14.11.2024
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Dokument-Nr. 12020

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Beschluss28.08.2000Bundesverfassungsgericht1 BvR 1307/91
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • IBR 2000, 620Zeitschrift: Immobilien- und Baurecht (IBR), Jahrgang: 2000, Seite: 620
  • MDR 2001, 146Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2001, Seite: 146
  • NJW 2001, 503Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2001, Seite: 503
  • Rpfleger 2001, 15Zeitschrift: Der Deutsche Rechtspfleger (Rpfleger), Jahrgang: 2001, Seite: 15
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ergänzende Informationen

Bundesverfassungsgericht Beschluss28.08.2000

Presse hat bei berechtigtem Interesse ein Einsichtsrecht in das GrundbuchBundes­ver­fas­sungs­gericht zum Einsichtsrecht der Presse in das Grundbuch

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat auf die Verfas­sungs­be­schwerde eines Verlages hin entschieden, dass Journalisten bei berechtigtem Interesse ein Einsichtsrecht in das Grundbuch haben.

1. Die Beschwer­de­führerin (Bf) gibt die Zeitschrift "Wirtschaftswoche" heraus. Sie beantragte beim Grundbuchamt - zunächst ohne weitere Darlegungen ihres Recher­che­in­teresses -, einer Redakteurin Einsicht in bestimmte Grund­buch­blätter zu gewähren. Das Amtsgericht wies sie darauf hin, dass Voraussetzung für die Gewährung der Grund­bu­ch­einsicht die Anhörung des in den betreffenden Grundbüchern eingetragenen Eigentümers und die Abwägung der von der Presse wahrgenommenen öffentlichen Interessen mit dem Indivi­du­al­in­teresse des Eigentümers sei. Nach der Ablehnung des Antrags durch das Amtsgericht legte die Bf im Beschwer­de­ver­fahren beim Oberlan­des­gericht Düsseldorf (OLG) zwar "vorsorglich" dar, in welchem Zusammenhang sie für eine Recherche über die als Grund­s­tücks­ei­gen­tümerin eingetragene KG die Einsichtnahme begehre. Unter keinen Umständen solle jedoch die Grund­s­tücks­ei­gen­tümerin nach Konkretisierung des Recher­che­vor­habens unterrichtet und zur Inter­es­se­n­ab­wägung angehört werden.

Das OLG wies die Beschwerde zurück. Zwar könne auch der Presse das Recht auf Grund­bu­ch­einsicht nach § 12 Grund­buch­ordnung (GBO) zustehen, da auch ein öffentliches Interesse als berechtigtes Interesse im Sinne dieser Norm anzuerkennen sei. In solchen Fällen müsse aber der Eigentümer vor Gestattung der Einsicht zur sachgerechten Abwägung seiner Interessen mit denen des Antragstellers angehört werden.

Mit der Vb rügt die Bf die Verletzung der Pressefreiheit in Gestalt der Freiheit der Infor­ma­ti­o­ns­ge­winnung. Gebe das Grundbuchamt die ihm gegenüber dargelegten Informationen an den Betroffenen weiter, sei dieser in die Lage versetzt, die weitere Recherche zu unterlaufen, insbesondere Mitwisser zum Schweigen zu veranlassen.

2. Mit Beschluss vom 28. August 2000 hat die 1. Kammer des Ersten Senats den angegriffenen Beschluss aufgehoben und die Sache an das OLG zurückverwiesen. Zur Begründung heißt es im Wesentlichen:

a) Die Pressefreiheit ist durch die Auslegung und Anwendung des § 12 Abs. 1 GBO durch das OLG verletzt worden. Der Staat ist - auch unabhängig von subjektiven Berechtigungen Einzelner - verpflichtet, in seiner Rechtsordnung überall dort, wo der Geltungsbereich einer Norm die Presse berührt, dem Postulat ihrer Freiheit Rechnung zu tragen. Im Ausgangspunkt hat das OLG § 12 GBO in verfas­sungs­rechtlich nicht zu beanstandender Weise dahingehend ausgelegt, dass auch der Presse auf Grund der Wahrnehmung öffentlicher Interessen grundsätzlich ein Recht auf Grund­bu­ch­einsicht zustehen kann. Auf der anderen Seite genießt auch die Rechtsposition des im Grundbuch Eingetragenen grund­recht­lichen Schutz. Wenn Dritten eine Grund­bu­ch­einsicht gewährt wird, liegt darin - bei Privatpersonen - ein Eingriff in das auf diese Daten bezogene informationelle Selbst­be­stim­mungsrecht bzw. - bei juristischen Personen - in die als Bestandteil der allgemeinen Handlungs­freiheit geschützte Freiheit im wirtschaft­lichen Verkehr. Bei der Rechtssetzung und Rechtsanwendung sind die wider­strei­tenden Grund­rechts­po­si­tionen in einen angemessenen Ausgleich zu bringen.

