18.10.2024
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Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Urteil23.11.2007

Justiz­voll­zugs­beamter muss Land Schaden wegen ausgebrochenem Gefangenen ersetzenBeamter haftet wegen Mitverschulden an Ausbruch

Durchsucht ein Justiz­voll­zugs­beamter einen Gefangenen entgegen der ausdrücklichen dienstlichen Anordnung nicht ordnungsgemäß und wird hierdurch ein Ausbruch aus einer Justiz­voll­zugs­anstalt ermöglicht, ist der Beamte dem Dienstherrn zum (anteiligen) Ersatz des hierdurch entstandenen Schadens verpflichtet. Dies entschied das Oberver­wal­tungs­gericht Rheinland-Pfalz in Koblenz.

Der Beklagte war bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand wegen Dienst­un­fä­higkeit als Justiz­voll­zugs­beamter in der Justiz­voll­zugs­anstalt Trier tätig. Dort befand sich seit dem 13. Januar 2000 der Unter­su­chungs­ge­fangene Muhamed Agovic, der mit Urteil des Landgerichts Trier vom 15. September 2000 wegen Mordes, räuberischer Erpressung mit Todesfolge und gefährlicher Körper­ver­letzung zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Da Agovic in der Vergangenheit bereits dreimal aus Haftanstalten ausgebrochen war, wurden ihm gegenüber besondere Sicher­heits­maß­nahmen angeordnet. Sie beinhalteten unter anderem das Absonden und Abtasten beim Verlassen und vor jedem Betreten des Haftraums.

Während des Hofgangs am 28. Dezember 2000 übergab eine Justiz­voll­zugs­beamtin Agovic einen Revolver, einen Fäustel und einen Bolzenschneider. Am 30. Dezember hatte der Beklagte die Aufgabe, Agovic vor dem Hofgang zu durchsuchen. Als Agovic nach dem Hofgang in seine Zelle zurückgebracht werden sollte, bedrohte er den Beklagten und einen weiteren Vollzugsbeamten mit der Pistole, ließ sich die Zellenschlüssel aushändigen und öffnete die Zelle eines weiteren Gefangenen. Beiden gelang die Flucht. Der Beklagte und sein Kollege erlitten aufgrund der Bedrohung posttrau­ma­tische Belas­tungs­stö­rungen, welche als Dienstunfall anerkannt wurden.

Auf die Klage der beiden Beamten verurteilte das Oberlan­des­gericht Koblenz das Land Rheinland-Pfalz, ihnen Schmerzensgeld zu zahlen und alle aufgrund der Bedrohung am 30. Dezember 2000 in Zukunft noch entstehenden Schäden zu ersetzen. Der vom Beklagten geltend gemachte Anspruch wurde ihm allerdings nur in Höhe von 60 % zugesprochen. Im Übrigen treffe ihn ein Mitverschulden, da er den Gefangenen Agovic vor dem Hofgang am 30. Dezember 2000 nicht ordnungsgemäß durchsucht habe. Daraufhin verklagte das Land den Beklagten auf Ersatz von 40 % der Aufwendungen, die ihm für den Kollegen des Beklagten wegen der bei dem Ausbruch erlittenen Gesund­heits­be­ein­träch­ti­gungen entstanden sind und in Zukunft entstehen werden. Das Verwal­tungs­gericht gab der Klage statt. Das Oberver­wal­tungs­gericht bestätigte diese Entscheidung.

Dem Gefangene Agovic sei es am 28. Dezember 2007 gelungen, die ihm zuvor übergebene Pistole, den Bolzenschneider und Fäustel in seine Zelle zu bringen. Am 30. Dezember 2000 habe er beim Verlassen seiner Zelle Waffe und Ausbruchs­werkzeuge am Körper getragen. Hieraus folge zugleich die grob fahrlässige Verletzung der dem Beklagten obliegenden Dienstpflicht, Agovic vor dem Hofgang am 30. Dezember 2000 ordnungsgemäß zu durchsuchen. Denn wäre er dieser Pflicht mit der erforderlichen Sorgfalt nachgekommen, hätte er Waffe und Ausbruchs­werkzeuge angesichts ihrer Größe gefunden. Das Land müsse sich allerdings zugunsten des Beklagten eigenes Verschulden anrechnen lassen, da ihm Organi­sa­ti­o­ns­mängel bei der Gewährleistung der Sicherheit in der JVA Trier unterlaufen seien. Soweit sie den Ausbruch der Gefangenen begünstigt hätten, sei dies durch die Anerkennung eines Mitver­schul­den­santeils in Höhe von 60 % angemessen berücksichtigt worden.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 60/07 des OVG Rheinland-Pfalz vom 13.12.2007

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