Dokument-Nr. 30833
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Oberverwaltungsgericht Lüneburg Beschluss15.09.2021
Keine vorläufige Außervollzugsetzung der Maskenpflicht im Allgemeinen und in SchulenMaskenpflicht weiterhin notwendige Infektionsschutzmaßnahme
Das Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht hat in mehreren Normenkontrolleilverfahren eine vorläufige Außervollzugsetzung der Regelungen der Niedersächsischen Corona-Verordnung betreffend die Maskenpflicht im Allgemeinen und in Schulen abgelehnt.
Im Verfahren 13 MN 369/21 hatte sich ein in der niedersächsischen Landeshauptstadt lebender Bürger gegen die Pflicht zum Tragen einer medizinischen Maske als Mund-Nasen-Bedeckung in geschlossenen Räumen, die öffentlich oder im Rahmen eines Besuchs- oder Kundenverkehrs zugänglich sind, und in Verkehrsmitteln des Personenverkehrs sowie den dazugehörigen Einrichtungen in geschlossenen Räumen nach § 4 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung (in der Fassung vom 24.8.2021, im Folgenden: Corona-VO) gewandt. Er hatte insbesondere geltend gemacht, dass eine Maskenpflicht auch für Geimpfte und Genesene unverhältnismäßig in deren Freiheitsrechte eingreife.
Auch Geimpfte und Genesene könnten weiter mit dem Virus und weiter geben
Das OVG hat den Antrag abgelehnt. Die Maskenpflicht in geschlossenen Räumen und Einrichtungen, in denen sich eine Vielzahl von Personen ggf. in häufig wechselnder Zusammensetzung aufhalte, sei weiterhin eine notwendige Infektionsschutzmaßnahme. Entgegen dem Vorbringen des Antragstellers könne nicht davon ausgegangen werden, dass sich Geimpfte oder Genesene weder mit dem Coronavirus infizierten noch andere Personen damit anstecken könnten und somit die Maskenpflicht das Infektionsrisiko nicht weiter reduziere. Denn Impfung und Genesung führen nicht zu einer sog. "sterilen Immunität". Auch Geimpfte und Genesene könnten sich daher weiter mit dem Corona-Virus infizieren, die Infektion weitergeben und auch an Covid-19 erkranken.
Überlastung des Gesundheitssystems weiterhin möglich
Diese Restrisiken könnten durch Basisschutzmaßnahmen (Einhalten der AHA+L-Regeln, Selbstisolierung bei Symptomen) weiter reduziert werden. Die Maskenpflicht sei auch für Geimpfte (noch) erforderlich, um einer Überlastung des Gesundheitssystems entgegenzuwirken. Mit einer Impfquote in Niedersachsen von derzeit 63,8 % vollständig Geimpften liege diese noch in einem Bereich, in dem bei einer dynamischen Entwicklung der Infektionszahlen allein die Erkrankung einer Vielzahl Ungeimpfter und nicht vollständig Geimpfter zu einer Überlastung des Gesundheitssystems führen könne.
Eltern von Schulkindern wehren sich gegen Maskenpflicht
In den weiteren Verfahren hatten sich Schulkinder, vertreten durch ihre Eltern, gegen die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in Schulgebäuden nach § 16 Abs. 1 Satz 4 Corona-VO gewandt. Sie hatten auch gerügt, dass eine Maskenpflicht für sämtliche Jahrgänge ohne Ausnahmen insbesondere für Grundschüler unverhältnismäßig sei. Die jüngeren Schüler seien keine Pandemietreiber und auch weitestgehend von schweren Krankheitsverläufen verschont. Die steigende Impfquote bei den Erwachsenen und älteren Schülern schütze diese hinreichend. Das ganztägige Tragen einer Maske sei insbesondere für die jüngeren Schüler mit erheblichen Belastungen verbunden, die nicht hingenommen werden müssten.
