Dokument-Nr. 11982
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- NStZ-RR 1997, 379Zeitschrift: NStZ-Rechtsprechungsreport (NStZ-RR), Jahrgang: 1997, Seite: 379
- zfs 1997, 196Zeitschrift für Schadenrecht (zfs), Jahrgang: 1997, Seite: 196
- Amtsgericht Grünstadt, Urteil16.09.1996, 5289 Js 7884/96
Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss19.12.1996
Durchfallerkrankung: Tempoüberschreitung auch bei heftigem Stuhlgang nicht erlaubtNotfalls auf dem Seitenstreifen anhalten
Auch wer unter Durchfall leidet, muss sich grundsätzlich an bestehende Geschwindigkeitsbeschränkungen halten. Zumindest muss der Betroffene aber, bevor er die erlaubte Höchstgeschwindigkeit überschreitet, prüfen, ob ein Halten am Seitenstreifen möglich ist, um seine Notdurft zu verrichten. Dies hat das Pfälzische Oberlandesgericht Zweibrücken entschieden.
Im zugrunde liegenden Fall litt ein Autofahrer unter einer Durchfallerkrankung. Schnellstmöglich wollte er den nächsten Parkplatz erreichen, um dort seinem Stuhldrang nachgeben zu können. Wegen Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit außerorts um 50 km/h wurde er vom Amtsgericht Grünstadt zu einer Geldbuße von 200,- DM und einem Fahrverbot von 1 Monat verurteilt. Das Amtsgericht war der Ansicht, dass der Fahrer "notfalls seinem Druck im Magen-Darmbereich während der Fahrt" nachgeben und die "Verschmutzung seiner Wäsche" hätte in Kauf nehmen müssen. Dagegen berief sich der Autofahrer auf einen Fall von "höherer Gewalt".
OLG hebt Verurteilung auf und verweist die Sache zurück
Das Oberlandesgericht hob das Urteil des Amtsgerichts auf und verwies es zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurück. Das Amtsgerichtsurteil halte einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Abwägung erforderlich
Unter Abwägung der Umstände des Einzelfalls in objektiver und subjektiver Hinsicht müsse bestimmt werden, ob das gesamte Tatbild vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle (Regelfall) in einem solche Maße abweiche, dass ein Fahrverbot unangemessen wäre. Abgewogen werden müsse zwischen dem Schamgefühl und damit der Würde des Fahrers einerseits sowie der Sicherheit des Straßenverkehrs andererseits, meinte das OLG.
Konnte der Autofahrer seiner Notlage anders entkommen als durch die Geschwindigkeitsüberschreitung?
Es müsse geprüft werden, ob der Betroffene sich nicht auch auf andere Weise aus seiner Notlage hätte helfen können als durch die erwiesene Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit. Insofern bedürfe es weiterer Feststellungen darüber, ob es dem Betroffenen nicht möglich war, seiner Notlage dadurch zu begegnen, dass er mit seinem Fahrzeug auf dem Seitenstreifen der Autobahn angehalten hätte, um sich dort - hinter seinem PKW vor zudringlichen Blicken geschützt - seiner Notdurft zu entledigen. Sofern diese Möglichkeit bestanden habe, könne sich der vom Betroffenen gewählte Weg unter Umständen doch wiederum als Regelfall eines groben Verstoßes mit der Folge des Fahrverbots erweisen.
Das Oberlandesgericht verwies die Sache an das Amtsgericht zurück.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 20.10.2011
Quelle: ra-online, Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken (vt/pt)
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