21.11.2024
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Dokument-Nr. 31136

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Oberverwaltungsgericht Koblenz Urteil23.11.2021

Nachbarklage gegen Swingerclub in Koblenz erfolglosKein Verstoß gegen nachbar­schützende Normen

Die Nachbarn des Swingerclubs "Big Bamboo" und der angrenzenden Gaststätte "The Saloon Koblenz" haben keinen Anspruch auf ein gaststätten- bzw. immissions­schutzr­echtliches Einschreiten der Stadt Koblenz gegen deren Betrieb. Dies entschied das Ober­verwaltungs­gericht Rheinland-Pfalz in Koblenz.

Die Kläger, die ein Wohngebäude außerhalb der Ortslage des Koblenzer Stadtteils Stolzenfels bewohnen, sind Nachbarn der von den Beigeladenen geführten Betriebe "Big Bamboo" und "The Saloon Koblenz", die sich in einem aus zwei Häusern bestehenden Gebäudekomplex befinden. Für den Betrieb des "Big Bamboo" erteilte die Stadt Koblenz im Jahr 2002 eine gaststät­ten­rechtliche Erlaubnis als "Schank- und Speise­wirt­schaft ohne besondere Betrie­bs­ei­gen­tüm­lichkeit". Nach Erteilung einer entsprechenden Baugenehmigung für die Nutzung­s­än­derung wird das "Big Bamboo" spätestens seit Mai 2006 in erster Linie als "Swingerclub" betrieben. Die gaststät­ten­rechtliche Erlaubnis blieb jedoch zunächst unverändert. Im Jahr 2014 erteilte die Stadt Koblenz eine Gaststät­te­n­er­laubnis zur Weiterführung des ehemaligen "Coyote Ugly Koblenz" unter dem neuen Namen "The Saloon Koblenz" für den Betrieb einer "Schank­wirt­schaft mit Musikd­a­r­bie­tungen". Beide gaststät­ten­recht­lichen Erlaubnisse wurden mit der Auflage versehen, dass der vom Betrieb ausgehende Lärmpegel nicht zu einer Überschreitung des Immis­si­ons­richt­wertes von tags 55 dB(A) und nachts 40 dB(A) führen dürfe und zwar gemessen ,5 Meter vor dem vom Lärm am stärksten betroffenen Fenster des nächstgelegenen Wohnhauses.

VG gab den Klagen statt

Insbesondere seit dem Jahr 2015 beschwerten sich die Kläger wiederholt bei der Stadt Koblenz über Lärm und sonstige Belästigungen, die von den Betrieben "Big Bamboo" und "The Saloon Koblenz" ausgehen würden. Ihren Antrag vom Februar 2019 auf Einschreiten gegen die beiden Betriebe lehnte die Stadt ab, da unzumutbare Einwirkungen durch den Betrieb nicht feststellbar seien. Dies belegten die zahlreichen von ihr durchgeführten Kontrollen. Gegen die bereits erteilten Auflagen hätten die Betreiber nicht verstoßen. Nach Zurückweisung ihres Widerspruchs erhoben die Kläger Klage, mit der sie ihr auf Einschreiten gegen den Betrieb gerichtetes Begehren weiterverfolgen. Das Verwal­tungs­gericht gab den Klagen statt und verpflichtete die beklagte Stadt, geeignete gaststät­ten­rechtliche Maßnahmen zum Schutz der Kläger vor den Immissionen zu ergreifen, die von dem Gaststät­ten­betrieb der Beigeladenen ausgingen. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, der tatsächliche Betrieb des "Big Bamboo" und des "The Saloon Koblenz" sei von den bestehenden gaststät­ten­recht­lichen Erlaubnissen nicht gedeckt. Den Klägern stehe aufgrund festzu­stel­lender Lärm- und sonstiger Belästigungen auch ein subjektiver Rechtsanspruch auf ein gaststät­ten­recht­liches Einschreiten zu. Nach Erlass der Urteile erteilte die Beklagte der Beigeladenen mit Bescheid vom 22. Januar 2021 eine Änderungs­er­laubnis zum Betrieb einer "Schank- und Speise­wirt­schaft im Rahmen eines Swinger-Clubs".

