15.11.2024
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Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen Urteil12.09.2014

Beamte können in finanziellen Härtefällen Beihilfe für nicht verschreibungs­pflichtige Arzneimittel beanspruchenErfor­der­lichkeit einer festzulegenden Härte­fa­ll­re­gelung ergibt sich aus Fürsorgepflicht des Dienstherrn

Das Ober­verwaltungs­gericht Nordrhein-Westfalen hat entschieden, dass nordrhein-westfälische Beamte in finanziellen Härtefällen Beihilfe für nicht verschreibungs­pflichtige, medizinisch notwendige Arzneimittel beanspruchen können.

Geklagt hatten zwei Landesbeamte im Ruhestand, die an einer Vielzahl von Erkrankungen leiden und in den Jahren 2008 bis 2010 hohe Beträge u.a. für von ihren Ärzten verordnete, aber nicht verschrei­bungs­pflichtige Arzneimittel aufwendeten. Gegenüber dem beklagten Land machten sie das Vorliegen eines Härtefalls geltend und beanspruchten Beihil­fe­leis­tungen, soweit ihre Aufwendungen 1 % ihres jeweiligen Vorjah­res­ein­kommens überstiegen. Das Land lehnte die Ansprüche ab, weil die beanspruchte Härte­fa­ll­re­gelung im nordrhein-westfälischen Beihilferecht nicht vorgesehen sei.

Verwal­tungs­gericht bejaht Anspruch auf Beihil­fe­leis­tungen

In erster Instanz verpflichtete das Verwal­tungs­gericht das Land zur Gewährung von Beihil­fe­leis­tungen, soweit die Aufwendungen für ärztlich verordnete nicht verschrei­bungs­pflichtige Arzneimittel 2 % des jeweiligen Vorjah­res­ein­kommens überstiegen; die weitergehende Klage blieb erfolglos.

Bei Aufwendungen von mehr als 2 % des Vorjah­res­ein­kommens für Behandlung von Erkrankungen liegt Härtefall vor

Die hiergegen ausschließlich von dem beklagten Land eingelegten Berufungen wies das Oberver­wal­tungs­gericht nunmehr zurück. Dabei stütze sich das Gericht maßgeblich auf folgende Erwägungen: Die Beihil­fen­ver­ordnung NRW (BVO NRW) schließt Beihilfen für nicht verschrei­bungs­pflichtige Arzneimittel ausdrücklich aus, was grundsätzlich nicht zu beanstanden sei. Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht habe aber seit dem Jahr 2008 für das Bundes­bei­hil­ferecht mehrfach entschieden, dass der Ausschluss nicht verschrei­bungs­pflichtiger, medizinisch notwendiger Arzneimittel von der Beihil­fe­fä­higkeit nur dann rechtmäßig ist, wenn in finanziellen Härtefällen, d.h. jenseits einer nach abstrakt-generellen Kriterien zu bestimmenden Belas­tungs­grenze Beihilfe gezahlt werde. Die Erfor­der­lichkeit einer normativ festzulegenden Härte­fa­ll­re­gelung ergebe sich aus der in Art. 33 Abs. 5 des Grundgesetzes verankerten Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Härtefälle liegen nach der Rechtsprechung des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts vor, wenn Beamte mehr als 2 % ihres Vorjah­res­ein­kommens für die Behandlung von Erkrankungen aufwenden, bei chronisch Kranken liege die Grenze bei 1 % des Vorjah­res­ein­kommens.

Beihilferecht des Landes genügt den Anforderungen der verfas­sungs­recht­lichen Fürsorgepflicht nicht vollständig

Diese Rechtsprechung des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts hat das Oberver­wal­tungs­gericht für die 2 %-Grenze auf das nordrhein-westfälische Beihilferecht im Wesentlichen mit der Begründung übertragen, die Anforderungen der verfas­sungs­recht­lichen Fürsorgepflicht gälten in Nordrhein-Westfalen ebenso wie im Bund. Das Beihilferecht des Landes genüge diesen Anforderungen nicht vollständig. Es sehe zwar einige Rückausnahmen vor, bei deren Vorliegen Beihilfe auch für nicht verschrei­bungs­pflichtige Arzneimittel gewährt werde. Diese knüpften jedoch ähnlich den für das Bundes­bei­hil­ferecht geltenden Rückausnahmen nicht an eine aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn abzuleitende finanzielle Belas­tungs­grenze an. Die seit 2010 in § 77 Abs. 9 des Landes­be­am­ten­ge­setzes vorgesehene Härte­fa­ll­re­gelung, wonach die Kosten­dämp­fungs­pau­schale und gewisse Eigenbehalte die Belas­tungs­grenze in Höhe von 2 % des Vorjah­res­ein­kommens nicht übersteigen dürfen, sei nicht abschließend zu verstehen. Sie stehe deshalb einer Einbeziehung der Aufwendungen für nicht verschrei­bungs­pflichtige Arzneimittel nicht entgegen. Die Frage einer 1 %-Grenze bei chronisch kranken Beamten war vom Oberver­wal­tungs­gericht nicht zu entscheiden, weil die Kläger dieses Begehren im Berufungs­ver­fahren nicht weiter verfolgt haben.

Quelle: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen/ra-online

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