21.11.2024
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Urteil25.09.2023Oberverwaltungsgericht Münster12 A 1659/21
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Oberverwaltungsgericht Münster Urteil25.09.2023

Syrischer Flüchtlings hat nach Wechsel des Studiengangs Anspruch auf BAföGFluchtbedingter Fachrich­tungs­wechsel ist unabweisbarer Grund

Ein aus Syrien stammender Flüchtling, der in seinem Heimatland acht Semester lang islamische Rechts­wissenschaften studiert und nach seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland ein Studium der "Sozialen Arbeit" aufgenommen hat, kann dafür Ausbil­dungs­för­derung beanspruchen. Das hat das Ober­verwaltungs­gericht entschieden und damit das vorangegangene Urteil des Verwal­tungs­ge­richts Münster geändert.

Das im Jahre 2011 aufgenommene rechts­wis­sen­schaftliche Studium des Klägers an einer Hochschule in Damaskus endete ohne Abschluss mit seiner bürger­kriegs­be­dingten Flucht im Jahre 2015. In Deutschland wurde dem Kläger die Flücht­lings­ei­gen­schaft zuerkannt. Nach erfolgreichem Absolvieren von Deutschkursen nahm er im Jahre 2018 das Studium der "Sozialen Arbeit" an einer Fachhochschule in Münster auf. Das Studie­ren­denwerk lehnte seinen Antrag auf Ausbil­dungs­för­derung mit der Begründung ab, wegen seines mehrjährigen, nicht abgeschlossenen Studiums in Syrien komme eine Förderung der nunmehr begonnenen anderen Ausbildung nur bei Vorliegen eines unabweisbaren Grundes für den Fachrichtungswechsel in Betracht. An einem solchen Grund fehle es. Der Kläger müsse sich an seiner im Heimatland getroffenen Ausbildungswahl festhalten lassen, da ein rechts­wis­sen­schaft­liches Studium auch in Deutschland angeboten werde. Das Verwal­tungs­gericht wies die gegen die Antrags­ab­lehnung gerichtete Klage ab.

Fachrich­tungs­wechsel notwendig

Die Berufung des Klägers hatte Erfolg. Das nicht zum Abschluss gebrachte Studium der Rechts­wis­sen­schaften in Syrien ist förde­rungs­rechtlich als Erstausbildung des Klägers zu berücksichtigen. Mit der späteren Aufnahme des Studiums der Sozialen Arbeit in Deutschland hat der Kläger einen Fachrich­tungs­wechsel vollzogen. Dass er seine im Heimatland begonnene Hochschul­aus­bildung fluchtbedingt endgültig aufgegeben hat, ist nicht erkennbar. Der Fachrich­tungs­wechsel des Klägers beruhte auch auf einem für die Förderfähigkeit der anderen Ausbildung notwendigen unabweisbaren Grund. Ein solcher Grund erfordert Umstände, welche die Wahl zwischen der Fortsetzung der bisherigen Ausbildung und dem Überwechseln in eine andere Fachrichtung nicht zulassen. Im Fall des Klägers war ein Wechsel der Fachrichtung bei Fortführung der Hochschul­aus­bildung in Deutschland unausweichlich. Das gilt vor allem auch mit Blick auf die unterstellte Möglichkeit der Aufnahme eines Jurastudiums in Deutschland. Von einer "Fortsetzung der bisherigen Ausbildung" im vorgenannten Sinne kann nur die Rede sein, wenn die fortgeführte Ausbildung derselben Fachrichtung zuzuordnen ist wie die bisher/vormals betriebene Ausbildung.

Unter­schiedliche Ausbil­dungs­inhalte schließen Anrechnung bereits erbrachter Studien­leis­tungen aus

Ein Studium der Rechts­wis­sen­schaften an einer deutschen Universität fiele aber offensichtlich in eine andere Fachrichtung als die rechts­wis­sen­schaftliche Ausbildung, welche der Kläger an der Hochschule in Syrien betrieben hat. Die diametrale Unter­schied­lichkeit der Rechtssysteme und -ordnungen beider Länder bildet sich auch in den jeweiligen rechts­wis­sen­schaft­lichen Studiengängen ab. Allein daraus, dass die Studiengänge abstrakt dem gleichen Wissen­schafts­gebiet zuzuordnen sind und nach erfolgreichem Abschluss eine Tätigkeit wohl in gleichen juristischen Berufsfeldern - einerseits in Syrien, andererseits in Deutschland - ermöglichen, folgt nicht, dass ein in Syrien betriebenes Studium der Rechts­wis­sen­schaften in Deutschland "fortgeführt" werden könnte. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass Studierende mit (weit) voran­ge­schrittenem Ausbil­dungsstand sich förde­rungs­un­schädlich nur unter den engen Voraussetzungen des "unabweisbaren Grundes" von seinem ursprünglichen Ausbildungsziel lösen und einer anderen Ausbildung zuwenden können. Allerdings beruht diese Vorstellung auf der Annahme, dass die begonnene Ausbildung auch tatsächlich in der Weise fortgeführt werden kann, dass sie auf bereits vermittelten Ausbil­dungs­in­halten aufbaut und einen dementsprechend zeitgerechten Abschluss erwarten lässt. Daran fehlt es, wenn die angebotene Ausbildung - wie hier der Studiengang der Rechts­wis­sen­schaften an einer deutschen Universität - lediglich eine gleiche (oder ähnliche) Bezeichnung trägt und zu einer allenfalls "artverwandten" Qualifikation führt wie die Erstausbildung, sich aber inhaltlich vollkommen von dieser unterscheidet und folglich keinerlei Anrechnung bereits erbrachter Studien­leis­tungen ermöglicht. Als anerkannter Flüchtling ist der Kläger auch nicht darauf zu verweisen, das in seinem Heimatland aufgenommene Studium der islamischen Rechts­wis­sen­schaften dort zum Abschluss zu bringen. Das OVG hat die Revision zum Bundes­ver­wal­tungs­gericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

Quelle: Oberverwaltungsgericht Münster, ra-online (pm/ab)

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