwenrente ab Inkrafttreten der Neuregelung

Einen neuen Antrag auf eine Witwenrente stellte die Klägerin aber erst im Juni 2009, nachdem sie zu diesem Zeitpunkt von der neuen Regelung erfahren hatte. Die Renten­ver­si­cherung bewilligte ihr daraufhin eine Witwenrente ab dem 1. Juni 2008. Mit ihrer Klage wollte die Frau erreichen, dass ihr Witwenrente ab Inkrafttreten der Neuregelung gezahlt wird. Sie begründete dies damit, die Renten­ver­si­cherung hätte sie aufgrund des ersten Rentenantrags rechtzeitig auf das neue Gesetz hinweisen müssen, sie hätte den Antrag dann auch früher gestellt.

Renten­ver­si­cherung verweigert Zahlung ab gesetzlicher Neuregelung

Die Renten­ver­si­cherung argumentierte dagegen, das frühere Rentenverfahren sei abgeschlossen gewesen und sie habe damals nicht wissen können, ob, ggf. wann und mit welcher Ausgestaltung eine Neuregelung bei eingetragenen Partnerschaften erfolgt. Zudem sei auf das neue Gesetz auch in den Medien hingewiesen worden. Dass die Klägerin erst 4 Jahre nach Inkrafttreten der Neuregelung einen neuen Antrag gestellt habe, könne ihr daher nicht angelastet werden.

Renten­ver­si­cherer hätte über Anspruch auf Witwenrente informieren müssen

Das Sozialgericht Gießen war anderer Auffassung und gab der Klägerin Recht. Die Renten­ver­si­cherung hätte die Klägerin zeitnah nach dem Inkrafttreten der Neuregelung beraten müssen, dass nunmehr ein Anspruch auf eine Witwenrente besteht. Die Pflicht hierfür ergebe sich aus § 115 Abs.6 Sozial­ge­setzbuch 6. Buch (SGB VI).

Infor­ma­ti­o­ns­vor­schriften sollen nicht ausreichend informierte Versicherte vor Nachteilen schützen

Nach dieser Vorschrift solle ein Träger der Renten­ver­si­cherung die Berechtigten in geeigneten Fällen darauf hinweisen, dass sie eine Leistung erhalten können, wenn sie diese beantragen. Die Vorschrift habe den Sinn, nicht ausreichend informierte Versicherte vor Nachteilen aus dem Antragsprinzip zu schützen. Bei eingetragenen Leben­s­part­ner­schaften handele es sich um eine überschaubare Gruppe. Dem Renten­ver­si­cherer seien aufgrund des früheren Verfahrens alle relevanten Daten bekannt gewesen, er hätte daher erkennen können, dass der Klägerin ab 1. Januar 2005 eine Rente zustand.

Information über Neuregelung in den Medien nicht ausreichend

Da der Renten­ver­si­cherer eine konkrete Hinweispflicht gehabt habe, komme es auch nicht mehr darauf an, dass seinerzeit über die Neuregelung in den Medien informiert worden sei. Bei Verletzung einer konkreten Hinweispflicht könne sich ein Versi­che­rungs­träger darauf nicht mehr berufen.

Hinweise zur Rechtslage

Erläuterungen

§ 46 Abs.4 Satz 1 SGB VI (in Kraft seit 01.01.2005)

Für einen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente gelten als Heirat auch die Begründung einer Leben­s­part­ner­schaft, als Ehe auch eine Leben­s­part­ner­schaft, als Witwe und Witwer auch ein überlebender Lebenspartner und als Ehegatte auch ein Lebenspartner.

§ 115 Abs.6 Satz 1 SGB VI

Die Träger der Renten­ver­si­cherung sollen die Berechtigten in geeigneten Fällen darauf hinweisen, dass sie eine Leistung erhalten können, wenn sie diese beantragen.

Quelle: Sozialgerichtsbarkeit/Sozialgericht Gießen/ra-online

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