18.10.2024
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Oberlandesgericht Schleswig Urteil19.03.2015

Mobil­funk­vertrag: Erneute Entscheidung zum "Pfand" für die SIM-Karte und Gewin­n­ab­schöpfung der "Nicht­nut­zer­gebühr"Mobil­funk­vertrag darf kein Pfand für deaktivierte und wirtschaftlich wertlose SIM-Karte vorsehen

Ein Anbieter von Mobil­funk­leis­tungen darf in seinen Allgemeinen Geschäfts­bedingungen (AGB) nach Beendigung des Mobil­funk­vertrags kein "Pfand" in Rechnung stellen, wenn der Kunde die deaktivierte und wirtschaftlich wertlose SIM-Karte nicht zurückschickt. Der 2. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlan­des­ge­richts untersagte einem Mobil­funk­an­bieter mit Sitz in Schleswig-Holstein (Büdelsdorf) in einem Urteil erneut das Erheben einer Pfandgebühr in Höhe von 9,97 Euro. Zugleich sah der 2. Zivilsenat die Voraussetzungen für die Abschöpfung von Gewinnen als gegeben an, die der Mobil­funk­an­bieter erzielt hatte, indem er in seinen AGB Zusatzgebühren verlangte, wenn der Kunde innerhalb eines bestimmten Zeitraums keine Anrufe getätigt und auch keine SMS versandt hatte (Nicht­nut­zer­gebühr).

Auf die Klage des Bundesverbandes der Verbrau­cher­zen­tralen und Verbrau­cher­verbände hatte der 2. Zivilsenat bereits mit Urteil vom 03.07.2012 dem Mobil­funk­an­bieter untersagt, zwei Klauseln in seinen AGB für Verträge über Mobil­funk­leis­tungen zu verwenden, weil diese die Kunden unangemessen benachteiligten. Die eine Klausel sah davor, dass die zu Verfügung gestellte SIM-Karte Eigentum des Mobil­funk­an­bieters verbleibt und hierfür eine "Pfandgebühr" von 9,97 Euro fällig wird, wenn der Kunde die SIM-Karte nicht innerhalb von 14 Tagen nach Beendigung des Mobil­funk­ver­trages zurücksendet. Die zweite Klausel sah vor, dass dem Kunden eine "Nicht­nut­zer­gebühr" in Höhe von 4,95 Euro in Rechnung gestellt wird, wenn in drei aufein­an­der­fol­genden Monaten kein Anruf getätigt beziehungsweise keine SMS versandt wird.

Nach dem Erlass des Urteils aus dem Jahr 2012 änderte der Mobil­funk­an­bieter seine AGB dahingehend, dass er nach Beendigung des Mobil­funk­vertrags zwar weiterhin ein "Pfand" für eine nicht zurück­ge­schickte SIM-Karte erhob, der Kunde jedoch die Gebühr erstattet erhielt, wenn er auch nach Ablauf der Frist von 14 Tagen die Karte zurückschickte. Für die Zeit ab 01.08.2012 erhob der Mobil­funk­an­bieter keine "Nicht­nut­zer­gebühr" mehr.

Verbrau­cher­schutz­verein kritisiert auch geänderte Pfand-Regel

Der klagende Verbrau­cher­schutz­verein fordert den Mobil­funk­an­bieter auf, auch die AGB-Klausel zum "Pfand" in der geänderten Fassung zu unterlassen und die Gewinne an den Bundeshaushalt zu zahlen (Abschöpfung), die der Mobil­funk­an­bieter durch die Verwendung der unwirksamen Klausel zur "Nicht­nut­zer­gebühr" erzielt hatte.

OLG: Auch Klausel über das "Pfand" für die SIM-Karte in der neuen Fassung ist unwirksam

Auch die Klausel über das "Pfand" für die SIM-Karte in der neuen Fassung ist unwirksam, weil sie den Kunden entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Der beklagte Mobil­funk­an­bieter hat ersichtlich kein Interesse an der Rückerlangung der gebrauchten SIM-Karten unter dem Gesichtspunkt, dass er diese noch verwenden oder sonst etwas damit anfangen könnte. Der Mobil­funk­an­bieter lässt die zurückgesandten SIM-Karten fachgerecht vernichten und entsorgen, und zwar nach eigenem Vortrag unmittelbar nach Eingang. Mithilfe der gebrauchten Karten erzielt er keine Einnahmen mehr. Es entstehen vielmehr zusätzliche Kosten für die Entsorgung. Ein berechtigtes Interesse an der Rückerlangung der Karten kann der beklagte Mobil­funk­an­bieter auch nicht daraus herleiten, dass er auf diese Weise den Missbrauch deaktivierter SIM-Karten verhindern wolle. Nach den eigenen Äußerungen des beklagten Mobil­funk­an­bieters sei ihm selbst kein Fall bekannt, in dem bisher aufgrund einer missbräuch­lichen Verwendung einer deaktivierten SIM-Karte ein Schaden entstanden sei. Insgesamt drängt sich der Eindruck auf, dass durch das SIM-Kartenpfand eine zusätzliche Zahlung der Kunden ohne zusätzliche Leistung des Mobil­funk­an­bieters erreicht werden soll. Dem liegt die realistische Erwartung zu Grunde, dass Kunden sich in einer Vielzahl von Fällen nicht wegen eines Betrages von 9,97 Euro die Mühe machen, die Vertrags­be­din­gungen herauszusuchen, ihre Rechte in Bezug auf das Pfand nachzulesen und sich um die Rücksendung der SIM-Karte per Post zu kümmern.

Anspruch auf Gewin­n­ab­schöpfung

Das Gericht sieht einen Anspruch auf Gewinnabschöpfung zu Gunsten des Bundes­haus­haltes für den Zeitraum vom 01.06.2011 bis zum 31.07.2012 als gegeben an (§ 10 UWG). Mit der Verwendung der unwirksamen Klausel über die Erhebung einer "Nicht­nut­zer­gebühr" hat der Mobil­funk­an­bieter vorsätzlich eine unzulässige geschäftliche Handlung vorgenommen und hierdurch zulasten einer Vielzahl von Kunden Gewinn erzielt. Das vorsätzliche Handeln (bedingter Vorsatz) ergibt sich daraus, dass der Mobil­funk­an­bieter nach der Abmahnung durch den Verbrau­cher­schutz­verein die Klausel weiter verwendet hat, obwohl die Klausel über die "Nicht­nut­zer­gebühr" evident unwirksam ist. Es musste sich dem Mobil­funk­an­bieter geradezu aufdrängen, dass er von dem Kunden keine zusätzliche Zahlung abverlangen durfte, ohne dass er selbst irgendeine zusätzliche Leistung erbrachte oder der Kunde seinerseits gegen Vertrags­pflichten verstieß. Dass der Kunde durch den Abschluss eines Mobil­funk­ver­trages und die Zahlung einer monatlichen Grundgebühr nur das Recht zum Telefonieren erwirbt, nicht aber dazu verpflichtet wird, bedarf keiner weiteren Ausführungen.

Quelle: ra-online, Oberlandesgericht Schleswig (pm/pt)

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