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- Sachsen: Verfassungsbeschwerden der Betreiber von Ein-Raum-Gaststätten und Diskotheken gegen das Sächsische Nichtraucherschutzgesetz erfolgreichVerfassungsgerichtshof Sachsen, Beschluss16.10.2008, Vf. 26-IV-08(HS), Vf. 28-IV-08(HS), u.a.
Sozialgericht Gießen Urteil19.06.2013
Eingetragene Lebenspartnerschaft: Rentenversicherung muss zeitnah nach Inkrafttreten gesetzlicher Neuregelungen über Anspruch auf Witwenrente informierenRentenversicherer muss Hinterbliebenenrente nachzahlen
Das Sozialgericht Gießen hat entschieden, dass die Rentenversicherung verpflichtet gewesen wäre, Versicherte, die in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft gelebt haben, zeitnah nach dem Inkrafttreten des "Gesetzes zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrecht" über einen bestehenden Anspruch auf eine Witwenrente zu beraten.
Im zugrunde liegenden Streitfall lebte eine 58jährige Frau aus Mittelhessen in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft. Nachdem ihre Lebenspartnerin im Juni 2003 verstorben war, stellte sie im Juli 2003 bei der Rentenversicherung einen Antrag auf Hinterbliebenenrente. Den Antrag lehnte die Rentenversicherung ab, weil zu diesem Zeitpunkt noch eine entsprechende Rechtsgrundlage für eine solche Rente fehlte.
Gesetzlich Neuregelung bezieht eingetragene Lebenspartnerschaften in Hinterbliebenenversorgung mit ein
Durch das am 1. Januar 2005 in Kraft getretene "Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrecht" wurden dann eingetragene Lebenspartnerschaften auch umfassend in die Hinterbliebenenversorgung der gesetzlichen Rentenversorgung einbezogen.
Klägerin begehrt Auszahlung der Witwenrente ab Inkrafttreten der Neuregelung
Einen neuen Antrag auf eine Witwenrente stellte die Klägerin aber erst im Juni 2009, nachdem sie zu diesem Zeitpunkt von der neuen Regelung erfahren hatte. Die Rentenversicherung bewilligte ihr daraufhin eine Witwenrente ab dem 1. Juni 2008. Mit ihrer Klage wollte die Frau erreichen, dass ihr Witwenrente ab Inkrafttreten der Neuregelung gezahlt wird. Sie begründete dies damit, die Rentenversicherung hätte sie aufgrund des ersten Rentenantrags rechtzeitig auf das neue Gesetz hinweisen müssen, sie hätte den Antrag dann auch früher gestellt.
Rentenversicherung verweigert Zahlung ab gesetzlicher Neuregelung
Die Rentenversicherung argumentierte dagegen, das frühere Rentenverfahren sei abgeschlossen gewesen und sie habe damals nicht wissen können, ob, ggf. wann und mit welcher Ausgestaltung eine Neuregelung bei eingetragenen Partnerschaften erfolgt. Zudem sei auf das neue Gesetz auch in den Medien hingewiesen worden. Dass die Klägerin erst 4 Jahre nach Inkrafttreten der Neuregelung einen neuen Antrag gestellt habe, könne ihr daher nicht angelastet werden.
Rentenversicherer hätte über Anspruch auf Witwenrente informieren müssen
Das Sozialgericht Gießen war anderer Auffassung und gab der Klägerin Recht. Die Rentenversicherung hätte die Klägerin zeitnah nach dem Inkrafttreten der Neuregelung beraten müssen, dass nunmehr ein Anspruch auf eine Witwenrente besteht. Die Pflicht hierfür ergebe sich aus § 115 Abs.6 Sozialgesetzbuch 6. Buch (SGB VI).
Informationsvorschriften sollen nicht ausreichend informierte Versicherte vor Nachteilen schützen
Nach dieser Vorschrift solle ein Träger der Rentenversicherung die Berechtigten in geeigneten Fällen darauf hinweisen, dass sie eine Leistung erhalten können, wenn sie diese beantragen. Die Vorschrift habe den Sinn, nicht ausreichend informierte Versicherte vor Nachteilen aus dem Antragsprinzip zu schützen. Bei eingetragenen Lebenspartnerschaften handele es sich um eine überschaubare Gruppe. Dem Rentenversicherer seien aufgrund des früheren Verfahrens alle relevanten Daten bekannt gewesen, er hätte daher erkennen können, dass der Klägerin ab 1. Januar 2005 eine Rente zustand.
Information über Neuregelung in den Medien nicht ausreichend
Da der Rentenversicherer eine konkrete Hinweispflicht gehabt habe, komme es auch nicht mehr darauf an, dass seinerzeit über die Neuregelung in den Medien informiert worden sei. Bei Verletzung einer konkreten Hinweispflicht könne sich ein Versicherungsträger darauf nicht mehr berufen.
Hinweise zur Rechtslage
Erläuterungen
§ 46 Abs.4 Satz 1 SGB VI (in Kraft seit 01.01.2005)
Für einen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente gelten als Heirat auch die Begründung einer Lebenspartnerschaft, als Ehe auch eine Lebenspartnerschaft, als Witwe und Witwer auch ein überlebender Lebenspartner und als Ehegatte auch ein Lebenspartner.
§ 115 Abs.6 Satz 1 SGB VI
Die Träger der Rentenversicherung sollen die Berechtigten in geeigneten Fällen darauf hinweisen, dass sie eine Leistung erhalten können, wenn sie diese beantragen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 18.07.2013
Quelle: Sozialgerichtsbarkeit/Sozialgericht Gießen/ra-online
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