Allgemein geltender Grundsatz gilt auch an Schulen
Das OVG hat auch diese Anträge abgelehnt. Der im Allgemeinen geltende Grundsatz, dass die Maskenpflicht in geschlossenen Räumen und Einrichtungen, in denen sich eine Vielzahl von Personen ggf. in häufig wechselnder Zusammensetzung aufhalte, weiterhin eine notwendige Infektionsschutzmaßnahme darstelle, sei auch auf die Schulen zu übertragen. Eine Ausnahme sei derzeit auch nicht für Grundschüler geboten. Zwar reagierten Kinder möglicherweise sensibler auf das Tragen einer Maske als Erwachsene. Auch liege es nahe, dass das längerfristige Tragen einer Maske insbesondere bei Kindern zu Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen und anderen kurzfristigen negativen Nebenwirkungen führen könne. Schwere gesundheitliche Schäden bei im Übrigen gesunden Kindern seien jedoch nicht belegt.
Besondere Belastungen für jüngere Schüler berücksichtigt
Vielmehr werde den besonderen Belastungen jüngerer Schüler hinreichend Rechnung getragen. Schülern zwischen dem vollendeten 6. und 14. Lebensjahr werde anstelle einer medizinischen Maske das Tragen jeder beliebigen anderen textilen oder textilähnlichen Bedeckung gestattet, die aufgrund ihrer Beschaffenheit eine Ausbreitung von übertragungsfähigen Tröpfchenpartikeln durch Husten, Niesen oder Aussprache verringere. Auch seien Maskenpausen während des Unterrichts vorgesehen, und es bestehe auf dem Schulgelände im Freien auch in den Unterrichtspausen keine Maskenpflicht. Im Übrigen gelte auch bei schulpflichtigen Kindern, denen aufgrund einer körperlichen, geistigen oder psychischen Beeinträchtigung oder einer Vorerkrankung das Tragen einer Mund-Nasen Bedeckung nicht zumutbar sei, bei Vorlage eines Attests oder einer vergleichbaren amtlichen Bescheinigung die Ausnahmeregelung des § 4 Abs. 5 Corona-VO.
Schutz ungeimpfte Erwachsenen allein rechtfertigt keine Maskenpflicht
Der Senat hat aber darauf hingewiesen, dass allein der Schutz der ungeimpften Erwachsenen, die durch infizierte Kinder selbst infiziert werden und schwer erkranken könnten, zur Rechtfertigung der Maskenpflicht allein nicht ausreichend sei, da für diese Erwachsenen regelmäßig die Möglichkeit bestehe, sich durch eine Impfung selbst vor schweren Erkrankungen hinreichend zu schützen. Den Schülern, für die derzeit eine Impfmöglichkeit erst ab dem vollendeten 12. Lebensjahr bestehe, dürften keine Belastungen allein zum Schutz impfunwilliger Erwachsener auferlegt werden.
Schutz des Gesundheitssystems vor einer Überlastungssituation rechtfertigt Maskenpflicht weiterhin
Allerdings bewege sich die Impfquote in Niedersachsen derzeit noch in einem Bereich, in dem allein die Erkrankung Ungeimpfter und nicht vollständig Geimpfter zu einer Überlastung des Gesundheitssystems führen könne. Eine derartige Situation könne unabhängig davon, dass Schulen nicht als "Treiber der Pandemie" bezeichnet würden, schon aufgrund der großen Zahl der schulpflichtigen Kinder entstehen, die über ihre Kontakte insbesondere im familiären Umfeld eine mögliche Infektion weitergeben könnten. Der Schutz des Gesundheitssystems vor einer Überlastungssituation sei aber nach wie vor ein legitimer Zweck, der die Ergreifung notwendiger Maßnahmen rechtfertige, wozu eine Maskenpflicht in Schulen derzeit noch zu zählen sei. Der Verordnungsgeber werde aber den weiteren Impffortschritt voranzutreiben und zu beobachten sowie die Maskenpflicht zumindest für jüngere Schüler aufzuheben haben, sobald die Gefahr einer Überlastung des Gesundheitssystems durch Weitergabe des Virus durch diese Schüler realistischerweise nicht mehr bestehe. Die Beschlüsse sind unanfechtbar.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 20.09.2021
Quelle: Oberverwaltungsgericht Lüneburg, ra-online (pm/ab)
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