21.11.2024
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Sozialgericht Aachen Urteil23.11.2005

Höherwertige Mittel­klas­se­fahrzeuge sind bei ALG-II-Empfängern als Vermögen zu berücksichtigen

Möglicherweise weitreichende Folgen für die Berechnung von Ansprüchen auf Arbeits­lo­sengeld II hat eine jetzt ergangene Entscheidung des Sozialgerichts Aachen.

Wer über Vermögen verfügt, dass bestimmte, altersabhängige Freibeträge übersteigt, kann kein Arbeits­lo­sengeld II beanspruchen. Diese im Volksmund auch „Hartz IV“ genannte Leistung setzt nämlich Bedürftigkeit des Antragstellers voraus, die entfällt, wenn sich der Antragsteller aus eigener Kraft, zum Beispiel durch Verwertung vorhandener Vermö­gens­ge­gen­stände versorgen kann.

Auch Kraftfahrzeuge sind grundsätzlich Vermögen. Allerdings sieht § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 des Zweiten Buches Sozial­ge­setzbuch (SGB II) vor, dass „ein angemessenes Kraftfahrzeug“ nicht als Vermögen zu berücksichtigen ist. Was „angemessen“ ist, hat der Gesetzgeber nicht definiert.

Die 9. Kammer des Sozialgerichts Aachen hat hierzu entschieden, dass Mittel­klas­se­fahrzeuge nicht von vornherein immer als angemessen angesehen werden können. Es wich dabei von der Rechtsprechung anderer, auch nordrhein-westfälischer Sozialgerichte bewusst ab, die Mittel­klas­se­fahrzeuge grundsätzlich als anrechnungsfrei ansehen (Sozialgericht Aurich, Beschluss vom 25.02.05; Sozialgericht Detmold, Gerichts­be­scheid vom 21.06.05). Denn was angemessen sei, bestimme sich nach dem Willen des Gesetzgebers nach den Lebensumständen eines ALG-II-Leistungs­emp­fängers (§ 12 Abs. 3 S. 2 SGB II). Es sei also darauf abzustellen, wie sich vernünf­ti­gerweise eine Person verhalte, die ohne staatliche Unter­stüt­zungs­leis­tungen über ein Einkommen etwa in Höhe des Arbeits­lo­sen­geldes II verfüge und entsprechend dem Zweck der Freistel­lungs­vor­schrift zur Arbeitsaufnahme ein zuverlässiges, möglichst wenig repara­tu­r­an­fälliges und arbeitstäglich benutzbares Fahrzeug benötige. Eine solche Person würde aber nach Auffassung des Gerichts sinnvollerweise ein relativ hochwertiges Fahrzeug gegen ein vergleichbar zuverlässiges, aber preiswerteres Fahrzeug eintauschen, um zusätzliche Barmittel frei zu machen.

Der Kläger des entschiedenen Falles besaß einen bei Antragstellung 18 Monate alten Audi A 3 Attraction 1,9 TDI mit Metallic-Lackierung und Klimaanlage mit einem Zeitwert von 14.500€. Zwar seien – so die 9. Kammer des Sozialgerichts – die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen und der Kläger könne nicht (wie es die beklagte Behörde getan habe) pauschal auf Gebraucht­fahrzeuge im Wert von 5.000€ verwiesen werden. Im örtlichen Klein­an­zei­genmarkt waren jedoch kleinere Fahrzeuge deutscher und französischer Produktion mit ähnlich geringer Laufleistung und im gleichen Alter wie das Fahrzeug des Klägers für rund 7.000€ angeboten. Das Gericht sah es als zumutbar an, auf derartige Fahrzeuge umzusteigen. Da der Restwert des Autos des Klägers von 14.500€ um 7.500€ höher lag als der Wert dieser Fahrzeuge und der Mehrwert zusammen mit weiterem Sparvermögen des Klägers dessen Vermö­gens­frei­betrag von 9.150€ überstieg, verneinte die Kammer einen Leistungs­an­spruch des Klägers.

Quelle: Pressemitteilung des SG Aachen vom 23.11.2005

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