21.11.2024
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Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Urteil23.06.2020

Kinder von Grenzgängern haben Anspruch auf Übernahme der Schüler­beförderungs­kostenAusschluss der Kostenübernahme nach rheinland-pfälzischem Schulgesetz ist europa­rechts­widrig

Die Beschränkung der Übernahme von Schüler­beförderungs­kosten auf solche Kinder, die ihren Wohnsitz in Rheinland-Pfalz haben, ist europa­rechts­widrig, soweit Kinder sog. Grenzgänger betroffen sind. Hierunter versteht man EU-Bürger, die ihren Wohnsitz im EU-Ausland haben, aber in Deutschland arbeiten. Der Landkreis muss daher diese Kosten nach den für Rheinland-Pfälzer geltenden Regelungen übernehmen, wenn ihre Kinder eine Schule im Landkreis besuchen. Dies entschied das Ober­verwaltungs­gericht Rheinland-Pfalz.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Beteiligten stritten um die Pflicht des beklagten Landkreises, den Klägern die Schülerbeförderungskosten für das Schuljahr 2015/2016 zu erstatten. Die Kläger besuchten im betreffenden Schuljahr die 7. bzw. die 10. Klassenstufe einer Realschule plus im beklagten Landkreis. Sie sind - wie ihre Eltern - deutsche Staats­an­ge­hörige, die Familie wohnt in Wissembourg/Frankreich. Die Mutter der Kläger war während des gesamten Schuljahres 2015/2016 als Angestellte in Deutschland tätig.

Landkreis übernahm Schüler­be­för­de­rungs­kosten nur für Schüler mit Wohnsitz in Rheinland-Pfalz

Der beklagte Landkreis verweigerte die in den vorherigen Schuljahren noch gewährte Übernahme der Schüler­be­för­de­rungs­kosten unter Hinweis darauf, das rheinland-pfälzische Schulgesetz weise den Landkreisen die Schüler­be­för­derung ausdrücklich nur für diejenigen Schülerinnen und Schüler zu, die ihren Wohnsitz in Rheinland-Pfalz hätten. Die Kläger machten dagegen vor allem geltend, dieses Wohnsit­zer­for­dernis stelle europarechtlich eine unzulässige Diskriminierung dar.

EuGH: Wohnsit­zer­for­dernis stellt eine nicht gerechtfertigte Diskriminierung von Kindern sog. Grenzarbeiter dar

Das Verwal­tungs­gericht gab der Klage statt, da eine europa­rechts­widrige (mittelbare) Diskriminierung der Kläger vorliege. Hiergegen richtete sich die von dem beklagten Landkreis beim Oberver­wal­tungs­gericht eingelegte Berufung. Auf eine Vorlage des Oberver­wal­tungs­ge­richts hin urteilte der Europäische Gerichtshof am 2. April 2020 (Az.: Rs. C-830/18), dass das Wohnsit­zer­for­dernis eine nicht gerechtfertigte Diskriminierung von Kindern sog. Grenzarbeiter darstelle.

OVG weist Berufung des Landkreises zurück

Das Oberver­wal­tungs­gericht wies die Berufung des beklagten Landkreises nunmehr zurück und bestätigte damit das Urteil des Verwal­tungs­ge­richts. Der Senat sei an die von dem Europäischen Gerichtshof im Vorab­ent­schei­dungs­ver­fahren vorgenommene Auslegung des Unionsrechts (Art. 7 Abs. 2 der Verordnung [EU] Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union) bei der Entscheidung über den Ausgangs­rechtsstreit gebunden. Danach stelle eine nationale Rechts­vor­schrift, die die Übernahme der Schüler­be­för­derung durch ein Bundesland von der Voraussetzung eines Wohnsitzes in diesem Bundesland abhängig mache, eine mittelbare Diskriminierung dar, da sie sich ihrem Wesen nach eher auf Grenz­a­r­beit­nehmer als auf inländische Arbeitnehmer auswirken könne.

Wohnsit­zer­for­dernis im rheinland-pfälzischen Schulgesetz unions­rechts­widrig

Auch praktische Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der effizienten Organisation der Schüler­be­för­derung in einem Bundesland stelle, wie der EuGH weiter geurteilt habe, keinen zwingenden Grund des Allge­mein­in­teresses dar, der eine als mittelbare Diskriminierung eingestufte nationale Maßnahme rechtfertigen könne. Deshalb sei, so das Oberver­wal­tungs­gericht, das Wohnsit­zer­for­dernis, wie es im rheinland-pfälzischen Schulgesetz normiert sei, insoweit als unions­rechts­widrig einzustufen. Es stelle eine nicht gerechtfertigte mittelbare Diskriminierung von Kindern von Grenz­a­r­beit­nehmern dar.

Schüler­be­för­de­rungs­kosten müssen übernommen werden

Die gewährte Vergünstigung sei daher, wie auch bereits das Verwal­tungs­gericht zutreffend entschieden habe, bis zu einer gesetzlichen Neuregelung auf die Mitglieder der europa­rechts­widrig benachteiligten Gruppe, der die Kläger als Kinder von Grenzgängern angehören, zu erstrecken und die Schüler­be­för­de­rungs­kosten daher zu übernehmen.

Quelle: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, ra-online (pm/ab)

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