OVG: Formelle Illegalität des Gaststät­ten­be­triebs reicht nicht aus

Das OVG hob die erstin­sta­nz­lichen Urteile auf und wies die Klagen ab. Der tatsächliche Betrieb der Gaststätten "Big Bamboo" und "The Saloon Koblenz" sei von der derzeit bestehenden gaststät­ten­recht­lichen Erlaubnislage zwar nicht gedeckt, in Ermangelung eines Verstoßes gegen nachbar­schützende Normen könnten die Kläger jedoch keinen Anspruch auf behördliches Tätigwerden herleiten. Für die als Swingerclub betriebene Gaststätte "Big Bamboo" sei lediglich der Betrieb einer "Schank- und Speise­wirt­schaft ohne besondere Betrie­bs­ei­gen­tüm­lichkeit" gemäß der Erlaubnis aus dem Jahr 2002 formell legitimiert. Aufgrund des Eintritts der durch den Widerspruch der Kläger gegen die Änderungs­er­laubnis vom 22. Januar 2021 ausgelösten aufschiebenden Wirkung könne die Beigeladene aus der geänderten Konzession nämlich noch keine für sie günstigen Folgen ableiten. Die tatsächliche Betriebsart des "The Saloon Koblenz", das eine Konzession als "Schank­wirt­schaft mit Musikd­a­r­bie­tungen" besitze, dürfte - ohne Berück­sich­tigung der dort nach Angaben der Beklagten bis 2019 durchgeführten Veranstaltungen, die als "erotische Partys" beworben worden seien - insgesamt dem Betriebstyp einer Diskothek näherkommen. Allein auf die formelle Illegalität des Gaststät­ten­be­triebs könne ein Anspruch der Kläger auf gaststätten- oder immis­si­ons­be­hörd­liches Einschreiten jedoch nicht gestützt werden. Vielmehr bedürfe es eines Verstoßes gegen materielle nachbar­schützende Normen, um hieraus einen Anspruch auf ermes­sens­feh­lerfreie Entscheidung über ein Einschreiten ableiten zu können.

Verstoß gegen materielle nachbar­schützende Normen nicht feststellbar

Ein solcher Verstoß sei hier nicht feststellbar. Soweit die Kläger insbesondere den vom Betrieb der Beigeladenen ausgehenden Lärm und die Basstöne anführten, die sie als schädliche Immissionen einstuften, habe bislang keine Belastung festgestellt werden können, die für die vorbelastete Umgebung - im Außenbereich und in der Nähe der Bundesstraße 9 und der parallel dazu verlaufenden Bahnlinie - nicht zumutbar wäre. Die Einschätzung des Verwal­tungs­ge­richts, wonach die in der Gaststät­te­n­er­laubnis festgelegten Grenzen (tags 55 dB(A) und nachts 40 dB(A), gemessen ,5 m vor dem vom Lärm am stärksten betroffenen Fenster des nächstgelegenen Wohnhauses) "gleich mehrfach" überschritten worden sein sollen, finde in den zugrun­de­lie­genden umfangreichen Verwal­tungs­vor­gängen in tatsächlicher Hinsicht keinen hinreichenden Niederschlag. Die Werte, die das Verwal­tungs­gericht zur Untermauerung der Lärmbe­ein­träch­tigung herangezogen habe, seien allesamt nicht unmittelbar am maßgeblichen Immissionsort und zudem bereits vor mehreren Jahren gemessen worden. Des Weiteren ergebe sich aus den seitdem von den Ordnungs­be­hörden vielfach durchgeführten Kontrollen und den übrigen objek­ti­vierbaren tatsächlichen Umständen, dass der feststellbare Lärm regelmäßig nicht ausreichend gewesen sei, um eine Lärmmessung zu veranlassen. Aus der Vielzahl der genannten Kontrollen folge zudem, dass der Vorwurf, die Beklagte sei untätig geblieben, sachlich nicht gerechtfertigt sei. Der Hinweis auf - naturgemäß subjektive - Nachba­r­be­schwerden vermöge objektiv nachvoll­ziehbare Feststellungen nicht zu ersetzen. Für weitergehende Maßnahmen zur Sachver­halts­auf­klärung habe aufgrund der fehlenden konkreten Anknüp­fung­s­tat­sachen kein Bedarf bestanden. Durchgreifende Anhaltspunkte für sonstige erhebliche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen lägen ebenfalls nicht vor.

Quelle: Oberverwaltungsgericht Koblenz, ra-online (pm/ab)

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