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Sozialgericht Gießen Urteil17.01.2017
Sozialhilfeträger muss Pflegeheim Kosten für Bestattung einer mittellosen Bewohnerin erstattenAusgleichsansprüche können nicht gegen selbst hilfebedürftige Angehörige der Verstorbenen geltend gemacht werden
Das Sozialgericht Gießen hat entschieden, dass ein Pflegeheim nach §§ 74, 98 Abs. 3 SGB XII dann die Übernahme der Kosten für die Bestattung einer Bewohnerin verlangen kann, wenn die Bewohnerin im Heim mittellos verstorben ist und ihre Angehörigen selbst unter Betreuung stehen.
Die Klägerin des zugrunde liegenden Verfahrens, ein Pflegeheim, begehrt von dem beklagten Landeswohlfahrtsverband Erstattung der von ihr verauslagten Kosten für die Bestattung einer in ihrem Gießener Pflegeheim im November 2013 verstorbenen Bewohnerin. Der Heimleiter hatte ein Bestattungsunternehmen mit der Durchführung der Bestattung beauftragt. Dieses stellte der Klägerin hierfür 2.857,69 Euro in Rechnung. Die Klägerin verlangte mit Schreiben vom 21. Januar 2014 von dem Beklagten Erstattung dieses Betrages abzüglich eines noch vorhandenen Vermögens in Höhe von 599,81 Euro. Da der Beklagte diesem Begehren mit den angefochtenen Bescheiden unter Hinweis auf vorrangig in Anspruch zu nehmende Angehörige nicht entsprach, erhob der Heimträger Klage bei dem Sozialgericht Gießen. Die Klägerin führte aus, dass sie nach § 13 Abs. 3 des Hessischen Friedhofs- und Bestattungsgesetzes verpflichtet gewesen sei, die Bestattung in Auftrag zu geben. Es sei ihr nicht zuzumuten, diese Kosten zu tragen.
Kostenübernahme für Pflegeheim nicht zumutbar
Die Klage auf Erstattung der Aufwendungen für die Bestattung hatte Erfolg. Zur Entscheidungsbegründung nahm das Sozialgericht Gießen zunächst auf § 74 SGB XII Bezug. Danach sind im Rahmen der Sozialhilfe die erforderlichen Kosten einer Bestattung zu übernehmen, soweit dem hierzu verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen. Der Klägerin stehe ein solcher Anspruch zu. Ein Anspruch auf Kostenübernahme aus § 74 SGB XII könne auch einer juristischen Person zustehen. Die Klägerin sei "Verpflichtete" im Sinne des § 74 SGB XII gewesen. Die Verpflichtung beziehe sich auf die Tragung der Bestattungskosten und rühre aus den landesrechtlichen Bestattungspflichten des Friedhofs- und Bestattungsgesetzes her. Eine solche Pflicht habe für die Klägerin bestanden. Auch könne der Klägerin nicht zugemutet werden, die Kosten zu tragen. Der Begriff der Zumutbarkeit im Sinne von § 74 SGB XII sei nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalles ausfüllungsbedürftig. Dabei könnten auch Maßstäbe und Umstände eine Rolle spielen, die als solche im Allgemeinen sozialhilferechtlich unbeachtet seien, denen aber vor dem Hintergrund des Zwecks des § 74 SGB XII Rechnung getragen werden müsse. Dabei sei zum einen an die persönliche und rechtliche Nähe zur Verstorbenen anzuknüpfen und zum anderen daran, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang es dem Verpflichteten möglich sei, selbst für eine anderweitige Entlastung zu sorgen. Im Übrigen dürfe der Sozialhilfeträger dem Bestattungspflichtigen nicht Ausgleichsansprüche gegenüber Angehörigen entgegenhalten, wenn diese selbst hilfebedürftig seien und eine Betreuung bestehe.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 07.02.2017
Quelle: Sozialgericht Gießen/ra-online
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