b) Es ist verfas­sungs­rechtlich nicht zu beanstanden, dass das OLG das Einsichtsrecht der Presse von einer Darlegung des Einsichts­in­teresses abhängig gemacht hat, die auch im Regelfall der Einsichtnahme nach § 12 GBO vorgesehen ist. Allerdings müssen die Anforderungen an das berechtigte Interesse selbst und an dessen Darlegung der Besonderheit einer freien Presse Rechnung tragen. Die Presse muss nach publizistischen Kriterien entscheiden dürfen, was sie des öffentlichen Interesses für wert hält und was nicht. Das von der Presse dargelegte Infor­ma­ti­o­ns­in­teresse muss vom Grundbuchamt als solches - also nach Prüfung seines Bestehens ohne eigene Bewertung - dem weiteren Vorgehen zugrunde gelegt werden. Ferner ist zu respektieren, dass die Presse regelmäßig auch auf einen bloßen, und sei es auch nur schwachen, Verdacht hin recherchiert, ja dass es geradezu Anliegen einer Recherche ist, einem Verdacht nachzugehen. Das Grundbuchamt hat zu prüfen, ob die Einsichtnahme geeignet ist, um dem Infor­ma­ti­o­ns­an­liegen Rechnung zu tragen. Dazu gehört die Prüfung, ob das Infor­ma­ti­o­ns­in­teresse sich auf Rechte der im Grundbuch Eingetragenen bezieht, für die Einsicht verlangt wird. Zum Prüfungs­programm gehört ferner, ob die Presse sich bei der Einsichtnahme auf das zur Recherche Erforderliche begrenzt und ob sie in unpro­ble­ma­tischer Weise andere Mittel nutzen könnte, um die von ihr erwünschten Informationen unter geringerer Beein­träch­tigung des Persön­lich­keits­schutzes der Eingetragenen zu erhalten. Hierbei darf das Grundbuchamt allerdings wegen des Gebots staatlicher Inhalts­neu­tralität der Presse nicht vorschreiben, wie ein bestimmter Vorgang im Grundbuch zu bewerten ist. Der beabsichtigte Verwer­tungszweck der Daten durch die Presse kann im Rahmen der Angemes­sen­heits­prüfung bedeutsam werden. Das Zugangs­in­teresse der Presse hat regelmäßig insbesondere Vorrang, wenn es um Fragen geht, die die Öffentlichkeit wesentlich angehen und wenn die Recherche der Aufbereitung einer ernsthaften und sachbezogenen Ausein­an­der­setzung dient.

c) Soweit das OLG darüber hinaus jedoch eine Anhörung des Eigentümers des Grundstücks grundsätzlich für geboten hält, lässt sich dies mit dem Grundrecht der Pressefreiheit nicht vereinbaren. Es ist nicht Aufgabe des Eigentümers, sondern die des Grundbuchamts, die Eignung und Erfor­der­lichkeit der Einsichtnahme zu überprüfen. Nach der Systematik der Grund­buch­ordnung sind abwägungs­er­heblich nur allgemeine Interessen des Eingetragenen, nicht aber solche, die aus ihrer spezifischen persönlichen Situation folgen. Gegen die unmittelbare Ableitung eines Anhörungsrechts aus der Verfassung spricht, dass ohne nähere gesetzliche Vorgaben ein Risiko der Vereitelung des Infor­ma­ti­o­ns­in­teresses der Presse besteht. Ginge die Presse einem Verdacht des missbilligten Verhaltens nach und müsste das Grundbuchamt den Adressaten des Verdachts von ihren Recherchen informieren, könnte der Rechercheerfolg nachhaltig gefährdet werden, da der Adressat ihrer Nachforschungen zu Gegenmaßnahmen, insbesondere zur Vernichtung von Beweismitteln und ähnlichem schreiten könnte.

Quelle: ra-online, Bundesverfassungsgericht (pm/pt)

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