21.11.2024
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Sie sehen eine Szene aus einem Krankenhaus, speziell mit einem OP-Saal und einer Krankenschwester im Vordergrund.
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Sozialgericht Frankfurt am Main Beschluss18.06.2019

Zahnarztwechsel bei unzumutbarer Weiter­be­handlung für Versicherte in Ausnahmefällen möglichSG Frankfurt am Main zum Recht der freien Arztwahl nach begonnener Zahn­ersatz­behandlung

Das Sozialgericht Frankfurt am Main hat über Eilanträge zu entscheiden, die jeweils auf die Verpflichtung einer Krankenkasse gerichtet waren, Kosten für Zahn­ersatz­behandlungen durch einen anderen Zahnarzt als den bisherigen Behandler zu übernehmen.

In den beiden zugrunde liegenden Fällen verwies das Gericht auf die höchst­rich­terliche Rechtsprechung, wonach das Recht der freien Arztwahl nach begonnener Zahner­satz­be­handlung eingeschränkt ist. Diese Einschränkung gilt bis zum Abschluss der Behandlung und darüber hinaus bis zum Ablauf des Zeitraums, in dem bei fehlerhaftem Zahnersatz aufgrund der zweijährigen Gewährleistung ein Anspruch auf kostenfreie Mängel­be­sei­tigung oder Neuanfertigung durch den bisherigen Behandler besteht. Nach der Rechtsprechung besteht eine solche Bindung an den bisherigen Behandler allerdings ausnahmsweise dann nicht, wenn die dortige Weiter­be­handlung für den Versicherten unzumutbar wäre.

Unzumutbarkeit der Weiter­be­handlung beim bisherigen Arzt

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze hat das Gericht im ersten entschiedenen Fall angenommen, dass es der Antragstellerin, einer 65-jährigen Versicherten, nicht zumutbar sei, weiterhin auf die bisher behandelnde Zahnärztin verwiesen zu werden. Die Krankenkasse ist daher zur Übernahme der Behand­lungs­kosten eines anderen Zahnarztes vorläufig verpflichtet worden.

Vertrau­ens­ver­hältnis aufgrund eines erheblichen Konflikts zwischen Versicherter und Zahnärztin zerstört

Zur Begründung führte das Gericht aus, dass das für eine ärztliche Behandlung erforderliche Vertrauensverhältnis aufgrund eines erheblichen Konflikts zwischen der Versicherten und ihrer Zahnärztin zerstört sei. Beide hatten sich wiederholt wechselseitig Vorwürfe gemacht - die angeblichen Schmerzen der Antragstellerin seien nicht nachvollziehbar, die Zahnärztin sei rat- und hilflos und es mangele ihr an Refle­xi­ons­fä­higkeit - und es bestand Streit über die Frage, ob Nachbes­se­rungs­versuche der Ärztin erfolgreich waren.

Kein Arztwechsel vor Fertigstellung der prothetischen Gesamt­ver­sorgung

Demgegenüber lehnte das Gericht im zweiten entschiedenen Fall den Eilantrag der dort 72-jährigen Versicherten ab. Bei dieser Versicherten war eine prothetische Versorgung geplant, die im ersten Schritt durch Einsetzen von sechs Kronen und im zweiten Schritt durch Einsetzen herausnehmbarer Prothesen erfolgen sollte. Die Versicherte machte bereits nach dem Einsetzen der Kronen deren erhebliche Mangel­haf­tigkeit und hierdurch bedingte Schmerzen geltend.

Schwerwiegender Behand­lungs­fehler nicht feststellbar

Das Sozialgericht führte zur Begründung seiner Entscheidung aus, dass die prothetische Gesamt­ver­sorgung nicht auf ihre Mangel­haf­tigkeit hin beurteilt werden könne, da die Versorgung nicht abgeschlossen sei. Auf Grundlage eingeholter zahnärztlicher Stellungnahmen sei nicht erkennbar, dass die eingesetzten Kronen so mangelhaft seien, dass nur eine Neuanfertigung in Betracht komme bzw. das Einsetzen der Prothesen nicht möglich sei. Der Antragstellerin sei eine Weiter­be­handlung bei der bisherigen Zahnärztin auch zumutbar. Ein schwerwiegender Behand­lungs­fehler sei bislang nicht feststellbar und die Antragstellerin habe nur zwei Nachbes­se­rungs­versuche vornehmen lassen. Allein Unstimmigkeiten zwischen der Antragstellerin und der Behandlerin in Bezug auf vorzunehmende Nachbesserungen seien kein Beleg für ein zerstörtes Vertrau­ens­ver­hältnis.

Hinweise zur Rechtslage

§ 76 Absatz 1 Satz 1 Sozial­ge­setzbuch Fünftes Buch

Die Versicherten können unter den zur vertrag­s­ärzt­lichen Versorgung zugelassenen Ärzten, den medizinischen Versor­gungs­zentren, den ermächtigten Ärzten, den ermächtigten oder nach § 116 b an der ambulanten Versorgung teilnehmenden Einrichtungen, den Zahnkliniken der Krankenkassen, den Eigen­ein­rich­tungen der Krankenkassen nach § 140 Abs. 2 Satz 2, den nach § 72 a Abs. 3 vertraglich zur ärztlichen Behandlung verpflichteten Ärzten und Zahnärzten, den zum ambulanten Operieren zugelassenen Krankenhäusern sowie den Einrichtungen nach § 75 Abs. 9 frei wählen.

§ 55 Abs. 1 Satz 1 Sozial­ge­setzbuch Fünftes Buch

Versicherte haben nach den Vorgaben in den Sätzen 2 bis 7 Anspruch auf befundbezogene Festzuschüsse bei einer medizinisch notwendigen Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Supra­kon­struk­tionen (zahnärztliche und zahntechnische Leistungen) in den Fällen, in denen eine zahnpro­the­tische Versorgung notwendig ist und die geplante Versorgung einer Methode entspricht, die gemäß § 135 Abs. 1 anerkannt ist.

§ 136 a Abs. 4 Satz 3 - 5 Sozial­ge­setzbuch Fünftes Buch

Der Zahnarzt übernimmt für Füllungen und die Versorgung mit Zahnersatz eine zweijährige Gewähr. Identische und Teilwie­der­ho­lungen von Füllungen sowie die Erneuerung und Wieder­her­stellung von Zahnersatz einschließlich Zahnkronen sind in diesem Zeitraum vom Zahnarzt kostenfrei vorzunehmen. Ausnahmen hiervon bestimmen die Kassen­zahn­ärztliche Bundes­ver­ei­nigung und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen.

Quelle: Sozialgericht Frankfurt am Main/ra-online (pm/kg)

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