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Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Urteil14.09.2010
OVG Rheinland-Pfalz: Ruhegehalt eines ehemaligen Bürgermeisters kann bei Schuldunfähigkeit nicht aberkannt werden„Im Zweifel für den Angeklagten”
Einem ehemaligen Bürgermeister, der zahlreiche schwerwiegende Dienstvergehen begangen hat, bei dem jedoch aufgrund einer Alkoholerkrankung eine Schuldunfähigkeit nicht auszuschließen ist, kann nicht das Ruhegehalt aberkannt werden. Dies entschied das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz.
Im zugrunde liegenden Streitfall wurde der Beklagte im Jahre 2000 zum hauptamtlichen Bürgermeister der Verbandsgemeinde Neumagen-Drohn gewählt und 2006 vor Ablauf seiner Amtszeit abgewählt. In der von der Aufsichtsbehörde erhobenen Disziplinarklage wurde dem Beklagten neben anderen Verfehlungen vorgeworfen, in einem Rettungswagen eine Rettungsassistentin verletzt und mehrfach missbräuchlich den Notruf betätigt zu haben. Des Weiteren habe er einen Mitarbeiter veranlasst, während einer Sitzung mit einem Handy Tonaufzeichnungen vorzunehmen. Ferner habe er rechtswidrig die Anweisung erteilt, Städtebauförderungsmittel an einen Mitarbeiter der Verbandsgemeinde auszuzahlen. Dem Beklagten wurde auch vorgeworfen, Post, welche an die Gemeindekasse und an eine Mitarbeiterin der Verbandsgemeindeverwaltung persönlich gerichtet gewesen sei, unbefugt geöffnet zu haben. Kurz vor seiner Abwahl habe er ohne Ausschreibung und Beschluss des Verbandsgemeinderates einen Mietvertrag über mehrere Bürogeräte mit einem Finanzvolumen von ca. 122.000 Euro abgeschlossen. Schließlich habe er, ohne hierzu berechtigt gewesen zu sein, in das gegen ihn gerichtete Abwahlverfahren eingegriffen. Das Verwaltungsgericht hat dem Beklagten wegen schwerwiegender Dienstvergehen das Ruhegehalt aberkannt. Auf der Grundlage des im Berufungsverfahren eingeholten psychiatrischen Gutachtens über die Schuldfähigkeit des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht die Disziplinarklage abgewiesen.
OVG geht zu Gunsten des Beschuldigten von Schuldunfähigkeit aus
Zwar habe der Beklagte zahlreiche schwerwiegende Dienstvergehen begangen. Denn sein Fehlverhalten stelle einen Verstoß gegen die beamtenrechtliche Pflicht dar, rechtmäßig zu handeln. Außerdem habe er sich innerhalb und außerhalb des Dienstes mehrfach achtungs- und vertrauensunwürdig verhalten. Deshalb wäre ihm das Ruhegehalt abzuerkennen, weil ein noch im Dienst befindlicher Beamter unter den gleichen Umständen aus dem Dienst hätte entfernt werden müssen. Jedoch könne gegen den Beklagten trotz der erheblichen Schwere der von ihm begangenen Dienstvergehen keine Disziplinarmaßnahme verhängt werden. Nach den Feststellungen des Gutachters habe der Beklagte bei den Pflichtverstößen teilweise unter erheblicher Alkoholisierung gestanden. Im Übrigen leide er seit 2003 an einer Alkoholerkrankung, die zu hirnorganischen Wesensveränderungen geführt habe. Hieraus habe der Gutachter nachvollziehbar gefolgert, dass die Aufhebung des Steuerungsvermögens des Beklagten bei den von ihm begangenen Dienstpflichtverletzungen nicht ausgeschlossen sei. Deshalb müsse zu seinen Gunsten von einer Schuldunfähigkeit ausgegangen werden. Dies schließe nach dem auch im Disziplinarverfahren anzuwendenden Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten” eine disziplinarrechtliche Ahndung des Fehlverhaltens des Beklagten zwingend aus.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 28.09.2010
Quelle: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz/ra-online
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