Dokument-Nr. 11853
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Sozialgericht Berlin Urteil24.05.2011
SG Berlin: Erben haften für Hartz IV-Bezug des VerstorbenenAbzug des belassenen Schonvermögens des Hilfebedürftigen vom Erbe ist legitimes Vorgehen des Gesetzgebers
Die Erben eines Hartz IV Empfängers sind zum Ersatz der Sozialleistungen verpflichtet, die dieser in den letzten 10 Jahren vor seinem Tod erhalten hat, sofern der Leistungsbetrag 1.700 Euro überstieg. Dies geht aus einer Entscheidung des Sozialgerichts Berlin hervor.
Die Vorschrift ist weitgehend unbekannt. Nur selten kommt es wegen § 35 SGB II zum Streit vor Gericht. Doch wenn die Erbenhaftung greift, bleibt vom Erbe meist nicht mehr viel übrig: Während den Leistungsempfängern gemäß § 12 SGB II ein Schonvermögen belassen wird, sind deren Erben verpflichtet, mit dem ererbten Vermögen die gezahlten Sozialleistungen zurückzuerstatten. Drei Jahre haben die Jobcenter Zeit, um die Rückforderung geltend zu machen.
Sachverhalt
Im zugrunde liegenden Streitfall teilte im November 2006 die Klägerin dem beklagten Jobcenter Marzahn-Hellersdorf den Tod ihres 60 Jahre alten Vaters mit. Dieser hatte von Januar 2005 bis Oktober 2006 Hartz IV Leistungen in Höhe von insgesamt 11.918,04 Euro erhalten. Sein Vermögen von rund 22.000 Euro war dabei als so genanntes Schonvermögen nicht angerechnet worden.
Jobcenter ermittelt Nachlasswert und verlang teilweise Rückzahlung der bewilligten Sozialleistungen
Das Jobcenter ermittelte daraufhin durch Befragen des zuständigen Finanzamts und der Klägerin - unter Abzug von Nachlassverbindlichkeiten wie z. B. den Kosten der Beerdigung – einen Nachlasswert von 19.853,26 Euro. Im Juli 2007 forderte das Jobcenter dann von der Klägerin als Erbin die Rückzahlung der dem Vater bewilligten Sozialleistungen.
Verstoß gegen grundrechtlich garantiertes Erbrecht?
Mit ihrer hiergegen erhobenen Klage wandte die Klägerin unter anderem ein, dass eine derartige Erbenhaftung gegen das grundrechtlich garantierte Erbrecht verstoße.
Rückforderung ist auf Wert des Nachlasses beschränkt
Das Sozialgericht Berlin hat die Klage abgewiesen und die Rückforderung des Jobcenters bestätigt. Gemäß § 35 SGB II sei die Klägerin verpflichtet, die ihrem Vater in den vergangenen 10 Jahren rechtmäßig gewährten SGB II-Leistungen zurückzuerstatten. Ausnahmen von der Erbenhaftung gelten nur 1.) für Angehörige, die den Verstorbenen gepflegt und mit ihm zusammengewohnt haben, wenn das Erbe 15.500 Euro nicht übersteigt, oder 2.) in besonderen Härtefällen. Eine Ausnahme von der gesetzlichen Regel sei hier jedoch nicht gegeben. Die Ausnahmeregelung für pflegende Haushaltsangehörige greife schon deswegen nicht, weil das Erbe den Grenzwert von 15.500 Euro überstiegen habe. Auch ein besonderer Härtefall liege nicht vor. Es würden keine selbsterworbenen Mittel der Klägerin zurückgefordert. Die Rückforderung sei auch auf den Wert des Nachlasses beschränkt. Schließlich verbleibe ihr ein Resterbe. Die zugrunde liegende Vorschrift sei schließlich auch verfassungsgemäß. Es sei eine legitime Erwägung des Gesetzgebers, dass sich das dem Hilfebedürftigen belassene Schonvermögen nicht zugunsten der Erben auswirken solle.
§ 35 SGB II – Erbenhaftung – (aktuelle Fassung) lautet:
(1) Der Erbe einer Person, die Leistungen nach diesem Buch [gemeint ist das SGB II] erhalten hat, ist zum Ersatz der Leistungen verpflichtet, soweit diese innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Erbfall erbracht worden sind und 1.700 Euro übersteigen. Der Ersatzanspruch umfasst auch die geleisteten Beiträge zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung. Die Ersatzpflicht ist auf den Nachlasswert zum Zeitpunkt es Erbfalls begrenzt.
(2) Der Ersatzanspruch ist nicht geltend zu machen,
1. soweit der Wert des Nachlasses unter 15.500 Euro liegt, wenn der Erbe der Partner der Person, die die Leistungen empfangen hat, war oder mit dieser verwandt war und nicht nur vorübergehend bis zum Tode der Person, die Leistungen empfangen hat, mit dieser in häuslicher Gemeinschaft gelebt und sie gepflegt hat,
1. soweit die Inanspruchnahme des Erben nach der Besonderheit des Einzelfalles eine besondere Härte bedeuten würde.
(3) Der Ersatzanspruch erlischt drei Jahre nach dem Tod der Person, die die Leistungen empfangen hat…
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 27.06.2011
Quelle: Sozialgericht Berlin/ra-online
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