Der Beklagte war bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit als Justizvollzugsbeamter in der Justizvollzugsanstalt Trier tätig. Dort befand sich seit dem 13. Januar 2000 der Untersuchungsgefangene Muhamed Agovic, der mit Urteil des Landgerichts Trier vom 15. September 2000 wegen Mordes, räuberischer Erpressung mit Todesfolge und gefährlicher Körperverletzung zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Da Agovic in der Vergangenheit bereits dreimal aus Haftanstalten ausgebrochen war, wurden ihm gegenüber besondere Sicherheitsmaßnahmen angeordnet. Sie beinhalteten unter anderem das Absonden und Abtasten beim Verlassen und vor jedem Betreten des Haftraums.
Während des Hofgangs am 28. Dezember 2000 übergab eine Justizvollzugsbeamtin Agovic einen Revolver, einen Fäustel und einen Bolzenschneider. Am 30. Dezember hatte der Beklagte die Aufgabe, Agovic vor dem Hofgang zu durchsuchen. Als Agovic nach dem Hofgang in seine Zelle zurückgebracht werden sollte, bedrohte er den Beklagten und einen weiteren Vollzugsbeamten mit der Pistole, ließ sich die Zellenschlüssel aushändigen und öffnete die Zelle eines weiteren Gefangenen. Beiden gelang die Flucht. Der Beklagte und sein Kollege erlitten aufgrund der Bedrohung posttraumatische Belastungsstörungen, welche als Dienstunfall anerkannt wurden.
Auf die Klage der beiden Beamten verurteilte das Oberlandesgericht Koblenz das Land Rheinland-Pfalz, ihnen Schmerzensgeld zu zahlen und alle aufgrund der Bedrohung am 30. Dezember 2000 in Zukunft noch entstehenden Schäden zu ersetzen. Der vom Beklagten geltend gemachte Anspruch wurde ihm allerdings nur in Höhe von 60 % zugesprochen. Im Übrigen treffe ihn ein Mitverschulden, da er den Gefangenen Agovic vor dem Hofgang am 30. Dezember 2000 nicht ordnungsgemäß durchsucht habe. Daraufhin verklagte das Land den Beklagten auf Ersatz von 40 % der Aufwendungen, die ihm für den Kollegen des Beklagten wegen der bei dem Ausbruch erlittenen Gesundheitsbeeinträchtigungen entstanden sind und in Zukunft entstehen werden. Das Verwaltungsgericht gab der Klage statt. Das Oberverwaltungsgericht bestätigte diese Entscheidung.
Dem Gefangene Agovic sei es am 28. Dezember 2007 gelungen, die ihm zuvor übergebene Pistole, den Bolzenschneider und Fäustel in seine Zelle zu bringen. Am 30. Dezember 2000 habe er beim Verlassen seiner Zelle Waffe und Ausbruchswerkzeuge am Körper getragen. Hieraus folge zugleich die grob fahrlässige Verletzung der dem Beklagten obliegenden Dienstpflicht, Agovic vor dem Hofgang am 30. Dezember 2000 ordnungsgemäß zu durchsuchen. Denn wäre er dieser Pflicht mit der erforderlichen Sorgfalt nachgekommen, hätte er Waffe und Ausbruchswerkzeuge angesichts ihrer Größe gefunden. Das Land müsse sich allerdings zugunsten des Beklagten eigenes Verschulden anrechnen lassen, da ihm Organisationsmängel bei der Gewährleistung der Sicherheit in der JVA Trier unterlaufen seien. Soweit sie den Ausbruch der Gefangenen begünstigt hätten, sei dies durch die Anerkennung eines Mitverschuldensanteils in Höhe von 60 % angemessen berücksichtigt worden.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 17.12.2007
Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 60/07 des OVG Rheinland-Pfalz vom 13.12.2007