15.11.2024
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Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Urteil14.09.2010

OVG Rheinland-Pfalz: Ruhegehalt eines ehemaligen Bürgermeisters kann bei Schul­d­un­fä­higkeit nicht aberkannt werden„Im Zweifel für den Angeklagten”

Einem ehemaligen Bürgermeister, der zahlreiche schwerwiegende Dienstvergehen begangen hat, bei dem jedoch aufgrund einer Alkoho­le­r­krankung eine Schul­d­un­fä­higkeit nicht auszuschließen ist, kann nicht das Ruhegehalt aberkannt werden. Dies entschied das Oberver­wal­tungs­gericht Rheinland-Pfalz.

Im zugrunde liegenden Streitfall wurde der Beklagte im Jahre 2000 zum hauptamtlichen Bürgermeister der Verbands­ge­meinde Neumagen-Drohn gewählt und 2006 vor Ablauf seiner Amtszeit abgewählt. In der von der Aufsichts­behörde erhobenen Diszi­pli­na­rklage wurde dem Beklagten neben anderen Verfehlungen vorgeworfen, in einem Rettungswagen eine Rettung­s­as­sis­tentin verletzt und mehrfach missbräuchlich den Notruf betätigt zu haben. Des Weiteren habe er einen Mitarbeiter veranlasst, während einer Sitzung mit einem Handy Tonauf­zeich­nungen vorzunehmen. Ferner habe er rechtswidrig die Anweisung erteilt, Städte­bau­för­de­rungs­mittel an einen Mitarbeiter der Verbands­ge­meinde auszuzahlen. Dem Beklagten wurde auch vorgeworfen, Post, welche an die Gemeindekasse und an eine Mitarbeiterin der Verbands­ge­mein­de­ver­waltung persönlich gerichtet gewesen sei, unbefugt geöffnet zu haben. Kurz vor seiner Abwahl habe er ohne Ausschreibung und Beschluss des Verbands­ge­mein­derates einen Mietvertrag über mehrere Bürogeräte mit einem Finanzvolumen von ca. 122.000 Euro abgeschlossen. Schließlich habe er, ohne hierzu berechtigt gewesen zu sein, in das gegen ihn gerichtete Abwahlverfahren eingegriffen. Das Verwal­tungs­gericht hat dem Beklagten wegen schwerwiegender Dienstvergehen das Ruhegehalt aberkannt. Auf der Grundlage des im Berufungs­ver­fahren eingeholten psychiatrischen Gutachtens über die Schuldfähigkeit des Beklagten hat das Oberver­wal­tungs­gericht die Diszi­pli­na­rklage abgewiesen.

OVG geht zu Gunsten des Beschuldigten von Schul­d­un­fä­higkeit aus

Zwar habe der Beklagte zahlreiche schwerwiegende Dienstvergehen begangen. Denn sein Fehlverhalten stelle einen Verstoß gegen die beamten­rechtliche Pflicht dar, rechtmäßig zu handeln. Außerdem habe er sich innerhalb und außerhalb des Dienstes mehrfach achtungs- und vertrau­en­s­un­würdig verhalten. Deshalb wäre ihm das Ruhegehalt abzuerkennen, weil ein noch im Dienst befindlicher Beamter unter den gleichen Umständen aus dem Dienst hätte entfernt werden müssen. Jedoch könne gegen den Beklagten trotz der erheblichen Schwere der von ihm begangenen Dienstvergehen keine Disziplinarmaßnahme verhängt werden. Nach den Feststellungen des Gutachters habe der Beklagte bei den Pflicht­ver­stößen teilweise unter erheblicher Alkoholisierung gestanden. Im Übrigen leide er seit 2003 an einer Alkoho­le­r­krankung, die zu hirnorganischen Wesens­ver­än­de­rungen geführt habe. Hieraus habe der Gutachter nachvollziehbar gefolgert, dass die Aufhebung des Steue­rungs­ver­mögens des Beklagten bei den von ihm begangenen Dienst­pflicht­ver­let­zungen nicht ausgeschlossen sei. Deshalb müsse zu seinen Gunsten von einer Schuldunfähigkeit ausgegangen werden. Dies schließe nach dem auch im Diszi­pli­na­r­ver­fahren anzuwendenden Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten” eine diszi­pli­nar­rechtliche Ahndung des Fehlverhaltens des Beklagten zwingend aus.

Quelle: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz/ra-online

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