Dokument-Nr. 13727
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- IMR 2012, 391Zeitschrift: Immobilien- und Mietrecht (IMR), Jahrgang: 2012, Seite: 391
Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss27.06.2012
Grundbuch-Einsicht im Fall Schlecker: Journalist darf zur Recherche von möglichen Vermögensübertragungen Einsicht in Schlecker-Grundbuch nehmenOLG Stuttgart verurteilt das Grundbuchamt Ehingen zur Öffnung des Grundbuchs zum Schlecker-Grundstück Ammerweg 4 in Ehingen für Recherchezwecke
Rechercheure der Firma autoren(werk) dürfen Einsicht in das Grundbuch hinsichtlich des Grundstücks Ammerweg 4 in Ehingen der Unternehmerfamilie Schlecker nehmen. Sie recherchieren zu möglichen Vermögensübertragungen innerhalb der Familie. Das Oberlandesgericht Stuttgart verurteilte das Grundbuchamt Ehingen zur Öffnung des Grundbuchs - jedenfalls soweit es sich um Rechtsgeschäfte zwischen Mitgliedern der Familie Schlecker handele.
Die Firma "autoren(werk) GmbH & Co. KG" (Antragstellerin) recherchiert und produziert Beiträge für öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten und private Rundfunkveranstalter.
Mögliche Vermögensübertragungen sollen untersucht werden
Im Rahmen ihrer journalistischen Tätigkeit befasst sich gegenwärtig auch mit möglichen Vermögensübertragungen zwischen Angehörigen der Unternehmerfamilien Schlecker vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des eingetragenen Kaufmanns Anton Schlecker. Dabei sei bekannt geworden, dass das von Herrn Anton Schlecker und seiner Ehefrau Christa Schlecker bewohnte Haus in Ehingen/Donau nunmehr im Eigentum der Ehefrau stehe.
Insolvenzverwalter verweigerte die Auskunft
In diesem Zusammenhang kontaktierten die Journalisten das Büro des Insolvenzverwalters. Dieses verweigerte auf telefonische Anfrage hin eine diesbezügliche Auskunft und verwies die Rechercheure an das Grundbuchamt.
Journalisten stellen Antrag auf Grundbucheinsicht - Grundbuchamt lehnt den Antrag ab
Daraufhin stellten die Journalisten unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshof beim Grundbuchamt Ehingen einen Antrag auf Einsicht in das Grundbuch. Angesichts eines konkreten Verdachts und wegen der Auswirkungen des Insolvenzverfahrens auch auf tausende Arbeitnehmer überwiege das Informationsrecht der Öffentlichkeit und der Presse das Rechts auf informationelle Selbstbestimmung der Mitglieder der Familie Schlecker.
Das Grundbuchamt wies den Antrag auf Einsicht allerdings zurück (Beschluss vom 15.06.2012, Az. I GRG 604/2012), worauf hin die Antragstellerin Beschwerde beim Oberlandesgericht Stuttgart einlegte. Mit Erfolg.
OLG Stuttgart erlaubt Grundbucheinsicht
Das Oberlandesgericht Stuttgart hob den Beschluss des Grundbuchamts Ehingen auf und wies das Grundbuchamt an, autoren(werk) Einsicht in das Grundbuch/Ehingen betreffend des Grundstücks Ammerweg 4 in Ehingen zu gestatten. Es beschränkte die Einsicht allerdings auf solche Urkunden, mit welchen Rechtsgeschäfte zwischen den Mitgliedern der Familie Schlecker beurkundet wurden (zwischen Anton Schlecker, Christ Schlecker, Meike Schlecker oder Lars Schlecker). Die Grundbucheinsicht sei nach § 12 Abs. 1 GBO i.V.m. § 46 GBV zu gewähren, führte das OLG aus.
OLG Stuttgart beruft sich auf BGH-Entscheidung zum Fall Christian Wulff
Über den ursprünglichen, dem allgemeinen Rechtsverkehr mit Grundstücken dienenden Regelungszweck hinaus, vermag auch ein schutzwürdiges Interesse der Presse und vergleichbarer publizistisch tätiger Medien daran, von den für ein bestimmtes Grundstück vorgenommenen Eintragungen Kenntnis zu erlangen, das nach § 12 Abs. 1 S. 1 GBO für die Gestattung der Einsicht erforderliche berechtigte Interesse zu begründen (BVerfG NJW 2001, 503 = BVerfG, Beschluss v. 28.08.2000 - 1 BvR 1307/91 -; BGH NJW-RR 2011, 1651 = BGH, Beschluss v. 17.08.2011 - V ZB 47/11 -). Ein solches Interesse bestehe auch hier, weil das Einsichtsgesuch auf die Beschaffung journalistisch verwertbarer Informationen über eine Grundstücksübertragung unter Familienangehörigen im Vorfeld der Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Übertragenden zielt und somit der von dem Schutzbereich der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 2 GG) erfassten publizistischen Vorbereitungstätigkeit zuzuordnen sei (BVerfGE 50, 234, 240).
Das Interesse der Presse oder des Rundfunks ist hier höher zu bewerten als das Recht auf informationelle Selbstbestimmung
Schutzwürdige Belange der im Grundbuch Eingetragenen stünden einer Einsichtnahme nicht entgegen, obwohl auch ihnen aufgrund der im Grundbuch enthaltenen personenbezogenen Daten über Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG (informationelle Selbstbestimmung) Verfassungsrang zukomme. Das Interesse der Presse oder des Rundfunks erweise sich als gegenüber dem Persönlichkeitsrecht der Eingetragenen dann als vorrangig, wenn es sich um eine Frage handele, die für die Öffentlichkeit von Interesse ist und wenn die Recherche der Aufbereitung einer ernsthaften und sachbezogenen Auseinandersetzung diene (BVerfG, Beschluss v. 28.08.2000 - 1 BvR 1307/91 -). Daran könnten im Hinblick auf das öffentliche Interesse, insbesondere auch auf das Interesse der betroffenen Arbeitnehmer, an dem Gesamtkomplex Insolvenz der Schlecker Unternehmensgruppe und der Frage einer anfechtbaren Schmälerung der Insolvenzmasse keine Zweifel bestehen.
Fall Schlecker vergleichbar mit Klage des Spiegels zu Einsicht in das Grundbuch hinsichtlich des Privathauses von Christian Wulff
Deshalb sei der vorliegende Sachverhalt entgegen der Auffassung des Grundbuchamts auch nicht anders zu würdigen als der vom Bundesgerichtshof entschiedene (der die Einsicht in das Grundbuch des Privatgrundstücks eines Amtsträgers und seiner Ehefrau aufgrund des Verdachts der Gewährung finanzieller Vergünstigungen durch einen bekannten Unternehmer zum Gegenstand hatte).
Wie in dem vom Bundesgerichtshof (BGH NJW-RR 2011, 1651 = BGH, Beschluss v. 17.08.2011 - V ZB 47/11 -) entschiedenen Fall sei auch nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin in unproblematischer Weise andere Mitte nutzen könnte, um die erwünschten Informationen unter geringerer Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts der Eingetragenen zu erhalten.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 02.07.2012
Quelle: ra-online, OLG Stuttgart (vt/pt)
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