21.11.2024
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Sozialgericht Berlin Urteil10.12.2013

Billig-Brustimplantat PIP: Krankenkasse muss Kosten für neue Implantate nicht übernehmenBei Brust­ope­ra­tionen allein aus ästhetischen Gründen müssen sich Patienten auch an Kosten für erforderliche Herausnahme der Implantate beteiligen

Die Explantation von minderwertigen Brust­im­plantaten des französischen Herstellers Poly Implant Prothèse (PIP) ist medizinisch notwendig. Hierfür hat die Krankenkasse die Kosten zu tragen. Allerdings muss sich die Patientin an den Kosten beteiligen, wenn das erstmalige Einsetzen der Implantate allein ästhetische Gründe hatte. Die Kosten für die ersatzweise Einbringung neuer Implantate hat die Patientin vollständig selbst zu tragen.

Dem Fall liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Im Jahr 2004 flog die damals 19 jährige Klägerin aus Berlin nach Alicante/Spanien und ließ sich auf eigene Kosten beidseits Brustimplantate des Herstellers Poly Implant Prothèse einsetzen. Wenige Jahre später wurde bekannt, dass die Implantate mit ungeeignetem, minderwertigem Indus­trie­silikon gefüllt waren. Sie neigten zur Rissbildung. Silikon konnte austreten. 2010 wurde der Vertrieb untersagt. 2012 empfahl das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) die Entfernung der Implantate.

Klägerin lässt PIP-Implantate gegen neue Silikongel-Implantate austauschen

Im Juli 2012 begab sich die nun 27 jährige Klägerin für drei Tage in ein Berliner Krankenhaus. Beim Implan­tat­wechsel stellte sich heraus, dass Ihre PIP-Implantate zwar noch intakt waren, aber bereits deutlich Silikon verloren hatten (so genanntes Ausschwitzen). Sie wurden gegen neue Silikongel-Implantate ausgetauscht.

Krankenkasse erstattet erforderliche Herausnahme der Implantate nur teilweise

Die Krankenkasse (Barmer GEK) erstattete die Kosten der medizinisch erforderlichen Herausnahme der schädlichen Implantate (rund 4.100 Euro). Allerdings musste sich die allein­er­ziehende ALG II-Empfängerin mit 2 % (280 Euro) ihrer jährlichen Einnahmen (14.000 Euro) an den Kosten beteiligen.

Krankenkasse verweigert Kostenübernahme für Einsatz von Ersatz­im­plantaten

Die Krankenkasse übernahm jedoch nicht die Kosten für ein Ersatzimplantat (ebenfalls rund 4.100 Euro), denn bereits die erstmalige Versorgung mit Brust­im­plantaten sei aus rein kosmetischen Gründen erfolgt. Es habe keine Krankheit vorgelegen.

Implantate wurden laut Aussage der Klägerin aus psychischen Gründen eingesetzt

Hiergegen erhob die Klägerin im Oktober 2012 Klage. Sie habe sich die Implantate seinerzeit aus psychischen Gründen einsetzen lassen. Sie hätte es auch jetzt nicht verkraften können, wenn ihre Brüste nach der Explantation nicht wieder in einen annehmbaren Zustand gebracht worden wären.

Einsatz von Brust­im­plantaten hatte rein kosmetische Gründe

Das Sozialgericht Berlin wies die Klage nach mündlicher Verhandlung ab. Es sei richtig, dass die Klägerin sich an den Kosten der Explantation beteilige. Die Herausnahme der schädlichen Brustimplantate sei zwar medizinisch notwendig gewesen. Sie sei jedoch eine Folge der vorangegangenen Schönheitsoperation, die eine rein kosmetische Maßnahme gewesen sei. Für die Klägerin bedeute es ohne Frage eine bittere Tragik, Opfer einer Firma geworden zu sein, die Geschäfte auf Kosten der Patienten gemacht habe. Dennoch sei es nicht sachgerecht, wenn die Versi­cher­ten­ge­mein­schaft alle Risiken trage, die mit einer medizinisch nicht notwendigen Operation verbunden sind. Selbst wenn die Klägerin damals psychisch unter einem vermeintlichen körperlichen Makel gelitten habe, sei der Eingriff in einen gesunden menschlichen Körper (jedenfalls nach den Maßstäben des Kranken­ver­si­che­rungs­rechts) nicht gerechtfertigt gewesen. Psychische Erkrankungen seien vielmehr mit Mitteln der Psychotherapie zu behandeln.

Einsatz von Ersatz­im­plantaten stellt keine Krankheit im versi­che­rungs­recht­lichen Sinne dar

Entsprechendes gelte für die Kosten der Einbringung neuer Implantate. Hierfür sei keine medizinische Notwendigkeit feststellbar. Eine Krankheit im versi­che­rungs­recht­lichen Sinne liege nicht vor. Außerdem seien auch diese Kosten letztendlich Folgen einer medizinisch nicht indizierten Operation. Deshalb müsse die Klägerin hierfür selbst aufkommen.

Die strei­tent­schei­denden Vorschriften stammen aus dem Fünften Buch Sozial­ge­setzbuch – Gesetzliche Kranken­ver­si­cherung (SGB V):

§ 52 Abs. 2:

Haben sich Versicherte eine Krankheit durch eine medizinisch nicht indizierte ästhetische Operation, eine Tätowierung oder ein Piercing zugezogen, hat die Krankenkasse die Versicherten in angemessener Höhe an den Kosten zu beteiligen [...]

§ 27 Abs. 1:

Versicherte haben Anspruch auf Kranken­be­handlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhindern oder Krank­heits­be­schwerden zu lindern.

Quelle: Sozialgericht Berlin/ra-online

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