Thüringer Oberverwaltungsgericht Urteil11.09.2019
Gebäudeähnliche Wirkung eines Mobilfunkmastes wegen optischer Dominanz gegenüber NachbargrundstückenMobilfunkmast muss Abstandsflächen einhalten
Von einem etwa 30 m hohen und bis zu ca. 1 m breiten Mobilfunkmast kann aufgrund seiner optischen Dominanz gegenüber der Nachbargrundstücke eine gebäudeähnliche Wirkung ausgehen. Aus diesem Grund muss der Mobilfunkmast zu anderen Gebäuden die nach der Bauordnung erforderlichen Abstandsflächen einhalten. Dies hat das Thüringer Oberverwaltungsgericht entschieden.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Dezember 2012 beantragte ein Mobilfunkunternehmen die Genehmigung zur Errichtung eines Mobilfunkmastes in Jena. Der Mast sollte auf einem am Völklinger Stieg gelegenen Grundstück gebaut werden, welches am Rand einer Wochenendhaussiedlung lag. Der Mast sollte eine Höhe von etwa 30 m und eine Breite von fast 1 m aufweisen. Zudem lag zwischen dem Fuß des Mastes und des nächstgelegenen mit einem Wochenendhaus bebauten Grundstücks ein Abstand von ca. 10 m. Die zuständige Behörde lehnte den Antrag auf die Baugenehmigung ab. Ihrer Meinung nach gehe von dem Mobilfunkmast eine gebäudeähnliche Wirkung aus und halte daher die nach § 6 der Bauordnung Thüringen erforderlichen Abstandsflächen nicht ein. Das Mobilfunkunternehmen akzeptierte dies nicht und erhob daher Klage.
Verwaltungsgericht gibt Klage statt
Das Verwaltungsgericht Gera gab der Klage statt. Die Baugenehmigung müsse seiner Auffassung nach erteilt werden. Von dem Mobilfunkmast gehe keine gebäudeähnliche Wirkung aus, so dass die Abstandsflächen nicht eingehalten werden müssen. Das Erscheinungsbild des Mastes wirke vergleichsweise schlank. Gegen diese Entscheidung richtete sich die Berufung der Eigentümer des Nachbargrundstücks.
Oberverwaltungsgericht verneint Anspruch auf Baugenehmigung
Das Thüringer Oberverwaltungsgericht entschied zu Gunsten der Grundstückseigentümer und hob daher die Entscheidung des Verwaltungsgerichts auf. Von dem Mobilfunkmast gehe eine gebäudegleiche Wirkung aus. Zwar sei der Mast nicht mit einer Beeinträchtigung des Brandschutzes, der Belichtung, Besonnung und Belüftung der Nachbargrundstücke verbunden. Auch komme es nicht zu einer verstärkten Einsichtnahmemöglichkeit auf die umliegenden Grundstücke. Jedoch sei zu beachten, dass der Mast aufgrund seiner massiven Bauweise und seiner Höhe als ein die Umgebung optisch beherrschendes Bauwerk wahrgenommen werde.
Beeinträchtigung des sozialen Friedens aufgrund optischer Dominanz des Mastes
Der Mast wäre aufgrund seiner optischen Dominanz gegenüber der Nachbargrundstücke ähnlich wie ein Gebäude geeignet, so das Oberverwaltungsgericht, den sozialen Frieden zwischen den Nachbarn zu beeinträchtigen. Der nachbarliche Wohnfriede werde gefährdet, wenn eine Anlage errichtet wird, die aufgrund ihrer Massivität und Höhe allein durch ihr deutlich wahrnehmbares Erscheinungsbild auf die Nachbargrundstücke einwirkt und als störend empfunden wird.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 09.03.2020
Quelle: Thüringer Oberverwaltungsgericht, ra-online (vt/eingesandt durch RA Silvio Kuske/rb)