15.11.2024
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Sozialgericht Gießen Urteil26.02.2014

Fahren ohne Führerschein kann Rente kostenArbeitnehmer hat nach Verkehrsunfall und daraus resultierender Arbeits­un­fä­higkeit keinen Anspruch auf Rente wegen Erwer­bs­min­derung

Ein Arbeitnehmer, der aufgrund eines Verkehrsunfalls arbeitsunfähig wird, hat keinen Anspruch auf Rente wergen Erwer­bs­min­derung, wenn er zum Zeitpunkt des Unfalls keinen Führerschein besaß und zudem in alkoholisiertem Zustand Auto gefahren ist. Dies geht aus einer Entscheidung des Sozialgerichts Gießen hervor.

Im zugrunde liegenden Fall war ein 28-jähriger Koch nachts auf der Autobahn mit seinem PKW in einen Erdhügel gefahren und hatte sich dabei mehrere Frakturen und eine Armner­ven­schä­digung zugezogen, seinen Beruf und auch andere Tätigkeiten kann er seitdem wegen der Unfallfolgen nicht mehr ausüben. Deshalb beantragte er bei der Deutschen Renten­ver­si­cherung Hessen eine Rente wegen Erwer­bs­min­derung. Die Renten­ver­si­cherung lehnte den Rentenantrag aber ab.

Kläger hatte zum Unfallzeitpunkt keine Fahrerlaubnis

Die dagegen gerichtete Klage blieb vor dem Sozialgericht Gießen erfolglos. Der Mann hatte nämlich zum Unfallzeitpunkt keine Fahrerlaubnis und auch 1,39 Promille Alkohol im Blut. Deshalb war er vom Amtsgericht Groß-Gerau wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von 5 Monaten auf Bewährung verurteilt worden.

Renten­ver­si­cherung beruft sich auf Vorschrift im Rentenrecht

Für ihre Ablehnung des Rentenantrags bezog sich die Renten­ver­si­cherung auf eine Vorschrift im Rentenrecht, nach der eine Rente ganz oder teilweise versagt werden kann, wenn jemand sich die für die Rentenleistung erforderliche gesundheitliche Beein­träch­tigung bei einer Handlung zugezogen hat, die nach straf­ge­richt­lichen Urteil ein Verbrechen oder vorsätzliches Vergehen ist. Der Anwalt des Mannes argumentierte dagegen, die vorsätzlich begangene Fahrt ohne Fahrerlaubnis sei nicht ursächlich für den Unfall gewesen. Sein Mandant habe über die notwendigen theoretischen und praktischen Kenntnisse für das Autofahren verfügt, da er früher bereits einmal den Führerschein besessen habe. Die Trunkenheit im Straßenverkehr habe er nur fahrlässig begangen.

Kläger verfügte alkoholbedingt offensichtlich nicht mehr über notwendige theoretische und praktische Kenntnisse für das Autofahren

Mit dieser Argumentation konnte er aber beim Sozialgericht nicht durchdringen. Das Gericht urteilte, dass es zu dem Unfall nicht gekommen wäre, wenn der Kläger nicht gefahren wäre. Das Fahren ohne Fahrerlaubnis könne auch nicht getrennt von der fahrlässigen Trunkenheit im Straßenverkehr gesehen werden. Zum Zeitpunkt des Unfalls habe der Kläger alkoholbedingt offensichtlich nicht mehr über die für das Autofahren notwendigen theoretischen und praktischen Kenntnisse verfügt, sonst wäre es zu dem Unfall nicht gekommen.

Ablehnung ist nicht als Ermessensfehler der Renten­ver­si­cherung auszulegen

Die Renten­ver­si­cherung habe mit ihrer Ablehnung auch keinen Ermessensfehler begangen. Zweck der von ihr angewandten Vorschrift sei ein Ausgleich zwischen dem Grundsatz, dass Sozialrecht keine straf­recht­lichen Funktionen wahrzunehmen hat, und dem sozialethisch kaum tolerierbaren Ergebnis, dass schwere Strafverstöße auch noch durch Sozia­l­ver­si­che­rungs­leis­tungen „belohnt“ werden. Dem habe die Renten­ver­si­cherung ausreichend Rechnung getragen.

Erläuterungen

Hinweis zur Rechtslage:

§ 104 Minderung der Erwer­bs­fä­higkeit bei einer Straftat

(1) Renten wegen verminderter Erwer­bs­fä­higkeit, Altersrenten für schwer­be­hinderte Menschen oder große Witwenrenten oder große Witwerrenten können ganz oder teilweise versagt werden, wenn die Berechtigten sich die für die Rentenleistung erforderliche gesundheitliche Beein­träch­tigung bei einer Handlung zugezogen haben, die nach straf­ge­richt­lichem Urteil ein Verbrechen oder vorsätzliches Vergehen ist. Dies gilt auch, wenn aus einem in der Person der Berechtigten liegenden Grunde ein straf­ge­richt­liches Urteil nicht ergeht. Zuwider­hand­lungen gegen Bergver­ord­nungen oder bergbehördliche Anordnungen gelten nicht als Vergehen im Sinne des Satzes 1.

(2) Soweit die Rente versagt wird, kann sie an unter­halts­be­rechtigte Ehegatten, Lebenspartner und Kinder geleistet werden. Die Vorschriften der §§ 48 und 49 des Ersten Buches über die Auszahlung der Rente an Dritte werden entsprechend angewendet.

Quelle: Sozialgericht Gießen/ra-online

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